Wundersame Haustiere und wie man sie überlebt. Stefan Cernohuby

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Название Wundersame Haustiere und wie man sie überlebt
Автор произведения Stefan Cernohuby
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948695255



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Ausgleich und festen Bestandteil ihres Lebens. Seitdem besuchte sie Schreibseminare, um ihr Handwerk zu verfeinern. Auch als Testleserin hat sie schon mehrere Projekte begleitet. Außerdem liebt sie es, zu reisen und neue Orte zu erkunden, weshalb sie immer wieder auch auf der einen oder anderen Con oder Buchmesse zu finden ist.

       Das Speichermedium

       von Kassandra Schwämmle und Stefan Cernohuby

      Das war es also, das große Wien. Hier sollte ich meinen Auftraggeber treffen.

      Ich saß in einem der zahlreichen Cafés und ließ meinen Blick über die Barockfassaden schweifen, die den kleinen Platz säumten. Ein Blick auf meine Taschenuhr verriet mir, dass es nicht mehr lange bis zur vereinbarten Zeit war, zu der man mich abholen wollte. Komische Geheimnistuerei, aber da der Preis stimmte, war das zweitrangig. Ich wusste, dass es darum gehen sollte, ein seltenes Buch zu besorgen. Als weit bekannter Archivar und Schriftgelehrter sah ich darin keine große Sache. Ich hatte meine Kontakte, Mittel und Wege, das zu bekommen, was ich wollte. Aber ich war schon sehr gespannt, um was für ein Buch es sich handeln würde. Ich nahm einen Schluck Melange und schloss genießerisch die Augen.

      Eine Stimme riss mich aus meinen Gedanken und ich schaute blinzelnd auf.

      „Dr. Archibald, Dr. Heinrich Wilhelm Archibald?”

      Ein junger Mann war an meinen Tisch getreten. Seine eisblauen Augen musterten mich abwartend.

      „Der bin ich”, antwortete ich.

      „Ich habe etwas für Sie.” Aus seinem edlen Sakko förderte der Fremde einen Umschlag zutage und reichte ihn mir. Dabei blitzte ein Ring mit einem ungewöhnlichen blauen Stein an seinem kleinen Finger auf.

      Ich öffnete den Umschlag und las die eine Zeile, die auf dem hochwertigen Büttenpapier geschrieben stand: Folgen Sie Herrn Huber und stellen Sie keine Fragen.

      „Ich nehme an, Sie sind Herr Huber?”

      Mein Gegenüber setzte ein unverbindliches Lächeln auf und bedeutete mir, ihm zu folgen. Rasch leerte ich den Kaffee und folgte ihm. Als wir den Ober passierten, drückte ich ihm das Geld für den Kaffee inklusive eines großzügigen Trinkgelds in die Hand und beeilte mich, meinem Begleiter zu folgen.

      Wir ließen das Café und den Platz hinter uns und bogen in eine kleine Gasse ein. Die Häuser standen enger beieinander, sodass ein sanftes Zwielicht herrschte. Schließlich näherten wir uns einem schmucklosen Gebäude, das durch seine Schlichtheit hervorstach. Noch bevor Herr Huber klopfen oder klingeln konnte, wurde die Tür schon geöffnet und wir traten ein.

      „Kommen Sie, Sie werden schon erwartet.” Herr Huber winkte mich weiter und so folgte ich ihm durch den von Kerzen erhellten Flur in einen Salon. Bücherregale säumten die Wände und der schwache Duft nach Papier und Pergament stieg mir in die Nase. Ein etwas rundlicher Mann erhob sich aus einem roten Samtsessel und trat mir entgegen.

      „Dr. Archibald! Welch eine Freude, Sie persönlich kennenzulernen.” Er ergriff meine Hand und schüttelte sie kräftig. Auch er trug einen Ring mit einem blauen Stein, wie ich erstaunt feststellte. „Ich habe ein mächtiges Werkzeug für Sie, das Ihnen bei Ihrem Auftrag wertvolle Dienste leisten würde.” Er deutete auf einen kleinen Käfig in einer dunkleren Ecke des Raumes.

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      Es war furchtbar langweilig in meinem Quartier. Dort war ich eingesperrt, seit meinem letzten kleinen Malheur mit einer Gutenberg-Bibel. Und auf Diät. Ja, ich hatte mir die heutige Tageszeitung schon zu Gemüte geführt und war zumindest auf dem letzten Stand, was die weltpolitische Situation, die aktuelle Wirtschaftslage und auch den Klatsch und Tratsch am kaiserlichen und königlichen Hof anging. Hatte ich schon erwähnt, dass mir langweilig war? Alle zerrissen sich immer noch das Maul, weil sich die Kaiserin etwas zu weit aus dem Fenster gelehnt hatte, was Ungarn anging das war mir doch egal! Ansonsten hatte ich noch Romeo und Julia auf dem Dorfe intus, aber das war irgendwie lächerlich. Wer schrieb schon in einem Buch „plätscher, plätscher”, wenn es regnete? Ich hätte einiges dafür gegeben, endlich ein Ende meines Hausarrests, der ganzen Misere zu erleben. Und doch war ich etwas überrascht, als mein Gefängniswärter plötzlich mit einem Begleiter in meine Zelle kam.

      „Ich habe ein mächtiges Werkzeug für Sie, das Ihnen bei Ihrem Auftrag wertvolle Dienste leisten würde.”

      Werkzeug? Aber hallo … der würde doch nicht …

      „Was für ein Werkzeug denn? Sie meinen doch nicht …”

      „Doch, genau das meine ich. Nehmen Sie den Käfig. Machen Sie sich vertraut und glauben Sie mir, wenn ich sage, es gibt keinen besseren Freund, den Sie auf dieser Reise haben könnten.”

      Man wollte mich einfach so weggeben. Irgendeinem dahergelaufenen Kerl und bezeichnete mich als Werkzeug. Das war doch die Höhe!

      „Sie wissen, dass ich Experte für verschollene Schriften bin. Ein respektabler, in Fachkreisen hochangesehener Archivar und Schriftgelehrter?”, kam es empört von dem menschlichen Neuankömmling.

      „Ja, natürlich.”

      „Und das hier ist ein verdammter Hamster!“

      Man könnte also sagen, unsere erste Begegnung stand nicht unbedingt unter dem besten Stern.

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      Mein Blick glitt über die kleinen Dörfer und Wäldchen, die unter mir vorbeizogen. Ich saß am Fenster eines der luxuriös ausgestatteten Luftschiffe der k. u. k. Staatsflotte. In wenigen Stunden würde ich Prag erreichen, das vorläufige Ziel meiner Reise. Und alles, was mir mein Auftraggeber mitgegeben hatte, um ein extrem seltenes Buch aus einer Privatsammlung zu besorgen, war ein Hamster. Ein Hamster? Was um alles in der Welt sollte ich denn nun mit einem Hamster anfangen? Auch wenn mein Auftraggeber mir versprochen hatte, das Tier sei etwas Besonderes und würde seinen Wert noch beweisen, war ich doch mehr als verwirrt. Mein Blick wanderte zu dem kleinen Käfig neben mir auf der gepolsterten Sitzbank. Das kleine, wenn auch putzige Nagetier hatte sich in einem Heuhaufen zusammengerollt und schien zu schlafen. Es trug kein Halsband mit so etwas wie einem Schlüssel oder einer Botschaft. Das goldbraune Fell wies keine Anomalitäten auf, es war dicht und glänzte seidig in den durch die Fenster einfallenden Sonnenstrahlen. Mein Auftraggeber hatte mir etwas Verpflegung für den Kleinen mitgegeben, doch auch daran hatte ich nichts Ungewöhnliches feststellen können. War er vielleicht als eine Art Suchhamster ausgebildet? Ich hatte davon gehört, dass man Hunde trainierte, aber noch nie von einem Hamster. Ich seufzte. Und wo war eigentlich meine Zeitung hin verschwunden? Ich hatte sie doch direkt neben den Käfig gelegt.

      Es raschelte. „Jetzt mach mal nicht so ein langes Gesicht.”

      Was war denn das gewesen? Ich blickte mich um, doch niemand befand sich in meiner Nähe. Die Passagierabteilung des Luftschiffes war nur spärlich besetzt und einer der in edle Uniformen gekleideten Bediensteten befand sich auch nicht in meiner Nähe.

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      Meine Güte. Der Kerl wirkte so verwirrt, als wäre er kein renommierter Archivar, sondern ein völlig weltfremder Bücherwurm. Ich hatte gerade die letzte Seite der Tageszeitung gehamstert, da rutschte mir der Kommentar einfach heraus. „Jetzt mach mal nicht so ein langes Gesicht.”

      War das Gesicht vorher schon lang gewesen, nahm es jetzt schon beinahe Pferdecharakter an.

      „Nein. Kalt. Eiskalt. Wärmer … nein, hier im Käfig!”

      Als der Büchermensch seinen Kopf senkte, stand sein Mund so weit offen, dass ich ohne Probleme hineingepasst hätte.

      „Ich sehe, du pflegst deine Zähne gut. Aber jetzt kannst du den Mund wieder schließen und wir können uns unterhalten. Gerne auch über tagesaktuelle Themen.”

      Der