Die Clique. Mary McCarthy

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Название Die Clique
Автор произведения Mary McCarthy
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783869152363



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in die Mitte tat, wie man in die Hocke ging, das Pessar mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand zusammendrückte, mit der linken Hand die Schamlippen teilte und es dann so einschob, dass es auf den Gebärmutterhals aufsprang, und wie man schließlich mit dem Mittelfinger der rechten Hand nachfühlte, ob die Cervix oder der Gebärmutterhals auch wirklich ganz durch den Gummi verschlossen war. Wenn das mehrfach zur Zufriedenheit der Ärztin geübt worden wäre, würde Dottie lernen, wie und wann man eine Spülung machte, wie viel Wasser man verwenden, in welcher Höhe man den Irrigator aufhängen und wie man die Schamlippen fest um das eingefettete Mundstück drücken müsse, um die besten Resultate zu erzielen. Beim Verlassen der Praxisräume würde die Schwester ihr einen festen Umschlag aushändigen, der eine Tube Vaginalsalbe und ein flaches Kästchen mit dem Pessar enthielt. Die Schwester würde ihr dann noch die Pflege des Pessars erklären: Nach jedem Gebrauch waschen, sorgfältig abtrocknen und, bevor man es in den Kasten zurücklegt, mit Talkumpuder einstäuben.

      Kay und Harald fielen fast in Ohnmacht, als sie erfuhren, was Dottie hinter ihrem Rücken getrieben hatte. Sie besuchte sie in ihrer Wohnung, brachte ihnen als Hochzeitsgeschenk ein antikes silbernes Milchkännchen mit – das typische Alte-Tanten-Geschenk – und einen Strauß weißer Pfingstrosen. Die tief enttäuschte Kay rechnete sich aus, dass man für dasselbe Geld etwas Schlichtes und Modernes bei Jensen, dem dänischen Silberschmied, bekommen hätte. Dann verschwand Harald in der Küche, um das Abendessen zu machen (Muschelhaschee auf Toast, eine Konservenneuheit), und Dottie erzählte Kay, die wissen wollte, was sie inzwischen erlebt habe, seelenruhig, dass sie sich Dick Brown zum Liebhaber genommen habe. Auf Dottie passte diese hoheitsvoll klingende Formulierung einfach grandios. Das musste Kay unbedingt Harald erzählen. Es war anscheinend erst vergangene Nacht passiert, in Dicks Atelier, und bereits heute war Dottie in die Beratungsstelle für Geburtenkontrolle gelaufen und hatte sich die vielen Prospekte besorgt, die jetzt in ihrer Handtasche steckten. Kay wusste nicht, was sie dazu sagen sollte, aber ihr Gesicht verriet wohl, wie entsetzt sie war. Dottie musste verrückt geworden sein. Hinter seiner virilen Fassade, wie Harald das nannte, war Dick Brown ein völlig verkorkster Mensch, ein Trinker und erbitterter Weiberfeind mit einem grässlichen Minderwertigkeitskomplex, weil seine mondäne Frau sich von ihm getrennt hatte. Seine Motive waren völlig klar – er benutzte Dottie, um an der Gesellschaft Rache zu nehmen für die Wunde, die sie seinem Ego zugefügt hatte. Kay konnte es kaum erwarten, wie Harald die Sache psychologisch zerpflücken würde, sobald sie erst allein wären. Aber trotz aller Ungeduld forderte sie Dottie auf, zum Essen zu bleiben, sehr zu Haralds Erstaunen, der ein Tablett mit Cocktails hereinbrachte. Wenn Harald erst im Theater war, würde Dottie bestimmt noch mehr erzählen. »Ich musste sie einladen«, entschuldigte sie sich bei einem kurzen Gespräch in der Küche. Sie flüsterte ihm ins Ohr: »Etwas Furchtbares ist passiert, und wir sind verantwortlich: Dick Brown hat sie verführt.«

      Immer wieder sah sie Dottie an, aber sie konnte sie sich einfach nicht mit einem Mann im Bett vorstellen: Sie wirkte so brav, mit ihren Perlen, dem Schneiderkostüm mit weißem Besatz, dem eleganten marineblauen Strohhut und wie sie so heiter gelassen ihren Cocktail aus der Russel-Wright-Schale nippte und sich den Eiweißschnurrbart von der Oberlippe wischte.

      Harald meinte später, sie sei auf ihre eichkätzchenhafte Art ein recht appetitliches Ding, mit diesen freundlichen braunen Augen, die stillvergnügt strahlten, und den langen Wimpern, die bei jedem Blick, den sie auf ihn richtete, zu flattern schienen. Doch er merkte nicht, wie viel auf das Konto ihrer Kleidung ging. Dottie verdankte es ihrer cleveren Mutter, dass sie sich so schick anzog. Sie war die Einzige aus der Bostoner Gruppe in Vassar, die sich nicht in Tweed und Wollschals hüllte, was die armen Dinger wie hagere ältliche Gouvernanten auf einem Sonntagsspaziergang wirken ließ. Nach Haralds Ansicht versprach ihre vollbusige Figur, die sich unter ihren schräg geschnittenen Blusen abzeichnete, ein sinnliches Temperament. Wahrscheinlich, das musste Kay sich eingestehen, hatte es tatsächlich etwas zu bedeuten, dass Dick selbst und anscheinend sogar aus eigener Initiative Dottie aufgefordert hatte, sich ein Pessar anpassen zu lassen. »Du sollst mich um Rat fragen?«, wiederholte Kay erstaunt und einigermaßen geschmeichelt, nachdem Harald gegangen war und sie zusammen das Geschirr spülten. Sie hatte immer geglaubt, dass er sie nicht leiden könne. Pessare waren ihr zwar ein Begriff, sie selbst jedoch besaß keines. Mit Harald benutzte sie immer Zäpfchen, und sie genierte sich ein wenig, das Dottie einzugestehen, da Dottie sie offenbar derartig überflügelt hatte, und das nach einer einzigen Nacht … Sie beneidete Dottie um ihre Tatkraft, mit der sie die Beratungsstelle für Geburtenkontrolle aufgesucht hatte. Sie selbst hätte als Unverheiratete niemals den Mut dazu aufgebracht. Ob es wohl ein gutes Zeichen sei, dass Dick ihr das nahegelegt hatte, wollte Dottie wissen, und Kay musste zugeben, dass es ganz so aussah. Es könne nur bedeuten, dass Dick regelmäßig mit ihr zu schlafen gedenke – wenn man das für gut hielt.

      Als sie sich über ihre eigenen Gefühle Rechenschaft ablegte, entdeckte Kay, dass sie sich ärgerte. Der Gedanke, dass Dottie im Bett besser war als sie, wurmte sie. Aber um der Wahrheit willen musste sie Dottie doch sagen, dass Dick sich im Fall einer flüchtigen Affäre mit Präservativen (wie Harald es anfangs auch getan hatte) oder dem Coitus interruptus begnügt hätte. »Er scheint dich gern zu haben, Renfrew«, erklärte sie und wrang den Spüllappen aus, »oder jedenfalls gern genug.« Das war auch Haralds Meinung.

      Auf dem Weg zur Ärztin, auf dem Oberdeck eines Fifth-Avenue-Busses, berichtete Kay Dottie alles, was Harald ihr über die Regeln der Verhütung gesagt hatte. Er behauptete, es sei eine Etikette wie jede andere – nämlich ein Sittenkodex, der sich aus den sozialen Gegebenheiten entwickle und vom wirtschaftlichen Standpunkt aus zu betrachten sei. Ein Ehrenmann (und das war Dick in Haralds Augen) würde einem Mädchen niemals zumuten, das Geld für die ärztliche Konsultation, das Pessar, die Salbe und den Irrigator auszugeben, wenn er nicht beabsichtigte, so lange mit ihr zu schlafen, bis ihre Auslagen sich amortisiert hatten. Davon könne Dottie überzeugt sein. Ein Mann, der nur an ein flüchtiges Abenteuer denke, würde lieber dutzendweise Präservative kaufen, selbst wenn sie sein eigenes Vergnügen beeinträchtigten. Auf diese Weise sei er nicht an das Mädchen gebunden. Die unteren Klassen zum Beispiel würden die Verhütung niemals der Frau überlassen. Das mache nur der Mittelstand. Ein Arbeiter mache sich entweder keine Gedanken wegen einer möglichen Schwangerschaft oder misstraue dem Mädchen zu sehr, um ihr die Sache zu überlassen.

      Dieses Misstrauen, hatte Harald gesagt, das tief in der männlichen Natur wurzele, hindere selbst Männer des Mittelstandes oder gehobener Berufe, Mädchen wegen eines Pessars zur Ärztin zu schicken. Zu viele Blitzhochzeiten hätten ihre Ursache darin, dass der Mann sich darauf verließ, dass das Mädchen das Pessar eingelegt hatte. Außerdem war da noch das ganze problematische Drum und Dran. Das unverheiratete Mädchen, das bei seinen Eltern lebte, benötigte für Pessar und Irrigator ein Versteck, das die Mutter beim Aus- und Aufräumen der Kommodenschubladen nicht sofort entdecken konnte. Das hieß, dass der Mann – außer er war verheiratet – ihre Sachen in seinem eigenen Badezimmer aufbewahren müsse. Die Obhut dieser Gegenstände nehme die Form einer heiligen Hüterschaft an. Wenn ihr Hüter nun einigermaßen feinfühlig sei, so schließe das Vorhandensein der betreffenden Gegenstände in seiner Wohnung den Besuch anderer Frauen aus, die womöglich im Medizinschrank herumstöberten oder sich gar für berechtigt hielten, ihren geheiligten Irrigator zu benutzen.

      Bei einer verheirateten Frau sei, wenn es sich um eine ernsthaftere Beziehung handle, die Situation die gleiche: Sie kaufe sich ein zweites Pessar und einen zweiten Irrigator, die sie in der Wohnung ihres Liebhabers deponiere, und das Vorhandensein dieser Gegenstände habe auf die Dauer einen hemmenden Einfluss, wenn er die Neigung verspürte, sie zu betrügen. Ein Mann, dem diese wichtige Ausrüstung anvertraut wird, so Harald, sei gewissermaßen wie ein Bankangestellter gebunden. Wenn er sich mit einer anderen Frau einlasse, so tue er das wahrscheinlich in ihrer Wohnung oder einem Hotelzimmer oder sogar in einem Taxi – an irgendeinem Ort, der nicht durch jene geheiligten Mahner geweiht sei. So verpfände auch die verheiratete Frau ihre Liebe, indem sie das zweite Pessar ihrem Liebhaber anvertraue. Nur eine sehr grob gestrickte Frau würde für ihren Mann wie für ihren Liebhaber dasselbe Pessar benützen. Solange der Liebhaber das Pessar in seiner Obhut habe, wie der mittelalterliche Ritter den Schlüssel zum Keuschheitsgürtel seiner Dame, könne er sich ihrer Treue sicher sein. Obwohl auch das einen Irrtum nicht ausschließe. Harald hatte die Geschichte von einer abenteuerlustigen Ehefrau