Название | Psychotische Reaktionen und heiße Luft |
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Автор произведения | Lester Bangs |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870028 |
Während die ›Undergroundpresse‹ und die selbsternannten Vorreiter des öffentlichen Geschmacks immer noch ihrer Verschwörung des Schweigens anhingen, waren es ironischerweise die ach so verhassten Fachblätter des ›Establishments‹, die erstmals Count Fives Errungenschaften in ihrer frühen Blüte würdigten: ›Wie so viele andere, haben sich Count Five nach ihren eher ungeschliffenen Anfängen schließlich zu handwerklich soliden Musikern entwickelt, die sich durch ihre Feinsinnigkeit und Differenziertheit auszeichnen, und einen der frischesten, ausgefeiltesten Sounds der letzten Zeit geschaffen‹, schrieb Billboard über Count Fives viertes Album Ancient Lace and Wrought-Iron Railings (Columiba CS 9733).
Aber als Snowflakes Falling on the International Dateline (Columbia MS 7528) erschien, blies es jeden, der Ohren hatte, all die Kids, die frisch und frei genug waren, der meinungsmachenden Mafia den Stinkefinger zu zeigen, durch die Tür bis runter zur Ecke. Es bot das einmalige ›Schizophrenic Rainbows: A Raga Concerto‹, das keiner, der es volle siebenundzwanzig Minuten lang gehört hat, je vergessen wird, vor allem nicht die gewaltige Wucht des abrupten Einsatz von George Szell and the Cleveland Orchestra auf voller Lautstärke in der achtzehnten Minute. Allein wegen dieses Songs muss es als das Meisterwerk unter ihren Alben gelten, obwohl das melancholische ›Sidewalks of Calais‹, das die A-Seite beendet, mit seinem bemerkenswert gereiften Text auch großartig war: ›Pitting, patting, trying not to step on the cracks / In Europa, where we saw no sharecropper shacks / Reciting our Mallarmé / Those films with Tom Courtenay / And your hand in mine / On the sidewalks of Calais / Oh no, I shan’t forget ...‹
Bedauerlicherweise war das auch ihre letzte Veröffentlichung. Nachdem man so viel Technologie und Geld in dieses ehrgeizige Projekt investiert hatte und dafür mit absolutem öffentlichen Desinteresse belohnt worden war, verließ sowohl Columbia als auch die Band der Mut, der Vertrag lief aus und die Musiker trennten sich mit unbekanntem Verbleib. Bis auf einen, den unglaublichen Gitarrenvirtuosen John »Mouse« Michalski, der später nach England emigrierte und zusammen mit einigen Ex-Bandmitgliedern von John Mayalls Bluesbreakers und Ginger Bakers Air Force die legendären, aber kurzlebigen Stone Prodigies gründete. Dieser Zusammenschluss der Titanen brachte, wie sich jeder erinnern wird, ein unglaubliches Album heraus, To John Coltrane in Heaven, um dann zu einer rekordbrechenden, zehnmonatigen Amerikatournee durchzustarten, die so mörderisch war, dass die ganze Band hinterher fest entschlossen war, für den Rest ihres Lebens zu Hause zu bleiben.
Zwischen Psychotic Reaction und dem Snowflakes Abgesang, produzierte Count Five drei weitere Alben, jedes gleichermaßen großartig und dem jeweils vorangegangen mit Sieben-Meilen-Schritten voraus. Meine Lieblingsplatte war immer die dritte, Cartesian Jetstream (Double Shot DDS 1023). Hier war Count Five als Band am meisten ausgereift, extrem eigenständig und doch uneingeschränkt Rock’n’Roll (man brauchte nur den alten angelsächsischen Madrigalen und Pseudo-Flamencos à la Feliciano von Ancient Lace and Wrought-Iron Railings lauschen, um festzustellen, wo ihre wahren Stärken lagen). Geschliffen und professionell, trotzdem extrem treibend und fast dreckig – genau wie die Geschichte, lässt sich Kultiviertheit nicht bremsen –, war ihre Musik wirklich aufheiternd, erfüllt vom Pulsschlag der Kreativität. So dynamische Originale wie ›Cannonballs for Christmas‹, ›Her Name is Ianthe‹ und ›Nothing is True / Everything is Permitted‹ lassen mich immer wieder auf dieses Album zurückgreifen, hinzu kommt die Ergänzung durch Marion Brown, Altsaxophon, Sun Ra, Piano, und Roland Kirk, Bass Tin Whistle, beim letzten Stück ›Free All Political Prisoners! Seize the Time! Keep the Faith! Sock It to ’Em! Shut the Motherfucker Down! Then Burn It Up! Then Give the Ashes to the Indians! All Power to the People! Right On! All Power to Woodstock Nation! And Watch For Falling Rocks!‹ Die Nummer war ein echter Geistesblitz und rückte einen der originellsten Texte des Jahres in den Vordergrund.
Das einzige Count-Five-Album, das total nichtssagend war, war ihr zweites, Carburetor Dung (Double Shot DDS 1009). Man kann mit absoluter Aufrichtigkeit sagen, dass Count Five hier an ihrem abgeranztesten Punkt angelangt waren. Das Album war tatsächlich so abgerockt, dass man bei den meisten Titeln kaum etwas unterscheiden konnte, außer einer undifferenzierten Wand aus knarzenden Geräuschen und einer unaufhörlichen Interpunktion von glottalem sägeartigen Stöhnen. Ich glaube, das Album lässt sich am besten als düster charakterisieren. Einige der Texte waren verständlich, wie die von ›The Hermit’s Prayer‹: ›Sunk funk dunk Dog God the goosie Glastone prod old maids de back seat sprung Louisiana sundown junk an’ bunk an’ sunken treasures / But oh muh drunken hogbogs / I theenk I smell a skunk.‹ Solche Texte hört man nicht jeden Tag, und auch wenn der musikalische Hintergrund dazu eher wie ein Auto klang, das mit durchdrehenden Reifen im Schlamm steckte, kann man nicht leugnen, dass der Song einen gewissen Wert als Prototyp für Rock’n’Roll auf niedrigstem Niveau hatte. Andere Titel wie ›Sweat Haunch Woman‹, ›Woody Dicot‹ und ›Creole Jukebox Pocahontas‹ zeichneten sich dadurch aus, dass sie sich leicht von der uniformen, eindimensionalen Mattigkeit des restlichen Materials abhoben.
Andererseits täte man vielleicht gut daran, mich nicht beim Wort zu nehmen, sondern einfach an meine Plattensammlung zu gehen und das Album selbst zu hören. Dave Marsh stand total darauf. (Er sagte: ›Es ist nur eine der Möglichkeiten, wie weit Rock gehen kann, ein Ende der Fahnenstange, und eines der menschenmöglich primitivsten Werke, die ich je gehört habe. Man muss verrückt sein, um solche Musik zu machen, und ich bin froh, dass sie es getan haben.‹) Ed Ward hat mir erzählt, er würde es immer behalten, denn ›es ist eines der komischsten Alben in der Geschichte des Rock’n’Roll, zusammen mit Blow against the Empire und Kick Out the Jams; wie kann man sich so was entgehen lassen?‹ Obwohl Jon Landau sich energisch weigerte, eine Kritik im Rolling Stone zu veröffentlichen: ›Hör zu, ich arbeite in diesem Geschäft nicht mit der Gesinnung einer geistigen Rotznase, die sich im Gebüsch versteckt und dem Erstbesten, der vorbeikommt, ein Bein stellt und sich dann halbtot lacht, wenn er auf die Schnauze fällt. Alles an diesem Album ist falsch. Erstens ist es absolut entsetzlich, eine der schlimmsten Monstrositäten, die je veröffentlicht wurden. Zweitens ist die Gruppe, die es aufgenommen hat, nur eine Fassade für Studiomusiker, das weiß ich mit Sicherheit. Du kannst mir nicht erzählen, dass die gleiche Band, die Iron Rainbows on the International Dateline oder wie das Ding auch immer geheißen haben mag, aufgenommen hat ... egal, es war ein wunderbares Werk, prätentiös, überarrangiert, überproduziert, langatmig, geltungssüchtig und vulgär, aber nichts desto trotz wunderbar – der Glockenspielspieler hat sich siebenundzwanzig Minuten lang halb zu Tode gejammert –, auf jeden Fall, du kannst mir also nicht erzählen, dass das und dieser Schrott von derselben Band stammen. Das ist wahrscheinlich die Band ... oh Gott! Und außerdem haben sie ein entsetzliches Label. Wer hat denn schon mal was von Double Shot Records gehört? Welche Art von Promotion und Publicity haben sie denn? Keine! Wie viele Platten veröffentlichen sie pro Jahr? Wer zum Teufel weiß das? Ihr letztes halbwegs erträgliches Konzert war mit Brenton Wood, und das ist vier Jahre her. Dieses Album, das garantiere ich dir, wird sich nicht verkaufen. Sieh dir nur mal das Cover an, eine rostige Schubkarre, das Wrack eines alten Fords ohne Reifen und Motor mit einer Pappel im Hintergrund. Die Sonne ist schon fast untergegangen und es ist so dunkel, dass man praktisch nichts mehr erkennen kann. Also steht der Titel ganz oben in ochsenblutroten Buchstaben. Ochsenblut! Und jetzt kommst du an und sagst, wir sollen eine Kritik dieses Albums im Rolling Stone veröffentlichen, weil es das einzige seiner Art ist, und wenn die Leute es jetzt nicht kaufen, bekommen sie es vielleicht nie wieder. Und dann reichst du eine Kritik ein und vergleichst es mit Louis Armstrong, Elmore James, Blind Willie Johnson, Albert Ayler, Beefheart und den Stooges! Und alles nur, damit die Leute es kaufen, obwohl es nicht den geringsten Grund dafür gibt, warum irgendein musikinteressierter Mensch das tun sollte. Warum schickst du die Kritik nicht an Creem und machst es zum Album des Jahres? Oh mein Gott, und ich hatte mal Respekt vor euch Typen. Mittlerweile glaube ich, ihr habt alle den Verstand verloren oder findet Rock’n’Roll jetzt Scheiße. Es kommt noch soweit, dass Creem kein Album mehr bespricht, das nicht entweder Free Jazz oder so abgefuckter, mediokrer, lärmlastiger Metal ist, dass man genauso gut seine Ohren an einen Müllhäcksler oder eine Motorsäge halten kann. Glaub’s mir, die Öffentlichkeit kauft das nicht. Überhaupt kein