Название | Psychotische Reaktionen und heiße Luft |
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Автор произведения | Lester Bangs |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862870028 |
»Tja, das ist ja alles hochinteressant, du erzählst uns hier vier Stunden lang was über die meteoritengleiche Karriere der Abgase ...«
»Nein, Count Five, Carburetor Dung, also Abgase, hieß das ...«
»JA KLAR, ABER WANN ZUR HÖLLE ERZÄHLST DU UNS WAS ÜBER DIE YARDBIRDS?!«
»Oh, hmmm ja, ... die Geschichte behalte ich gerne für ein anderes Mal in Reserve. Davon abgesehen, wenn man das Ganze grundlegend betrachtet, waren Count Five langfristig gesehen vermutlich genauso wichtig wie die Yardbirds. Es ist eben einfach so, dass manche Leute schon zu ihrer Zeit verstanden werden und andere nicht.«
Creem, Juni 1971
Astral Weeks
Van Morrisons Astral Weeks wurde fast auf den Tag genau zehn Jahre bevor ich diesen Text schrieb, veröffentlicht. Für mich hatte es eine besondere Bedeutung, denn der Herbst 1968 war eine schreckliche Zeit. Ich war ein physisches und psychisches Wrack, meine Nerven total zerrüttet, Geister und Spinnen rückten bedrohlich näher und nisteten sich in meinem Verstand ein. Meine sozialen Kontakte waren praktisch nicht mehr existent, die Gegenwart anderer machte mich nervös und paranoid. Ich versank endlose Tage und Nächte in meinem Lehnstuhl im Schlafzimmer, damit beschäftigt, Zeitschriften zu lesen, fernzusehen, Platten zu hören und ins Leere zu starren. Ich hatte keine Ahnung, wie ich meine Situation ändern sollte und hätte vermutlich auch nichts unternommen, wenn ich es gewusst hätte.
Astral Weeks ist das Thema dieses Artikels, die Rockplatte mit der größten Bedeutung in meinem bisherigen Leben, völlig unabhängig davon, wie ich mich fühlte, als sie rauskam. Aber in dem Zustand, in dem ich mich damals befand, hatte sie den Stellenwert eines Leuchtfeuers, ein Licht auf der weit entfernten Küste jenseits des trüben Wassers und darüber hinaus, ein Beweis, dass es noch etwas anderes außer Nihilismus und Destruktivismus gab, dem man künstlerisch Ausdruck verleihen konnte. (Meine andere große Platte in dieser Zeit war White Light / White Heat). Es klang, als leide der Mann, der Astral Weeks gemacht hatte, fürchterliche Schmerzen, Schmerzen, die in den meisten von Van Morrisons vorangegangenen Werken nur angedeutet waren, aber wie bei den späteren Alben von Velvet Underground gab es ein rettendes Element in dieser Schwärze, ein ultimatives Mitgefühl für die Leiden anderer und einen Pfad reiner Schönheit und mystischer Ehrfurcht, der mitten durch das Herz dieses Werks schnitt.
Ich weiß nicht genau, wie wichtig es ist, dass viele Leute unterschiedliche Versionen von meiner ersten Begegnung mit Astral Weeks erzählen. Ich glaube nicht, dass das Album Menschen, die dunkle Zeiten durchleben, anzieht. Es kam zu einer Zeit heraus, in der eine Menge Dinge, an der eine Menge Leute leidenschaftlich hingen, auseinander zu brechen begannen, als die selbstzerstörerische unterirdische Strömung, die immer ein Begleiter der großen Sechziger Party war, eine Menge Fußknöchel fest im Griff hatte und nach unten zog. Obwohl es letztlich zeitlos ist, war Astral Weeks vielleicht doch das Produkt einer Ära. Es ist besser, das zu glauben, als sich zu fragen, von welchen mit Staubweben behafteten, irischen Gespenstern Van Morrison abstammen könnte.
Drei Fernsehsendungen: 1970 eine Übertragung von NET, unglaubliche Starbesetzung im Fillmore East. The Byrds, Sha Na Na und Elvin Bishop haben ihr Ding gemacht. Jetzt sehen wir drei von vier Songs aus Van Morrisons Set. Wie damals für ihn üblich bildet »Cypress Avenue« von Astral Weeks den Höhepunkt. Nachdem er alle Strophen durch hat, treibt er den Song, die Band und sich selbst zu einem Fanal, das seitdem zu einem seiner Markenzeichen und einem zeitlosen klassischen Rock’n’ Roll Setende geworden ist. Mit einer unbeschreiblichen Dynamik, die ihm erlaubt, von vollendet hingeworfener exzentrischer Phrasierung im nächsten Atemzug zu purer Leidenschaft zu springen, lässt er die Musik von Crescendo zu Crescendo anschwellen, beendet den Song und beginnt ihn neu, beendet und beginnt, wieder und wieder, erzwingt lange manische Pausen wie riesige Fragezeichen zwischen Ende und Neubeginn und beherrscht den Raum durch reine Spannung, die sich zu einem Schrei aufbaut – »Es ist zu spät, um jetzt aufzuhören« –, und genau wenn man glaubt, jetzt gerät alles aus den Fugen, macht er eiskalt einen Schnitt, hinterlässt die Leere einer krepierten Explosion, schmeißt das Mikrofon hin und verlässt die Bühne. Das gehört wirklich zu den perversesten Dingen, die ich einen Künstler in meinem ganzen Leben habe tun sehen. Und natürlich ist es sensationell, unsere Eingeweide haben sich verknotet, wir sind halb verrückt und flehen nach mehr, aber wir wissen verdammt nochmal gut, wir haben bereits etwas gesehen und gehört.
1974, die nächtliche Übertragung eines Rockkonzerts im Fernsehen: Van und seine Band kommen auf die Bühne, schlagen ein paar strahlende Akkorde an, und ungefähr zehn Minuten lang hängt er an den Worten »Way over yonder in the clear blue sky / Where flamingos fly.« Kein anderer Text. Ich glaube, auch keine Instrumentalsolos. Nur diese Worte, langsam, wieder und wieder, aufgeblasen, permutierend, zerpflückt, im Raum schwebend und dann in alle Winde zerstreut, wie ein Mantra gemurmelt, bis sie zu Silben ohne Sinn werden, dann wieder zurück zu demselben aufsteigenden Bild, während die Zeit völlig still zu stehen scheint. Er steht da, mit geschlossenen Augen, singt entrückt, während die Band zitternd über offen gestimmten, riesigen, tiefen, blauen Strömen eigener Art schwebt.
1977, Frühsommer, gleiche Art von Show: er singt »Cold Wind in August«, ein Song aus seinem kurz zuvor veröffentlichten Album A Period of Transition, das auch eine maßgeblich veränderte Version des Flamingosongs enthält. »Cold Wind in August« ist eine Ballade, die Van fein und standardmäßig interpretiert. Das einzige Problem ist, dass er die ganze Zeit, während er singt, in gerader Linie auf der Bühne hin- und herläuft, seine Augen fest geschlossen, sein kleiner hydrantenförmiger Körper drängt stromaufwärts gegen etwas an, das eine höllische Nervosität sein muss, die sich vielleicht auch auf den Kameramann überträgt.
Worum es hier geht, ist ein kompletter Satz verbaler Ticks, obwohl einige auch physischer Art und Grund genug sind, sich die Mühe zu machen, seinen Stil zu definieren. Sie sind überall auf Astral Weeks zu finden: vier gehetzte Wiederholungen der Sätze »you breathe in, you breathe out« und »you turn around« in »Beside You«; in »Cyprus Avenue« zwölf mal »way on up«, »baby«, dreizehn mal hintereinander gesungen, was klingt wie jemand, der ekstatisch den Hügel zu seiner Geliebten hinunter rennt, und die herzzerreißende Art, wie er »one by one« in der dritten Strophe dehnt; und am meisten bei »Madame George«, wo er die Worte »dry« und dann »your eye« zwanzig mal in einem sich spiralförmig drehenden melodischen Bogen singt, der so wunderschön ist, dass er einem den Atem raubt, und dann folgt: »And the love that loves the love that loves the love that loves the love that loves the love that loves.«
Van Morrison ist besessen davon, wie viel musikalische oder verbale Information er auf kleinem Raum komprimieren kann, und dann wieder im Gegensatz dazu, wie weit er eine Note, ein Wort, einen Klang oder ein Bild dehnen kann. Einen Augenblick einzufangen, sei es Zärtlichkeit oder schmerzlicher Stich. Er wiederholt gewisse Phrasen bis ins Extrem, die bei jedem anderen lächerlich wirken würden, weil er darauf wartet, dass sich eine Vision entfaltet, er versucht so unaufdringlich wie möglich, sie anzuschieben. Manchmal vermittelt er sie durch Stille, in dem er den Song mittendrin abwürgt: »It’s too late to stop now!« Er ist auf der großen Suche, angetrieben von dem Glauben, dass durch diese musikalischen und mentalen Prozesse die Erleuchtung erlangt werden kann. Oder zumindest