Название | Sklavenjäger |
---|---|
Автор произведения | Boris Cellar |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944145563 |
Direkt vor diesem Alptraum zu stehen ließ ein eigenwilliges Gefühl in mir aufsteigen. Es war dieses besondere Gruseln, wenn man in einer unheimlichen Situation weiß, daß einem eigentlich nichts passieren kann. Etwas mulmig ist einem dabei trotzdem immer noch. Es war wie in einer der modernen Geisterbahnen mit echten Schauspielern oder wie in einem spannenden Horrorfilm. Man fürchtet sich gerade so viel, daß das Erlebnis eine emotionale Bindung aufbaut. Im Hinterkopf hat man jedoch immer die Gewißheit, daß man mit heiler Haut aus der Situation herauskommt.
Während ich über die Metallschalen streifte und mit dem Unterarm vorsichtig die spitzen Dornen anstupste, spürte ich hinter mir eine vage Bewegung. Es war ein flüchtiges Etwas; zu schnell, um es zu erfassen. Noch bevor ich mich umdrehen konnte, vernahm ich ein eigenartiges elektrisches Knistern.
Ein Schmerz zuckte durch meinen Hals und paralysierte mich unvermittelt. Die Taschenlampe löste sich aus meinem Griff und fiel neben mir scheppernd zu Boden. Am Rande bekam ich mit, wie ich zusammenbrach. Noch bevor ich realisierte, was eigentlich gerade passiert war, umfing mich kalte, gnädige Dunkelheit.
2
Oh Gott! Mein Kopf dröhnte. Wütende Schmerzen loderten direkt hinter der Stirn. Kopfschmerzen! Ich hasse sie! Spitze Nadeln bohrten sich durch die Schädeldecke. Die Haut am Hals spannte, als ob sie von einem Wahnsinnigen in die Länge gezogen wurde. Pochende Wellen pulsierten durch den gesamten Körper.
Ich fühlte mich wie gegessen und wieder ausgespuckt. Was war los mit mir? Was war bloß geschehen? Gedanken rasten wild umher. Hier stimmte etwas nicht! Panik, Ungewißheit, Dunkelheit. Carola, komm zur Ruhe! forderte ich mich auf. Du mußt dich jetzt beruhigen!
Ich lag auf etwas Hartem. Das war das erste, was ich bewußt feststellte. Mein Körper war in einer unbequemen Position darauf zusammengekauert. Alle Muskeln schmerzten, als ob sie durch extreme Kraftanstrengung überanstrengt wären. Unter mir ertastete ich glatten Stein, auf dem ich wohl schon seit einiger Zeit gelegen hatte.
Nun, nicht direkt glatter Stein. Die Oberfläche war nicht gänzlich blankpoliert, wie zuerst vermutet, sondern mit unzähligen feinen Poren übersät. Ähnlich einem Reibeisen. Ich mußte sogar aufpassen, daß ich mir beim Darüberstreifen nicht die Haut aufriß. Wo war ich? Wie in aller Welt kam ich hierher?
Dunkelheit! Um mich herum war alles tiefschwarz. Finster wie die Nacht. Meine Lider waren offen. Dennoch konnte ich nichts sehen. Überhaupt nichts! Nicht einmal die geringsten Konturen waren erkennbar. Blind! Keine Lichtquelle vorhanden. Meine Augen versuchten, sich an das Fehlen von Licht zu gewöhnen; versuchten, irgend etwas – auch wenn es nur die geringste Kleinigkeit war – zu erkennen. Nichts! Keine Chance! Dunkelheit!
Völlig desorientiert versuchte ich mir klarzuwerden, wo ich mich befand. Ich hatte überhaupt keinen Hinweis. Es gab nichts, was mir helfen konnte. Die poröse Bank und ich. Im Gedanken versuchte ich, mich auf die letzten Momente vor der Bewußtlosigkeit zu konzentrieren. Wie durch Watte kämpfte sich das Gedächtnis zu den Erinnerungen durch, die in den hintersten Windungen meines Gehirns zu schlummern schienen.
Schließlich wurden sie fündig, und ich erinnerte mich an das, was geschehen war, bevor ich in der Dunkelheit wieder zu mir kam. Ich stand wie gebannt vor einer Eisernen Jungfrau in einem Folterkeller mitten im Nirgendwo Belgiens. Dann kamen der schmerzhafte Blitz und der Verlust jeglicher Kontrolle über Geist und Körper. Was danach passierte, lag ebenso im Dunkeln wie die Umgebung, in der ich mich wiederfand. Und wieder drängte sich die Frage auf, wo ich war und warum man mich hierhergebracht hatte.
Vorsichtig hob ich den rechten Arm von der harten Unterlage. Dabei ignorierte ich die protestierenden Muskeln in Arm und Schulter. Ich mußte etwas tun, mußte mich bewegen. Es war nicht richtig, auf der harten Unterlage zu verharren und zu warten, daß etwas passierte. Ich war nicht zur Lethargie verdammt – brauchte mich nicht einfach dem Schicksal in der Dunkelheit zu ergeben.
Vielleicht konnte ich ja ertasten, wo ich mich befand, wenn ich schon der Funktion meiner Augen beraubt war. Verlaß dich auf deine Gefühle, Carola! redete ich mir ein, während ich mich in die Höhe stemmte.
Ich meinte zu spüren, daß etwas um die Handgelenke gelegt war, ebenso um die Knöchel und den Hals. Ein leichter, aber konstanter Impuls drückte dort auf die Haut. Bei den Bewegungen hörte ich Metall rasseln und stutzte. Auf meinem Bauch lag etwas, das sich wie Glieder einer Kette anfühlte. War ich etwa angekettet?
Mit beiden Händen griff ich an die gegenüberliegenden Handgelenke und fühlte darum jeweils einen kalten Eisenring. Die beiden Ringe waren durch eine stabile Kette verknüpft. Ungläubig befühlte ich das geflochtene Metall, das meine Hände miteinander verband. Zwischen Haut und Eisen ertastete ich eine Art schützendes, gummiertes Lederband. Ich war gefesselt. Verdammte Scheiße!
Die Erkenntnis traf mich wie ein Schwall kaltes Wasser. Klammerte ich mich vorher noch an die abstruse Hoffnung, daß ich mich einfach nur in Dunkelheit befand, hatte ich jetzt die Gewißheit, daß etwas Böses mit mir geschehen war. Hektisch versuchte ich, die Bänder abzustreifen. So sehr ich es auch versuchte, ich konnte mich nicht befreien. Gefangen! Ich war, verdammt noch mal, gefangen!
Immer wilder riß ich an den unnachgiebigen Fesseln, immer unkontrollierter wurden meine Bewegungen. Nur ein Wunder und die Beschaffenheit der Fesseln verhinderten, daß ich mich bei den Befreiungsversuchen ernsthaft verletzte. Irgendwann war ich zu erschöpft, um weiter gegen die Ketten anzukämpfen, und gab geschlagen auf. Frustriert ließ ich mich zurücksinken und starrte in die Dunkelheit.
Tief durchatmen! Ich war einfach zu aufgewühlt, um einen klaren Gedanken zu fassen. Konzentriert versuchte ich, zurück zu meinem inneren Mittelpunkt zu kommen, mein Gleichgewicht zu erlangen. Ich war hin- und hergerissen zwischen kühler Analyse und wilder Panik. Es war so surreal! Gerade befand ich mich noch auf spannender Entdeckungstour in einem privaten Foltermuseum, dann wurde ich niedergestreckt und erwachte, mit schweren Ketten gefesselt, an einem unbekannten, dunklen Ort. Wenn mich irgendwer hierhergebracht hatte, mußte dieser Irgendwer doch sicher noch in der Nähe sein. Man würde mir bestimmt erklären, warum ich hier war und was man mit mir vorhatte.
»Hallo!« machte ich mich vorsichtig bemerkbar und schickte noch ein »Kann mich jemand hören?« in das schwarze Nichts hinein.
Meine Stimme erzeugte ein schwaches Echo. Die Beschaffenheit des Widerhalls ließ darauf schließen, daß ich mich in einem größeren Raum befand. In einer Halle vielleicht? Seltsam.
Aber ich agierte. War nicht länger passiv. Das war gut. Die lähmende Panik der ersten Momente nach dem Aufwachen hatte sich gelegt. Mein Gehirn arbeitete wieder normal – so wie das einer Studentin, einer Wissenschaftlerin, die ich ja werden wollte. Ich versuchte, die Situation zu analysieren, Lösungsstrategien zu entwickeln. Ich kam langsam in die Gänge. Als erstes mußte ich herausfinden, was passiert war und wie ich aus dem Ganzen wieder herauskam.
Auf meine Frage kam keine Antwort. Obwohl ich angestrengt lauschte, war weit und breit kein Ton zu hören. Nicht der geringste! Die Stille in der Dunkelheit war ohrenbetäubend. Ich wartete – vergeblich. Nichts geschah! Kann Stille tatsächlich laut und Dunkelheit gleißend hell sein? Die vermeintlichen Widersprüche kamen mir plötzlich sehr bezeichnend vor. Ich fühlte mich ziemlich unsicher und hilflos. Das war kein schönes Gefühl.
Das Warten war zudem ernüchternd. Die Leere zehrte an der Substanz, fraß mich auf. Aus der Finsternis kam keine Stimme, die mir meine Lage erklären wollte. Es erschien kein Held, der mich befreien wollte. Stumm verharrte die Welt und ließ mich alleine auf dem Steinblock zurück.
Meine Augäpfel wanderten in den Höhlen hin und her – auf der vergeblichen Suche nach vagen Konturen, um wenigstens irgend etwas erkennen zu können. Langsam, bloß keinen Muskel überanstrengend, richtete ich den Oberkörper auf. Alles tat weh! Die Muskeln spannten und waren kurz davor, sich schmerzhaft zu verkrampfen. Mein Magen rebellierte und forderte mit einem tiefen Knurren Nahrungsmittel