Название | Für immer mein |
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Автор произведения | Joe Schlosser |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783862871049 |
Jedenfalls gab es in diesem Zusammenhang keine Alternativen. Ein paar Male hatte er versucht, Berta zu etwas zu überreden, aber nichts fruchtete. Es waren die einzigen Anlässe, wo er sah, wie Berta zunehmend wütender werden konnte. Und das konnte er nicht riskieren. Es sich mit Berta zu verderben. So war das eben.
Das Licht ging im Cinema wieder an, und Mechthild Kayser war noch immer beeindruckt von der Geschichte des kleinen Mädchens, dem es gelang, seinen gehörlosen Eltern sein Klarinettenspiel näherzubringen. Starke Bilder waren es gewesen. Erst jetzt nahm sie Ayse Günhar neben sich wieder wahr und bekam ein schlechtes Gewissen. Aber Ayse schien es nicht anders ergangen zu sein. Sie schauten sich an, und Ayse sagte: „Wow!“ Dann lachten beide, und Mechthild war froh, dass ihre Freundin nicht bemerkt hatte, dass sie sie während des ganzen Films ignoriert hatte.
Carola hatte recht behalten, als sie sie im Café in ihrem Entschluss stärkte, diesen Film unbedingt anzusehen. Er hatte nicht nur eine schöne Geschichte zu erzählen, sondern war auch beeindruckend inszeniert worden. Beiden gefiel, dass trotz der dargestellten Schwierigkeiten so viel Liebe zwischen den Menschen zum Ausdruck kam. Ayse und Mechthild stiegen die Treppe zum kleinen Café des Kinos hinauf und suchten sich einen Platz am Fenster. Leuchtreklamen und Laternen erhellten den Ostertorsteinweg. Viele Menschen waren auf der Straße unterwegs. Es war wieder kalt geworden. Auch im Café. Sie zogen sich ihre Mäntel wieder über und bestellten sich beide heißen Tee.
„Schön, dass du dich meldest. Ich heiße Elena!“ hörte er eine Frauenstimme sagen. Unverkennbar war ein osteuropäischer Akzent wahrzunehmen. „Ich bin etwas über vierzig Jahre alt und habe eine runde, weibliche Figur. Wenn du mich anrufst, dann können wir uns vielleicht treffen. Ich freue mich auf dich!“
Dann nannte die Stimme noch eine Telephonnummer, die er hastig auf einem Zettel mitschrieb. So war das am besten. Die Frau, die diese Kontaktanzeige in einem der vielen Blätter über eine Flirtline aufgegeben hatte, schien das Prinzip nicht ganz verstanden zu haben. Normalerweise musste der Anrufer eine Nachricht hinterlassen und etwas über sich sagen. Mit der dann zurückgelassenen Nachricht konnte die Anzeigenaufgeberin entscheiden, ob sie zurückrief oder ihr die Stimme des Anrufers schon so unsympathisch war, dass er für sie nicht infrage kam.
Sie hatte schon den ersten Fehler gemacht, und er würde eine Spur weniger hinterlassen. Nervosität breitete sich in ihm aus, und seine Knie wurden weich. Er war aufgeregt. Am besten gleich anrufen, dachte er sich. Dann hätte er es hinter sich. Er wählte zitternd die Nummer. Er hielt sich in der Telephonzelle noch einmal den DIN-A4-Bogen mit seinem Fragenkatalog vor Augen, und während er dem Tuten im Hörer seine Aufmerksamkeit widmete, verinnerlichte er erneut seine Gesprächstaktik, die er sich zurechtgelegt hatte.
Alles war darauf ausgelegt zu erfahren, ob sie alleine sei, Kinder habe, Freunde in der Stadt oder eine regelmäßige Arbeit. Sie fühlte sich einsam; das war klar. Er hatte sich freundliche, stimmungsschaffende Formulierungen zurechtgelegt, und sein Ziel war, wenn sie die für ihn erforderlichen Kriterien erfüllte, sich unbedingt mit ihr zu treffen.
„Ja, bitte?“ erreichte ihn die nun schon vertraute Stimme Elenas aus dem rosa Hörer.
Er holte hörbar tief Luft. „Hier ist Benjamin. Ich habe deine Anzeige gelesen, und als ich deine Stimme hörte, wusste ich sofort, dass ich dich anrufen muss. Ich mache das zum ersten Mal und bin ehrlich gesagt sehr aufgeregt.“
Diese Einleitung des Gesprächs hatte er sich ausgedacht, da er glaubte, damit bei den Frauen einen mütterlichen Instinkt auszulösen. Sie würden versuchen, ihn zu beruhigen und ihm die Angst zu nehmen. Und so geschah es auch. Elena ermutigte ihn gleich, von sich zu erzählen, und somit war die Verantwortung für das Gespräch emotional auf ihrer Seite.
Er erwähnte, dass er Mitte dreißig sei und wusste, dass sie es lieben würde, einen jüngeren Mann zu treffen. Beiläufig wies er darauf hin, dass er Ingenieur und Berater bei einem Landmaschinenhandel sei. Ebenfalls nicht unerwähnt ließ er, obwohl er so tat, als wenn es ihm peinlich wäre, dass er kürzlich eine ansehnliche Erbschaft gemacht und sich einen alten Bauernhof davon angeschafft hatte, den es jetzt zu einem gemütlichen Zuhause herzurichten galt.
Er wollte sie zum einen neugierig machen, zum anderen sollte sie auch schon die Möglichkeit spüren, mit ihm gemeinsam eine Aufgabe meistern zu können. Geschickt flocht er das ein, was er wirklich wissen wollte. Sie war eine sogenannte Wolgadeutsche, erst seit kurzem in der Stadt und wollte hier in Deutschland Fuß fassen. Sie lebte allein, war kinderlos und hatte hier keine Verwandtschaft. Es existierte eine befreundete Familie in Stuttgart, mit der sie allerdings noch keinen Kontakt herstellen konnte. Er bot ihr an, ihr dabei zu helfen. Vielleicht könnte man ja gemeinsam dort hinfahren.
Er vergaß auch nicht, darauf hinzuweisen, dass er sich lange damit auseinandergesetzt hatte, ob er Kinder haben wollte. Wohlwissend, dass sie mit über vierzig wahrscheinlich keine Kinder mehr bekommen konnte, dass sie dies eventuell als hinderlich für eine neue Partnerschaft ansah, verdeutlichte er ihr seinen Entschluss, kinderlos zu bleiben und erklärte ihr, dass er sicher sei, auch nur mit einer Partnerin an seiner Seite ein glückliches Leben führen zu können.
Elena war neugierig geworden. Sie wollte nicht nur ihn sehen, sondern auch sein neues Heim, das noch nach eigenen Wünschen gestaltet werden konnte. Sie war glücklich, einen jüngeren Mann kennenlernen zu können, der nicht nur so ähnlich dachte wie sie, sondern zudem noch finanziell gut gestellt war.
Sie stand in ihrem kleinen, teilmöblierten Appartement am Rembertiring, das so wenig aussagekräftig war und noch keine persönliche Note von ihr trug. Sie schämte sich für ihr kümmerliches Dasein und entschloss sich, das Treffen an einem anderen Ort stattfinden zu lassen. Sie druckste ein wenig herum, weshalb sie nicht wollte, dass er gleich erfuhr, wo sie wohnen würde, und wünschte, sich mit ihm an einem neutralen Ort zu treffen. Schließlich sei er ja trotz allem ein Fremder für sie. Und so weiter. Sie erklärte umständlich ihre Bedenken, warum es ihr lieber war, sich in der Öffentlichkeit zu treffen.
Benjamin lächelte. Er ahnte, warum sie log, und es war ihm recht so. Jemand, der nichts vorzuweisen hatte, suchte verzweifelt nach einer Chance, seiner Situation zu entrinnen. Er würde leichtes Spiel mit ihr haben. In ihre Wohnung wollte sie ihn nicht lassen, aber hatte keine Bedenken, mit ihm auf seinen fremden Bauernhof zu fahren. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, die Kontrolle zu verlieren. Mit einer Verständnis heuchelnden, verbalen Geste überließ er ihr die Bestimmung des Treffpunktes. An ihrer nun folgenden Unentschlossenheit und an ihrem Zögern erkannte er, dass sie sich in der Stadt noch gar nicht auskannte.
Elena blickte unruhig aus ihrem Fenster im sechsten Stock hinaus auf die Straße. Sie entschied sich für den Parkstreifen vor einer Diskothek, der dem Hochhaus gegenüberlag. Elf Uhr. Benjamin war einverstanden. Er würde mit einem grünen VW-Transporter kommen, da er vorher noch Baumaterialien holen müsse, ließ er sie wissen. Sie würde ihn also leicht erkennen.
Dann war das Gespräch zu Ende.
Elena freute sich auf einen ereignisreichen Tag, der alles entscheiden konnte. In ihrer Phantasie entstand schon ihr neues Leben. Wenn alles gut laufen würde, hätte sie es geschafft. Deutschland war das Wunder für sie.
Hoffentlich sah er gut aus. Seine schöne Stimme hatte ihr Vertrauen eingeflößt. Ein eigenes Haus, Geld genug für die schönen Dinge des Lebens. Alle würden sie beneiden. Nervös stand sie vor ihrem kleinen Kleiderschrank. Was sollte sie morgen anziehen? Sie wollte nichts falsch machen. Alles wollte sie unbedingt richtig machen. Schon jetzt erschöpft und überfordert, ließ sie sich erst einmal auf das Bett sinken und hing weiter ihren Träumen nach. Morgen war der große Tag.
Benjamin verließ die Telephonzelle am Europahafen. Er musste sich sputen, um alles für den morgigen Sonntagsausflug vorzubereiten. Er hatte schon Übung. Sie war nicht die Erste. Hoffentlich entsprach sie seinen Vorstellungen. Und wenn nicht? Auch nicht so schlimm. Dann würde er einfach an ihr vorbeifahren, und das wäre es dann gewesen. Es musste schon genau passen.
So