Название | Für immer mein |
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Автор произведения | Joe Schlosser |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862871049 |
Auch sie schien die Richtige zu sein. Es fügte sich zusammen. Es war von einer höheren Macht so gewollt. Das Schicksal war endlich mal auf seiner Seite. Er versuchte sich ein Bild von ihr zu machen. Vor seinem inneren Auge entstand sie: mittelgroß, übergewichtig. Die Haarfarbe war egal, die ließ sich ändern. Ein Lächeln in ihrem fülligen Gesicht. Er musste unwillkürlich an Berta denken. Kurz flammte eine starke, unberechenbare Wut in ihm auf. Im Gehen ballte er die Fäuste, und er hätte sofort unkontrolliert zuschlagen können. Alles in ihm stand plötzlich und unvermittelt unter Druck. In seinem Kopf rauschte es, und sein Blick verfinsterte sich. Seine Gedanken entglitten ihm, und sein wildes, ungestümes Inneres nahm ihn gänzlich in Besitz und führte ihn in eine fast vollkommene Abwesenheit zur Außenwelt.
Ein Quietschen kam von weit her immer lauter werdend auf ihn zu und holte ihn in die Realität zurück. Er stand regungslos und völlig überrascht auf der Nordstraße. Ein Auto hatte nur durch eine Vollbremsung verhindern können, ihn zu überfahren. Erst jetzt begriff er die Situation. Er war völlig gedankenverloren auf die Fahrbahn der dicht befahrenen Hafenrandstraße gegangen. Total durcheinander und nun erschreckt nickte er mehrmals entschuldigend in Richtung des Fahrers, hob beschwörend die Hände und lief auf den Gehweg. Er musste sich konzentrieren. Er durfte jetzt nicht die Kontrolle verlieren. Alles konnte schiefgehen, wenn er sich jetzt nicht zusammenriss. Er brauchte dringend Entlastung. Entspannung.
Obwohl er es eigentlich nicht mehr machen wollte, ging er wie von einer fremden Macht geleitet in ein in der Nähe gelegenes Pornokino. Niemand sah, wie er durch den dunklen Samtvorhang in den Vorraum des Sexshops trat. Gelangweilt saß ein älterer Herr hinter einem Verkaufstresen und begrüßte ihn, ohne sich eine Regung im Gesicht anmerken zu lassen. Benjamin bezahlte den Eintritt und betrat den kleinen Kinosaal. Seine Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit. Das Kino war kaum besucht. Er machte vier oder fünf Männer aus, die auf die Leinwand starrten. Er bemerkte, wie jemand neben ihm diskret seinen Mantel über die Beine schlug. Er suchte sich einen Platz in einer freien Reihe und verfolgte eine Zeitlang das Geschehen auf der Leinwand. Irgendeine blonde Frau mit großen Busen wurde überaus stur und mechanisch von zwei Männern gevögelt. Er bereute schon seinen Entschluss, überhaupt hier zu sein, als einer der anderen Männer aufstand und sich neben ihn setzte. Diese plötzliche Nähe konnte er eigentlich nicht ertragen. Trotzdem war sie ein Teil der Gründe, warum er hier war. Verstohlen blickte er aus dem Augenwinkel seinen Nachbarn an und sah, wie dieser sein erigiertes Glied aus der Hose geholt hatte und jetzt daran rieb. Seine Seele erstarrte und schien ihre Lebendigkeit einzufrieren, und sein Körper tat es ihr gleich. Er traute sich kaum zu atmen und war unfähig sich zu bewegen. Er glaubte, dass jede Bewegung von ihm den anderen ermutigen könnte, irgendetwas zu tun. Etwas mit ihm zu tun. Stumm und mit Angst vor dem, was kommen könnte, blickte er nach vorn. Die Bilder auf der Leinwand kamen schon nicht mehr bei ihm an. Er war der Situation auf eine unbeschreibliche Art und Weise ausgeliefert.
Nun spürte er eine Hand auf seinem Bein. Durch den Stoff der Hose fühlte er, wie sie langsam nach oben strich und seinen Schritt erreichte. Die Hand drückte seine Hoden. Wie von fern hörte er das leise Ratschen, als sein Hosenstall geöffnet wurde und war sich sicher, nichts damit zu tun zu haben. Die Hand glitt gleich darauf hinein und verschaffte sich Zugang in seine Unterhose. In seinem Inneren war er völlig aufgewühlt, aber er verwandte seine ganze Kraft darauf, sich nichts anmerken zu lassen. Es gelang ihm, sich von dem, was nun geschah, abzutrennen. Das war nicht mehr sein Körper. Das war nicht mehr er. Es war, als wenn er sich selbst mit seinem Paar Augen aus einigem Abstand beobachten würde. Wie einen Fremden. Er spürte Angst in sich, die seine Erstarrung vollendete.
Teilnahmslos ließ er alles über sich ergehen. Er war nicht in der Lage, den anderen abzuwehren. Grenzen zu setzen. Er wusste nicht, wie er sich anders verhalten sollte. Er sagte sich im Stillen immer wieder, dass er nichts damit zu tun habe. Das war nicht er.
Sein Penis erigierte nicht, aber dennoch schied er mehrmals in kurzen Abständen Sperma aus. Die Hand zog sich zurück.
Benjamin schämte sich nun. Er hatte keinen Steifen gekriegt. Er fühlte sich nicht als ganzer Mann. Eine Blamage. Nur weg hier, nur weg. Resolut zog er den Reißverschluss seiner Hose zu und sprang auf. Er drängte sich hastig an dem Mann neben ihm vorbei und meinte noch zu sehen, wie dieser ihn mit einem mitleidigen Blick bedachte. Oder war es Verachtung? Verwunderlich wäre das nicht gewesen.
Draußen auf der Straße kam er wieder zu sich. Natürlich wusste er, was gerade geschehen war. Aber so wie immer tat er es ab, als wenn es nicht passiert wäre. Er bereute sein Handeln, hasste sich dafür. Er wusste aus vorherigen Erfahrungen, dass er dort versagen würde. Dass er nicht stolz seinen steifen Schwanz vorführen konnte. Dass ihn nicht alle beneiden würden. Dass ihn niemand höflich gefragt hatte, ob er dieses tolle Teil einmal anfassen dürfte.
Er war wütend auf sich. Und er machte sich schwere Vorwürfe. Natürlich war er es gewesen, der das Kino aufgesucht hatte. Und sicher hatte er den anderen Mann provoziert und durch irgendetwas angemacht. Er hatte ja selber Schuld, immer wieder diese Schmach zu erfahren.
Das war das letzte Mal, entschied er selbstbewusst und hoffte zugleich, dass er diesen Entschluss auch wirklich durchhalten könne. Er verabscheute seine Schwäche. Das musste doch anders werden. Das war nicht er. Er konnte sich so nicht akzeptieren. Er hasste sich dafür.
Eiligen Schrittes ging er zu seinem Auto. Jetzt schnell hier weg. Die Stätte der Peinlichkeit verlassen. Er musste nach Hause. Aus diesen Niederungen musste er jetzt verschwinden. Großes stand bevor. Vor ihm lag die Möglichkeit, seiner Erbärmlichkeit ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.
Mechthild und Ayse entschlossen sich, noch ein paar dunkle Biere im Irish Pub zu sich zu nehmen. Der schöne Film hatte sie entspannt, und plötzlich waren sie in Partylaune. Und die laute Atmosphäre des Hegarty’s war jetzt genau das Richtige für sie. Der Laden war voll wie eh und je. Neben der großen Theke auf der kleinen Bühne setzte ein Gitarrist gerade zu Country Rose an, und der ganze Saal mit seiner angetrunkenen Meute brüllte bierselig den Refrain mit. Eine echte Saufatmosphäre, dachte Mechthild, aber heute gefiel sie ihr. Ayse hatte zwei große, dunkle Biere bestellt. Sie prosteten sich zu und schmeckten den wohltuenden bitteren Schaum des kühlen Bieres.
In der Ecke hinter einem Stützpfeiler entdeckte Mechthild Hanni, eigentlich Hans-Heinrich, einen kleinen Ganoven aus dem Zuhältermilieu vergangener Zeiten. Er hatte in einem Keller im Viertel eine Puffbar betrieben, konnte sich aber nicht lange über Wasser halten. Als die Bars vertrieben wurden, steuerte auch er um und machte aus ihr eine Livemusik-Kneipe. Aber der Erfolg blieb erwartungsgemäß aus. Als er eines Tages betrunken die Freundin eines alteingesessenen Viertelbewohners in einer Kneipe übel beleidigte, bekam er von diesem in Begleitung eines Freundes Besuch in seinem Laden und eine Abreibung. Voller Vergnügen warf einer der beiden Kumpel zum Abschluss der Aktion einen Barhocker in den hinter der Theke befindlichen großen Spiegel. Wie bei einer Saloon-Rauferei in einem traditionellen Western. Hanni lag niedergeschlagen hinter seiner Theke, und die anwesenden Gäste wurden eindringlich daran erinnert, besser nichts gesehen zu haben. Schließlich waren die unerwünschten Besucher nicht gerade unbekannt. Danach erzählte Hanni überall, dass er schon Särge für die beiden bestellt hatte. Aber passiert war bis heute nichts. Um seinem wirtschaftlichen und persönlichen Desaster endlich ein Ende zu bereiten, stieg Hanni dann in den Drogenhandel ein und wurde prompt an der französischen Grenze mit einem Kofferraum voll Drogen festgenommen. Während seiner sicher nicht angenehmen Haft in einem südfranzösischen Gefängnis versteifte er sich darauf, dass die beiden Racheengel von damals ihn beim Zoll verpfiffen hatten. In Wahrheit war er aber nur zu faul gewesen, das Kofferraumschloss seiner goldenen S-Klasse reparieren zu lassen. Als er an der Grenze stand, sprang der Deckel auf, und die Zöllner nahmen ihn fest. Nun war er also wieder da. Die Haft hatte ihm erkennbar zugesetzt. Er sah blass, alt und müde aus.
Mechthild kümmerte sich nicht weiter um ihn und bestellte die nächste Runde. Der alkoholisierte Zustand der zwei Frauen ließ keine ernsthaften Gespräche zu, und so vergnügten sie sich mit Bemerkungen über die anwesenden Vertreter des