Название | Sklavenjäger |
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Автор произведения | Boris Cellar |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944145563 |
Mit verzerrtem Gesicht schluckte ich die Galle herunter, die den Hals herauf gekrochen kam. Die Vorstellung der Toilette im Raum war so abstoßend, daß mir schlecht wurde. Würgend rollte ich mich auf dem staubigen Boden zusammen, möglichst weit entfernt von dem scheußlichen Abgrund, und schloß angewidert die Augen. Mühevoll brachte ich Atmung und rebellierenden Magen unter Kontrolle. Ich wollte einfach nur noch weg von hier.
Mir war klar, daß Rufen und Schreien meine Lage nicht verbessern würde. Ich tat es aber trotzdem. Vielleicht würde mich ja doch endlich jemand hören und kommen, mich zu retten. Zumindest wollte ich meinen Häschern auf die Nerven gehen. Wenn ich etwas tat, dann verschwand die Übelkeit ja vielleicht wieder. Vielleicht konnte ich sie ignorieren oder zumindest verdrängen. Ablenkung war immer gut. Ich hatte noch nicht aufgegeben, konnte – nein, mußte mich aufraffen und etwas tun. Noch immer war ich Herrin meiner Sinne. So leicht gibt eine Reinhart nicht auf! Mein Vater hatte in seiner schweren Zeit auch nicht aufgegeben. Er hat gekämpft und gewonnen, zumindest was die Justiz anging. Ich würde am Ende auch gewinnen. Irgendwie. Das war sicher.
Die Sprüche sollten mich aufmuntern und zum Durchhalten motivieren. Doch in Anbetracht meiner Situation klangen sie einfach nur schal. Wo war ich denn eine Kämpferin? Alles, was ich tun konnte, war herumliegen, schreien und heulen. Sonst nichts. Meine Eltern würden sich für mich schämen, wenn sie mich so sähen.
Meine Mutter war – wie Vater – eine Kämpfernatur – im Gegensatz zu mir. Sie hatte nach der Scheidung ihr Leben gemeistert. Ganz ruhig hatte sie alles fair geregelt. Es gab keinen Rosenkrieg um winzige Beträge, Unterhalt oder Kinderbesuchszeiten. Vater tat meiner Mutter nach seinem Prozeß einfach nur leid, jedoch konnte sie nicht länger mit ihm unter einem Dach zusammenleben. Sie hatten sich nicht bekämpft, nicht gestritten. Sie waren einfach nur auseinandergedriftet, bis es nichts Gemeinsames mehr gab. Dann hatte sie ihn in Würde verlassen.
Mama hatte nach der Trennung viele Liebhaber gehabt und beherrschte die Kunst des Lebens und des Überlebens. Sie genoß jede schöne Minute, die ihr geschenkt wurde, und gab dafür gerne Liebe und Großzügigkeit zurück. Wer sie ärgerte, mußte büßen. Sie verstand es, sich zu rächen. Oh ja! Sie war ganz und gar Frau, eine Meisterin der kleinen Gemeinheiten. Doch sie war keine gute Lehrmeisterin. Ich war anders und glaubte noch an das Gute im Menschen. Rache ist keine Option! Sie ist der Grund für eine Spirale aus körperlicher und mentaler Gewalt, die alles um sich herum mit Freuden in den Abgrund reißt. So wollte ich mich nicht definieren. So war ich nicht.
Es stank. Mein empfindliches Riechorgan beendete den Rückblick auf die Geschichte meiner Eltern. Mein Körper stank. Das Verlies stank. Die Luft stank. Der Staub stank. Die Fesseln stanken. Mein Schweiß stank. Der ekelhafte Geruch hatte sich schon überall festgesetzt, lag in der Luft wie ein chemischer Kampfstoff, der mich zu zermürben drohte. Atmete ich durch die Nase, heftete er sich an die Scheidewände. Öffnete ich den Mund, setzte er sich an Gaumen und Rachen fest. Atemzug um Atemzug brachte mehr Gestank in meinen Körper. Dieser schied den Mief wieder aus, und der Kreislauf des Widerwärtigen begann erneut. Dann stank es noch mehr. Es war einfach nur degoutant! Ich ekelte mich vor mir selbst. Wonach roch es überhaupt? Roch es vergammelt, verfault, wie zu lange liegengebliebenes Fleisch oder nach Exkrementen? Roch es einfach nur nach Schweiß? Schimmel? Es war nicht bestimmbar. Ich konnte lediglich behaupten, daß es schlimm war. Ach was, schlimm … Es war fast nicht mehr zu ertragen!
Einsamkeit, Dunkelheit, Ekel, Gestank, Hunger, Durst. Die Liste der Dinge, die mich quälten, wurde immer länger. Ich befürchtete, daß das noch nicht alles war. Wahrscheinlich gerade mal der Anfang. Wie würde ich mich verhalten, wenn noch mehr passierte? Wenn tatsächlich einmal etwas mit mir passierte? Würde ich den Verstand verlieren? Nein. Das hatte ich doch bereits.
In der Stille hörte ich ganz leise ein Rascheln. Kaum wahrnehmbar. Doch ich hatte das Geräusch erhaschen können. Winzige Füße tippelten hektisch über den Zellenboden. Die kleinen Pfötchen eines kleinen, ekelhaften Tieres, die widerliche kleine Töne machten. Das war bestimmt eine Ratte. Ich haßte Ratten, trotz ihrer Verniedlichung in Filmen.
Ratten waren Träger von Krankheiten. Das wußte doch jeder. Sie brachten Tod und Verderben. Vor Ratten hatte man sich zu ekeln. Ratten sind unrein. Ratten stinken! Man soll sie ja auch nicht essen, sagt man. Obwohl …? Ob sie gut schmecken? Ich sollte es einmal versuchen und probieren, mir eine zu fangen.
Beißen Ratten eigentlich? Wo eine Ratte war, waren ihre Artgenoßen meist nicht weit. War hier irgendwo ein verdammtes Rattennest? Würde ich von den Viechern bei lebendigem Leib gefressen werden? Vielleicht wenn ich zu schwach war, um mich zu bewegen – oder wenn ich wieder eingeschlafen war? Viele kleine Rattenzähne auf vielen kleinen Rattenbeinen würden sich an meiner stinkenden Haut laben – wie bei einem Festmahl.
Lockte sie der ekelhafte Geruch meines kalten Schweißes an? Unbewußt kratzte ich mich am Kopf und strich durch meine wohl nicht mehr so perfekt sitzenden roten langen Haare. Ich schnupperte an der Hand und roch den Gestank einer verschwitzten, ungewaschenen Frau. Ratten und Gestank, das paßte sowas von zusammen. Morgen würden mich meine Häscher halb aufgefressen finden, nachdem diese kleinen Monster sich an mir gelabt hatten.
Teilten noch andere Tiere mit mir die Zelle? Nistete sich gerade irgendwo ein Heer von Kakerlaken, Ratten und Spinnen ein? Hallo Carola, wir haben dir zum Einzug Brot und Salz mitgebracht – auf eine gute Nachbarschaft …!
Ob ich mir ein paar Ratten zähmen sollte? Aber womit sollte ich sie gefügig machen – mit Stückchen meines stinkenden Körpers? Na ja, ich bin eine Frau, ein paar Gramm zu viel hier und dort hätte ich schon abzutreten. Wenn ich hier keinen Sport mache, setze ich bestimmt bald Fett an. Aber wovon? Dazu bräuchte ich erst einmal etwas zu essen und zu trinken. Und da schließt sich der Kreis wieder. Ich habe Hunger und Durst. Verdammt!
Das Getrippel war irgendwann verstummt. Die unerträglich laute Stille hatte mich wieder im unbarmherzigen Griff. Ich kratzte mit den Fingernägeln über die krustige Oberfläche des Steinblocks, um zumindest einige leise Geräusche zu hören. Damit es nicht ganz so furchtbar leise war. Die manikürten Supernägel hatten sich bestimmt längst in zerklüftete Ruinen verwandelt. Aber was soll’s? Ich hatte eine Beschäftigung und hörte etwas in der Grabesstille. Das war doch schon mal etwas.
Schlaf übermannte mich irgendwann. Ich träumte wild und unruhig. An die Nachtmahre konnte ich mich nach dem Aufwachen nicht mehr erinnern. Jedenfalls waren sie unheimlich und furchteinflößend. Erholung war mir dank des unruhigen Schlummers nicht vergönnt. Als ich erwachte, war ich noch verspannter als zuvor und fühlte mich hundeelend. Die Bedürfnisse Hunger und Durst dominierten mein Verlangen. Dunkelheit, Einsamkeit und Stille lauerten direkt dahinter. TRINKEN! BITTE!
Ich bebte, wobei ich nicht wußte, ob vor Wut, Kälte oder Flüssigkeitsmangel. Der Kopf dröhnte. Das war doch ein Anzeichen von Dehydration. Wasser. Irgend etwas. Ich erinnerte mich an die Brühe im Abwasserrohr. Mit meinem Wässerchen hatte ich es kontaminiert. Die Flüssigkeit werde ich bestimmt nicht trinken. So viel stand fest. Es hatte so viel schon festgestanden hier in der Finsternis. So viele Werte waren schon zerbrochen. Wann würde ich anfangen, meinen eigenen Urin zu trinken, nur um irgendeine Flüssigkeit zu bekommen?
»Hallo«, krächzte ich. »Wasser! Bitte!«
Der Ruf hörte sich an wie eine schreckliche Imitation meiner eigenen Stimme. Er klang, als hätte sie ein untalentierter Komiker parodieren wollen und wäre daran gescheitert, weil er zuvor eine Nacht mit rauchigem Whisky verbracht hatte. Ach egal, mich hörte doch eh niemand! Man ignorierte mich. Aber ich mußte es versuchen, durfte nicht aufgeben. Ich mußte zeigen, daß es mich noch gab. Wie lange konnte ein Mensch ohne Flüssigkeit überleben? Wann schwanden einem die Sinne? Wann wurde man vor Hunger und Durst wahnsinnig? Es dauerte bei mir sicher nicht mehr lange.
Was sollte man in einer Situation wie dieser tun? Beten? Seine Eltern im stillen für all die Verfehlungen und