Название | Die Clique |
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Автор произведения | Mary McCarthy |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783869152363 |
Dottie kam er plötzlich übertrieben kindlich vor, wie einer der vielen jungen Rettungsschwimmer in Cape Ann, die in ihren Booten am Strand auf und ab trieben und manchmal bei Mama im Cottage erschienen, um mit ihr über ihre Zukunft zu sprechen. Aber natürlich! So einer musste er, der in Marblehead unter den Urlaubern aufgewachsen war, auch einmal gewesen sein. Er hatte die Figur eines Schwimmers und sie konnte ihn sich vorstellen, wie er in der roten Mannschaftsjacke grübelnd im Rettungsboot saß. Mutter behauptete, dass die Zwischenstellung der jungen Männer, die zwar mit den Sommergästen zusammenkamen, aber nicht zu ihnen gehörten, sich in vielen Fällen auf ihr ganzes weiteres Leben auswirkte.
»Ich bin für ein männliches Leben«, sagte er. »Bars. Landleben. Fischen und Jagen. Ich liebe Männergespräche, die nichts Bestimmtes aussagen wollen, sondern sich ewig im Kreis bewegen. Darum trinke ich. Paris passte zu mir – all die Maler, Journalisten und Fotografen. Ich bin der geborene Heimatlose. Wenn ich ein paar Dollars oder Francs habe, bin ich zufrieden. Ich werde es als Maler nie zu etwas bringen, doch ich kann zeichnen und leiste anständige, saubere Arbeit. Aber ich hasse Veränderungen, Boston, und ich selbst ändere mich auch nicht. Das ist der Grund, warum ich mit Frauen nicht auskomme. Frauen erwarten von einer Beziehung, dass sie sich ständig verbessert, und wenn sie das nicht tut, glauben sie, sie verschlechtert sich. Sie glauben, dass ich sie, je länger ich mit ihnen schlafe, umso lieber haben werde, und wenn dem nicht so ist, dann meinen sie, ich sei ihrer überdrüssig. Aber für mich bleibt es immer gleich. Wenn es mir beim ersten Mal gefällt, dann weiß ich, dass es mir auch weiterhin gefällt. Du hast mir heute Nacht gefallen und wirst mir weiterhin gefallen. Aber bilde dir bloß nicht ein, dass du mir mit der Zeit besser gefallen wirst.« Bei den letzten Worten nahm seine Stimme einen zänkischen, drohenden Ton an. Er sah böse auf sie hinunter und wippte in seinen Hausschuhen auf und ab. Dottie spielte mit der zerfransten Quaste seines Schlafrockgürtels. »Ja gut, Dick«, flüsterte sie. – »Wenn du das Ding hast, kannst du es herbringen. Ich hebe es für dich auf. Ruf mich an, wenn du bei der Ärztin gewesen bist.« Schaler Alkoholdunst schlug ihr entgegen. Sie trat einen Schritt zurück und wandte den Kopf zur Seite. Sie hatte gehofft, Dick besser kennenzulernen, aber seine seltsamen Lebensanschauungen nahmen ihr jetzt auf einmal allen Mut. Wie sollte sie ihn zum Beispiel in den Sommer einbauen? Er schien sich nicht klarzumachen, dass sie genau wie sonst nach Gloucester fahren musste. Wenn sie verlobt wären, könnte er sie dort besuchen, aber das waren sie natürlich nicht und würden es auch nie sein. Das hatte er deutlich zu verstehen gegeben. Nun, da sie seine Bedingungen kannte, meldeten sich, zu ihrem Entsetzen, die ersten Zweifel. Was, wenn sie ihre Jungfernschaft durch einen Menschen verloren hatte, der ihr nicht nur Angst machte, sondern, wie er selbst sagte, auch durch und durch nichts taugte?
Sekundenlang hing Dottie in der Luft, aber ihr war die Überzeugung anerzogen worden, dass es ein Zeichen von schlechter Klasse sei, seiner Menschenkenntnis zu misstrauen. »Ich kann dich nicht ausführen«, sagte er jetzt sanft, als habe er ihre Gedanken erraten. »Ich kann dich nur einladen hierherzukommen, wann immer du in der Stadt bist. Ich habe dir nichts zu bieten als mein Bett. Ich gehe weder ins Theater noch in Nachtlokale und nur selten in Restaurants.« Dottie öffnete den Mund, aber Dick schüttelte den Kopf. »Ich mag keine Damen, die meine Rechnungen zahlen wollen. Was ich mit meinen Plakaten und Gelegenheitsarbeiten verdiene, genügt für meine bescheidenen Bedürfnisse. Fahrgeld, Alkohol und ein paar Konserven.« Dotties gefaltete Hände machten eine Geste des Mitleids und der Reue. Sie hatte vergessen, dass er arm war. Natürlich sprach er deswegen so barsch und kurz angebunden über die Fortsetzung ihrer Beziehung – sein Stolz zwang ihn dazu. »Du musst dir keine Gedanken machen«, beruhigte er sie. »Ich habe eine Tante in Marblehead, die mir hin und wieder einen Scheck schickt. Eines Tages, falls ich lang genug lebe, beerbe ich sie. Aber ich hasse Besitz, Boston – verzeih, wenn ich in dir die Angehörige einer bestimmten Klasse sehe. Ich hasse die Gier nach Besitz. Ich mache mir nichts aus dieser Gesellschaft im Umbruch.« Dottie fand, es sei an der Zeit, gelinde zu protestieren. Dicks Tante wäre wohl kaum mit seinen Ansichten einverstanden. »Aber Dick«, sagte sie ruhig, »es gibt falschen und echten Besitz. Wenn jeder so denken würde wie du, hätte sich die Menschheit nie weiterentwickelt. Dann würden wir noch immer in Höhlen wohnen. Ja, nicht einmal das Rad wäre erfunden! Der Mensch braucht einen Anreiz, wenn auch vielleicht nicht immer einen finanziellen …« Dick lachte. »Du bist sicher die fünfzigste Frau, die mir das sagt. Es spricht für die Allgemeinbildung von euch Mädchen, dass ihr, kaum trefft ihr Dick Brown, sofort von Rad und Hebelkraft redet. Eine französische Prostituierte belehrte mich sogar über den Drehpunkt.« – »Leb wohl, Dick«, sagte Dottie rasch, »ich darf dich nicht von der Arbeit abhalten.« – »Willst du denn nicht meine Telefonnummer haben?«, fragte er und schüttelte in gespieltem Vorwurf den Kopf. Sie reichte ihm das blaulederne Adressbuch, und er trug mit einem dicken Zeichenstift schwungvoll seinen Namen und die Telefonnummer seiner Zimmerwirtin ein. Er hatte eine sehr markante Handschrift. »Bis dann, Boston.« Er nahm ihr langes Kinn zwischen Daumen und Zeigefinger und drehte es zerstreut hin und her. »Also, vergiss nicht: keinen Unsinn machen. Nicht verlieben. Ehrenwort.«
Ungeachtet dieser Abmachung hüpfte Dotties Herz vor Glück, als sie drei Tage später neben Kay Petersen im Wartezimmer der Ärztin saß. Taten bedeuten mehr als Worte, und was immer Dick sagen mochte, es war eine Tatsache, dass er sie hergeschickt hatte, um gleichsam durch den Ring oder das ringförmige Pessar, das die Ärztin verschrieb, ferngetraut zu werden. Mit frisch gewelltem Haar und einem leuchtenden Teint, dem man die Kosmetikbehandlung ansah, wirkte sie ruhig und selbstsicher, wie eine zufriedene, erwachsene Frau, fast wie Mama und ihre Freundinnen. Das Wissen um die Dinge verlieh ihr diese Gelassenheit. Kay hatte es kaum glauben wollen, aber Dottie hatte ganz allein eine Beratungsstelle für Geburtenkontrolle aufgesucht. Dort hatte man ihr die Adresse einer Ärztin gegeben sowie einen Stapel von Prospekten über eine Unzahl verschiedener Pessare mit allen Vor- und Nachteilen – Tamponeinlagen, Schwammeinlagen, Intrauterinpessare, Portiokappen, Seidenringe, Ketten et cetera. Man hatte Dottie ein neues Fabrikat empfohlen, das von der gesamten Ärzteschaft der USA befürwortet wurde. Margaret Sanger hatte es in Holland entdeckt, man importierte es jetzt zum ersten Mal in großen Mengen in die Staaten und auch die einheimischen Hersteller durften es kopieren. Es vereinigte das Maximum an Schutz mit einem Minimum an Unannehmlichkeit und konnte, nach Anleitung eines Facharztes, von jeder halbwegs intelligenten Frau angewendet werden.
Diesen Artikel, eine auf einen Spiralrand montierte Gummikappe, gab es in verschiedenen Größen, und jetzt sollte in Dotties Scheide festgestellt werden, welche für sie die richtige und die bequemste sei, ähnlich wie man beim Augenarzt ein Brillenglas ausprobiert. Die Ärztin würde das Pessar