Название | Sklavenjäger |
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Автор произведения | Boris Cellar |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944145563 |
Während ich so dasaß, zwang ich meine Erinnerungen in die Vergangenheit, weg von diesem garstigen Ort. Aus dem Gedächtnis holte ich die schönen Zeiten meiner Kindheit in die Gegenwart, als sich Mama und Papa noch geliebt hatten und wir eine glückliche Familie waren. Trotz seiner Arbeit bei der Polizei konnte man mit Papa die sprichwörtlichen Pferde stehlen. Wir hatten so viel Spaß, wenn wir auf dem Bett kämpften und er mir spielerisch beibrachte, wie man sich als schwache Frau wehrte.
Bei den schönen Erinnerungen schlich sich ein Lächeln auf die aufgeplatzten Lippen, selbst als ich schniefend die Nase hochzog. Ich erinnerte mich an die Situation, wie er versuchte, mit einem Draht seinen alten Opel zu öffnen, nachdem er sich ausgesperrt hatte. Seine Kollegen hatten ihn von einem Streifenwagen aus mindestens eine halbe Stunde lang beobachtet und gelacht. Nachdem das Auto endlich offen war, hatten sie mich auf ein Eis eingeladen. Das war schön. Nur, daß es in einer anderen Welt geschehen war.
4
Das schrille Tröten einer Sirene unterbrach die Stille. Ohne Vorwarnung wurden alle mir zur Verfügung stehenden Sinne mit einem Schlag hinweggefegt. Ein leises, metallisches Klingeln nistete sich vor dem Trommelfell ein und war auch durch wiederholtes Anspannen der Kiefermuskeln nicht mehr wegzubekommen. Vor Schreck fuhr ich hoch und schrie laut in die Dunkelheit.
»Ihr Dreckschweine!« krächzte ich und erhob mich von dem kalten Stein. Angriffsbereit plazierte ich mich mit nach hinten versetzten Beinen mitten in die Zelle. Ich war gewappnet. Sie hatten mich soweit.
Wild drohte ich den unsichtbaren Feinden. Meine Finger preßten sich schmerzhaft in die verschwitzten Handflächen. Abgebrochene Nägel bohrten sich durch Haut ins Fleisch. Fäuste wurden zum Schlag gehoben. Sollten sie bloß kommen; ich war vorbereitet. So leicht würde ich nicht aufgeben. Sie würden schon sehen, wozu ich fähig war. Mir war alles egal.
»Warum tut ihr das?« Meine Stimme überschlug sich. Schallwellen schliffen, gleich Schmirgelpapier, über die Stimmbänder und bahnten sich mit scharfen Krallen den Weg hinaus in die Finsternis. Das Krächzen brannte in der Kehle. Jedes Wort war eine Qual.
Warum wollte niemand mit mir reden? Sollte ich verzweifeln? Einfach nur stehen und warten? Ich konnte nicht mehr! Die Luft war raus! Alles war plötzlich zu viel. Der Kampfgeist erlosch. Zerbrochen ließ ich die Hände sinken, ließ den kläglichen Rest meiner Würde los. Der Wahnsinn suchte mich heim, und ich ließ ihn gewähren. Wer würde zusehen, wie ich weinte? Wen kümmerte, was ich tat? Niemanden! Es war egal. Alles war so scheißegal.
Wasser! Ich zuckte aufjaulend zusammen, stieß gegen den Steinblock und ruderte mit den Armen. Um ein Haar hätte ich das Gleichgewicht verloren und wäre der Länge nach hingeschlagen.
Eiskaltes Wasser kam von der Decke, benetzte mich und durchtränkte den alten Sack, den ich am Leib trug. Wasser, so viel Wasser! Das kostbare Naß! Durst ist schlimmer als Heimweh, sagt man. Und bei Gott, ich hatte hier drin bereits genug Durst gelitten! Ich brauche nicht zu verdursten. Danke, wer immer ihr seid!
Die kühlen Tropfen strömten bereits in Bächen von den Haaren, bis mir die Idee kam, die Handflächen zu einer Schale zu formen. Schnell füllte sich das Gefäß aus rauher Haut. Erwartungsvoll verharrte ich, bis der Wasserspiegel auf ein gewisses Maß gestiegen war. Endlich konnte ich trinken. Triumphierend führte ich die Hände zum Mund und ließ das feuchte Element in den Rachen fließen. Gierig schluckte ich den Trank …
… um alles sofort wieder herauszuwürgen. Es fühlte sich an, als hätte mir jemand den Mund mit Seife ausgewaschen. Ein Meer aus Bläschen blubberte aus mir heraus. Hustend versuchte ich, dieses schleimige, blasige Etwas loszuwerden. Frechen Kindern wurde das Maul mit Seife ausgewaschen. Aber warum mir? Was hatte ich verbrochen? Ich war am Verdursten! Wollte man mich vergiften? War das ein besonders subtiler Mordversuch? Ist das die Art zu sagen, du bist eine Verdurstende in einem See voll Wasser? Ihr habt mich doch schon gebrochen! Was wollt ihr denn noch von mir?
Vornübergebeugt und von Krämpfen im Bauch geschüttelt, stand ich in dem Regen und ärgerte mich maßlos. Röchelnd verschluckte ich mich und hustete aus Leibeskräften. Wasser war in die Luftröhre gedrungen. Ich übergab mich auf den Zellenboden und spie alles heraus, was noch im Magen geblieben war.
Warum nur handelte ich so überhastet? Hier hatte schließlich alles einen Haken. Warum nahm ich an, daß mir jemand etwas Gutes tat? Alles war gegen mich. Warum also hätte das Wasser meine Qual lindern, den allgegenwärtigen Durst stillen sollen? Wie konnte ich so etwas nur erwarten? Dabei wußte ich doch, daß sich jemand einen Spaß daraus machte, mich zu piesacken. Nicht um sonst hatte man mich schon so lange einsam und alleine in der Dunkelheit gelassen.
Zu meinen Füßen hatte sich eine schmierig feuchte Schicht aus Schmutz und Staub gebildet, die den Boden ganz schön rutschig machte. Jeder Schritt mußte vorsichtig gesetzt werden, damit ich nicht plötzlich ausrutschte und irgendwo dagegen stieß. Mit gesenktem Kopf stellte ich mich erneut in Kampfhaltung. Die Unterarme gegen den Kopf gedrückt, schützte ich das Gesicht, um kein Seifenwasser mehr in das Gesicht zu bekommen. So verharrte ich bewegungslos und wartete Atemzug für Atemzug. Zumindest war das Pfeifen aus den Ohren gewichen. Ein kleiner Erfolg in der übrigen Trostlosigkeit.
Seifenwasser, schoß es mir durch den Kopf. Das war kein Wasser, um den grausamen Durst zu lindern. Ich war schmutzig und hatte die Zelle verunreinigt. Das war eine Dusche, eine Reinigung. Man wollte, daß ich den ganzen stinkenden Dreck von meinem Körper wusch. Anscheinend sollte ich wohl eine saubere Gefangene werden – weswegen auch immer …
Zumindest konnte man dadurch der Sache etwas Positives abgewinnen. So begann ich, mit den Händen die fettigen, nassen Haare zu durchwühlen, und spürte, wie sich langsam zwischen den Fingern eine Schaumkrone auftürmte. Das beschissene Wasser war mit einem Duschgel versetzt. Was es nicht alles gab!
Endlich konnte ich den Gestank loswerden! Mit hektischen Bewegungen seifte ich mich ein, vom Kopf bis zu den Zehen. Die gesamte Zelle verwandelte ich in das Chaos einer außer Kontrolle geratenen Schaumparty. Vielleicht würde es mir ja etwas bringen, wenn ich mich gefügig zeigte und mich ordentlich wusch – jetzt, da endlich etwas passierte.
Um mich komplett zu reinigen, öffnete ich die seitlichen Klettverschlüsse des klatschnassen Strafkleides. Den kratzigen Fetzen riß ich vom Leib und schleuderte das glitschige Ding voll Abscheu auf den Boden. Kratzend, streichend und reibend säuberte ich meinen Körper und befreite ihn von Dreck und Gestank.
Ich wusch Haut, Haare und besonders die Intimzonen, als ob es kein Morgen gäbe. Ich schrubbte wie eine Verrückte, koste es, was es wolle. Mit den Zeigefingern fuhr ich über die ungeputzten Zähne. Es war völlig unwichtig, wie der Schaum schmeckte und ob etwas davon im Mund zurückblieb. Es zählte alleine Sauberkeit. Keine Zahnfäule! Kein Gestank! Keine Ratten, die mich auffressen wollten, weil ich den Duft von leckerem totem Fleisch verströmte.
Speichel und Seifenwasser sprühten aus dem Mund, als ich wie wahnsinnig zu lachen begann. Sollte ich denn im Waschwasser ertrinken oder vor lauter Schaum in der kläglichen Zelle ersticken? Wie zynisch war das denn? Hörte die Dusche vielleicht irgendwann wieder auf?
Hysterisch lachte ich meinen Frust aus der Seele. Lachen tat gut. Lachen war besser als Weinen. Aber was zählt schon ein noch so herzhaftes Lachen, wenn es nur die pure Verzweiflung übertünchte? Er zählte nichts! Weder nach außen noch nach innen. Tief drinnen wollte ich einfach nur noch heulen. Doch ich trotzte dem und lachte weiter. Ich lachte laut, schrill und wahnsinnig – bis das Wasser wärmer wurde.
Die Dusche wurde angenehm – richtig angenehm. So etwas war ich gar nicht gewohnt in der Zeit meiner bisherigen Gefangenschaft. Jemand tat mir etwas Gutes! Oho! Fünfsternehotel »Schwarzer Kerker« – gehen Sie doch schon mal vor, der Concierge kümmert sich um ihr Gepäck. Denken Sie an ein angemessenes Trinkgeld. Wir wünschen einen angenehmen Aufenthalt!
Das