Wundersame Haustiere und wie man sie überlebt. Stefan Cernohuby

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Название Wundersame Haustiere und wie man sie überlebt
Автор произведения Stefan Cernohuby
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783948695255



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würde ich nicht.”

      Ich seufzte. Als Hamster hatte ich das eine ganze Weile üben müssen, bevor es eindrucksvoll wirkte.

      „Na gut, ich gebe mich geschlagen. Zuerst möchte ich dir eine Frage stellen. Wie viele sprechende und bibliophile Hamsterdamen kennst du?”

      „Äh. Keine?”

      „Abgesehen von mir, selbstverständlich nicht. Gibt es auch nicht. Also, die Sache ist die: Ich bin nicht von hier.”

      Die Augen meines menschlichen Gegenübers weiteten sich ungläubig. „Was meinst du mit hier?”

      „Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich dir das begreiflich machen kann. Von diesem Planeten. Aus dieser Realität. Ich weiß es selbst nicht genau. Aber ich möchte dahin zurück, wo ich herkomme.”

      „Also so etwas wie ein anderer Planet? Wie, um alles in der Welt, bist du dann hierhergekommen? Ich meine auf die Erde, in diese Dimension … Realität?“ Archibald wedelte unbestimmt mit seinen Händen.

      Ich seufzte. „Das ist eine lange Geschichte, die ich dir bei Gelegenheit mal erzähle. Aber jetzt lass uns auf die Aufgabe vor uns schauen. Wir haben nicht viel Zeit.“ Etwas leiser fügte ich hinzu: „Und ein wenig Heimweh hab ich schon.“

      Der Archivar schien zu zögern, doch dann sah ich ihn nicken. „Na gut, wie willst du es erreichen, wieder nach Hause zu kommen?”

      „Ich hoffe, dass der Sammler ein Buch in seinem Besitz hat, das mir die Gelegenheit zur Rückkehr gibt. Möglich, dass ich dafür deine Unterstützung brauche. Und du brauchst Hilfe, das Manuskript von Löw zu besorgen. Helfen wir uns gegenseitig?”

      Ich streckte ihm meine kleine Hamsterpfote entgegen.

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      Nach einer erholsamen Nacht und einem ausgiebigen Frühstück in der Suite, damit die Hamsterdame mir Gesellschaft leisten konnte, brachen wir auf. Vor den mächtigen, goldverzierten Flügeltüren des Hotels stand ich und genoss die warmen Sonnenstrahlen auf meinem Gesicht, während ich auf die bestellte Droschke wartete. Ich spürte, wie sich die Hamsterdame in meiner Manteltasche bewegte und ebenfalls ihre Nase herausstreckte.

      „Pass auf, dass dich niemand sieht”, murmelte ich leise.

      „Jaha, ist ja schon gut”, kam es nur ein wenig beleidigt zurück.

      Hufgetrappel näherte sich und eine schwarze Droschke mit zwei Rappen hielt vor uns an. Der in eine rote Uniform gekleidete Kutscher tippte sich grüßend an seinen Hut. „Dr. Archibald?”

      „Der bin ich.” Ich nannte ihm eine Adresse und stieg ein. Wieder ging es ein Stück durch die Stadt, vorbei an der Moldau, bis wir unser Ziel erreichten. Crice, die aus meiner Tasche gekrabbelt war und die Aussicht genossen hatte, verschwand wieder. Ich bezahlte den Kutscher großzügig und er verschwand mit zum Gruß erhobener Hand. Mein Blick glitt über das stattliche Herrenhaus und den geschmackvoll angelegten Garten, ein hoher Zaun umgab das Gelände.

      „Na, dann wollen wir mal.”

      Das große eiserne Tor stand offen und so schritt ich den gepflasterten Weg bis zum Eingang hinauf. Mir war etwas mulmig zumute und ich zögerte kurz, ehe ich den großen Klopfer, ein Metallring im Maul eines Löwenkopfes, betätigte. Die Schläge schienen im Haus widerzuhallen. Nach kurzer Zeit, die mir jedoch viel länger vorkam, öffnete sich die Tür und ein älterer Mann im Frack spähte heraus. „Sie wünschen?”

      „Guten Tag, ich bin Dr. Heinrich Wilhelm Archibald, Archivar.” Ich setzte ein gewinnendes Lächeln auf und fuhr fort: „Ich hatte mit Herrn Andriç schon einmal vor einiger Zeit schriftlich korrespondiert und dachte mir, es wäre DIE Gelegenheit, nun da ich für einen Auftrag in Prag bin, ihm persönlich zu begegnen.”

      Der Bedienstete musterte mich von oben bis unten mit kritischem Blick. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Was, wenn er uns nicht vorlassen würde?

      Doch meine Befürchtungen waren unbegründet. Er trat zur Seite und bedeutete mir mit einer einladenden Geste einzutreten. Mit gesenktem Haupt sagte er: „Willkommen, Dr. Archibald. Ich werde Magister Andriç Ihren Besuch melden. Machen Sie es sich in der Zwischenzeit doch bequem.” Er deutete auf eine gemütliche Sitzecke in der großen Eingangshalle.

      Gemächlichen Schrittes ging ich hinüber und ließ meinen Blick durch die Eingangshalle gleiten. Eine große Treppe führte in die oberen Geschosse, vermutlich zu den Schlafgemächern und anderen privaten Räumen. Waren die Bibliothek und die kostbaren Bücher im Erdgeschoss?

      „Ah, Dr. Archibald, welch eine Freude, Sie persönlich kennenzulernen.” Ein untersetzter Mann kam die Treppe herunter, die Arme ausgebreitet. „Was führt Sie in mein bescheidenes Heim?”

      „Wie ich Ihrem Diener bereits berichtet habe, bin ich aus geschäftlichen Gründen in Prag und wollte die Gelegenheit für eine persönliche Zusammenkunft nutzen.”

      Magister Thomas Andriç ergriff meine dargebotene Hand und schüttelte sie kräftig. „Oh, welch gute Idee, mein Bester!” Er legte einen Arm um meine Schulter und führte mich aus dem Empfangssaal.

      „Kommen Sie! Mit einem Mann des Buches lässt es sich am besten in meinem Salon plaudern. Pawel, bringen Sie uns bitte ein paar Häppchen und eine Flasche des besten Rotweins!” Der Diener senkte den Kopf und verschwand.

      „Ich habe Ihre Nachforschungen zu Ihrem letzten Projekt mit großem Interesse verfolgt und auch Ihre Arbeit dazu mit Begeisterung gelesen.”

      Wir hatten die Bibliothek erreicht, die wir auf dem Weg zu unserem Ziel durchquerten.

      „Faszinierend, ich hörte schon viel von Ihrer Sammlung”, brachte ich nur heraus. Alle Seiten des Raumes waren mit bis zur Decke reichenden Bücherregalen gefüllt. Einige Bücher und gar ein paar Schriftrollen und Tontafeln waren in speziellen Vitrinen untergebracht.

      Ein breites Grinsen erschien auf Andriçs Gesicht. „Nur zu, Doktor, sehen Sie sich gern um.” Nur am Rande bemerkte ich, wie Pawel kurz den Raum betrat und ein Tablett in den angrenzenden Raum trug. Ich ging die Regale entlang und begutachtete hier und da einen der Folianten, mein Finger strich über die Buchrücken. „Sie haben eine wirklich außergewöhnliche Auswahl.”

      „In der Tat, es hat lange gedauert, diese zusammenzutragen.”

      „Fürwahr! Mein lieber Magister Andriç, Sie waren mir bei meinem letzten Projekt auch eine große Hilfe gewesen mit dem Material, das Sie mir zugesandt hatten. Vielen Dank nochmals dafür.”

      Ich wandte mich einer der Vitrinen zu und beugte mich ein wenig herab, um das Buch darin zu betrachten. Ich merkte in meiner Tasche, wie sich die Hamsterdame bewegte. War das das gesuchte Buch?

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      Auch ich hätte mich gerne an den Erfrischungen gütlich getan, aber die Anwesenden hätten vermutlich nicht allzu angetan reagiert, wenn eine Hamsterdame sich am kalten Buffet bedient hätte. Aber zum Glück ließ Archibald das eine oder andere Gemüsestück in seine Westentasche plumpsen. So hatte ich genügend Häppchen, um mir die Zeit zu vertreiben, während die beiden Herren durch die Bibliothek spazierten und dabei platte Plattitüden über die Sammlung von Magister Andriç austauschten. Erst als ein ganz bestimmtes Buch zur Sprache kam, wurde ich plötzlich hellhörig.

      „Ist das eine Handschrift von … Rabbi Löw?”, fragte Dr. Archibald. Meine Güte, das klang so gestelzt.

      „Tatsächlich”, erwiderte der Mann. „Man sieht, Sie verstehen Ihr Fach. Ja, das sind seine persönlichen Aufzeichnungen. Einzigartig in der Welt. Unbezahlbar und … unverkäuflich.”

      Er betonte das letzte Wort seltsam. Das nahm ich zum Anlass, mich äußerst dezent aus dem Staub zu machen. Vorsichtig krabbelte ich aus der Manteltasche. Als Archibald das bemerkte, drehte er sich zu einem der Regale, sodass ich unbemerkt darauf gelangen und hinter einem der Folianten