Wundersame Haustiere und wie man sie überlebt. Stefan Cernohuby

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Название Wundersame Haustiere und wie man sie überlebt
Автор произведения Stefan Cernohuby
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948695255



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übertreibt. Es gibt keine Geldgeber, die einen Aufstand anstacheln. Das schaffen die Beamten des Kaisers schon ganz allein.”

      „Du hast die Zeitung gelesen?”

      „Nein, nicht direkt”, antwortete ich. „Aber ich habe sie mir zu Gemüte geführt. Sozusagen.”

      Da zuckte der Mann zurück, der auf den antiquierten Namen Dr. Archibald hörte.

      „Ich fantasiere. Oder träume. Oder habe zu viel getrunken. Ich rede hier mit einem Hamster!”

      „Unsinn. Zwei Fehler. Erstens rede ich mit dir. Und zweitens sollte dir längst klar sein, dass ich eine Hamsterdame bin, du ungehobelter Klotz. Mein Name ist Crice.”

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      Meine anfängliche Verwirrung wich einer eigentümlichen Faszination. Die Stunden flogen dahin, während wir uns austauschten. Der Hamster, pardon die Hamsterdame, so forsch und frech sie auch sein mochte, würde sich vielleicht doch noch als nützlich erweisen, vorausgesetzt es stimmte, was sie von sich gab. Sie erzählte mir, dass sie aus einer ungewöhnlichen Tierhandlung stammte. Den genauen Ort konnte sie mir nicht nennen, aber die Beschreibung der anderen Tiere erschien mir mehr als fantastisch. Wesen, die ich nur aus Geschichten und Legenden kannte, sollen dort untergebracht gewesen sein. Ich konnte mir nicht vorstellen, jemals einem brennenden Salamander zu begegnen, außer in Büchern natürlich. Doch die Kleine hatte mich zumindest ein wenig verblüffen können, so detailliert und glaubhaft schienen ihre Schilderungen. Allerdings stand der Test ihrer wirklichen Fähigkeiten, davon einmal abgesehen, dass sie sprechen konnte, noch aus.

      „Meine sehr geehrten Damen und Herren!”, dröhnte die Stimme des Kapitäns aus den Lautsprechern. „Wir sind nun in den Sinkflug übergegangen und werden in Kürze Prag erreichen. Die Sonne scheint und die Windverhältnisse sind ruhig, es ist also nicht mit Turbulenzen zu rechnen, trotzdem möchte ich Sie bitten, sich nun auf Ihre Plätze zu begeben. Ich hoffe, Sie hatten eine angenehme Reise mit der k.u.k. Prinz Eugen. Wir würden uns freuen, Sie bald wieder an Bord begrüßen zu dürfen! An dieser Stelle verabschiede ich mich von Ihnen und wünsche Ihnen einen schönen Aufenthalt in Prag.”

      Ich nahm den Käfig und stellte ihn auf meinen Schoß.

      „Ui, Prag! Ich war da noch nie!”, freute sich Crice.

      „Ich würde dir vorschlagen, während der Zeit bis zum Hotel zu schweigen. Wir wollen nicht zu sehr die Aufmerksamkeit anderer auf uns ziehen.”

      Sie warf mir noch einen etwas beleidigten Blick zu, wie es mir schien, und vergrub sich dann wieder in ihrem Heuhaufen. „Ich bin ohnehin müde“, murrte sie.

      Wenig später verließ ich den Luftschiffhafen und winkte mir eine Droschke herbei, die mich in meine Unterkunft bringen sollte. Die Fahrt führte uns durch die halbe Stadt, über eine der zahlreichen Brücken über die Moldau. Sogar einen Blick auf die Prager Burg konnte ich werfen. Den Hamsterkäfig hatte ich auf das kleine Tischchen gestellt, das an der Seitenwand der Droschke angeschraubt war. Crice sollte auch etwas von der Fahrt haben und sich die Stadt anschauen können, wo sie sich doch vorher so gefreut hatte. Tatsächlich kam die Hamsterdame rasch wieder aus dem Heuhaufen herausgekrabbelt. Sie legte ihre Pfötchen um die Gitterstäbe und spähte neugierig hinaus.

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      „Wir sollten noch einen Abstecher machen, bevor wir ins Hotel fahren”, meinte ich, als die Kutsche über das Kopfsteinpflaster der Karlsbrücke ratterte. Unter uns floss die Moldau dahin. Sehr malerisch, fand ich. Vermutlich würde irgendwann jemand über sie ein Lied schreiben.

      „Wohin denn?”, fragte Archibald.

      „In die Nationalbibliothek. Ich glaube, wir sollten uns mit dem richtigen Wissen eindecken.”

      „Klingt gut. Aber weißt du, wo die ist?”

      „Natürlich. Ich habe noch im Zeppelin einen Stadtplan von Prag gehamstert. Sie ist direkt auf dem Weg und unmittelbar nach dieser Brücke. Glaubst du, dein Ruf ist gut genug, dass man dich hereinlässt? Mit Hamster?”

      „Bücher über die Konstruktion und das Öffnen von Schlössern? Das ist, was wir deiner Meinung nach brauchen?”, fragte der Archivar reichlich verwirrt.

      „Ich gehe davon aus, dass der Sammler seine wertvollsten Objekte sicher verwahrt hat. Das würdest du nicht anders machen. Und du bist derjenige, der ihn besser bequatschen kann, während ich die eigentliche Arbeit machen werde. Zusätzlich hätte ich gerne ein Buch, das die seltensten und wertvollsten Bücher im Besitz von Prager Sammlern listet. Das könnte dir dann einen Vorteil und Gesprächsstoff verschaffen.“

      Nach einer Weile brachte mir Archibald die gewünschten Bücher und öffnete meinen Käfig. Dann sah er mich erwartungsvoll an.

      „Umdrehen”, sagte ich. „Ich kann das nicht, wenn mir jemand zusieht.”

      Archibald tat, wie ihm geheißen. Und ich gebe zu, das war mir sehr recht. Auch wenn meine Backen innen größer waren als außen, war die Hamsterei nicht sehr schön anzusehen. Das war eben der Preis für ein Dasein als tierisches Speichermedium.

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      Vorsichtig stellte ich den Hamsterkäfig auf den Mahagonitisch der Hotelsuite und setzte meine Tasche ab. Der Zimmerservice hatte auf meinen Wunsch auch schon eine kleine Erfrischung bereitgestellt.

      „Ich würde vorschlagen, wir überlegen uns nun, wie wir weiter vorgehen.” Ich breitete eine Karte der Stadt auf dem Tisch neben dem Käfig aus.

      „Würde es dir etwas ausmachen, mich rauszulassen?”, fragte die Hamsterdame, ihre Knopfaugen fest auf mich gerichtet. Ihre Backen waren zwar etwas größer als gewöhnlich, aber man würde nicht erwarten, dass sie drei ganze Bücher darin verstaut hatte.

      „Läufst du mir auch nicht davon?”

      „Jetzt denk mal nach, wenn ich dir nachher helfen soll, kannst du mich auch nicht die ganze Zeit im Käfig mitschleppen, oder was meinst du?” Es sah fast so aus, als ob sie ihre kleinen Pfötchen in die Seite stemmte.

      Ein Seufzer entwich meinen Lippen. „Na gut.” Ich öffnete die Käfigtür und die Hamsterdame kam mit einem gemurmelten Danke herausgewuselt. Sie schnappte sich eine der Gurkenscheiben auf dem kleinen Teller.

      „Hey, das ist mein Abendessen!”

      „Hab dich nicht so, ich hab auch Hunger. Und ich kann so besser denken.” Mit der Gurkenscheibe in den Vorderpfoten lief sie langsam über die Karte.

      Ich nahm mir eines der Canapés und ließ meinen Blick ebenfalls über die Karte gleiten.

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      „Also, wie du ja schon weißt, habe ich bereits eine Karte intus. Daher weiß ich, wo wir hinmüssen. Dort.”

      Ich hinterließ einen etwas feuchten Pfotenabdruck. Die Gurke war saftig gewesen.

      „Am besten wird sein, du trägst mich in deiner Westentasche hinein. Und ich werde mich dann an die Arbeit machen, wenn wir das Buch gefunden haben.”

      „Klingt gut”, erwiderte Archibald.

      Und dann stellte er die Gretchenfrage.

      „Wo wir eigentlich gerade dabei sind. Was springt denn für dich bei der ganzen Sache heraus?”

      „Was meinst du? Ich bin doch nur eine einfache, harmlose Hamsterdame mit einer Vorliebe für Bücher.”

      „Sicherlich. Du bist Gefangene oder Angestellte einer geheimen Organisation, begleitest einfach den erstbesten Archivar und reist nach Prag, wo du dich in Gefahr begibst, nur um eine Handschrift des Rabbi Löw in die Finger zu bekommen. Sehr, sehr glaubwürdig.”

      Verdammt. Der Mensch war schlauer,