Название | Die Clique |
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Автор произведения | Mary McCarthy |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783869152363 |
Langsam erstarb das Stimmengewirr. Die Mädchen, vom Alkohol benommen, warfen sich fragende Blicke zu. Was passierte jetzt? Bei einer normalen Hochzeit würden Kay und Harald unauffällig verschwinden, um sich für die Reise umzuziehen, und Kay würde ihren Brautstrauß unter sie alle verteilen. Aber eine Hochzeitsreise fiel ja aus. Kay und Harald konnten nur wieder in ihre möblierte Wohnung zurückkehren. Wie sie Kay kannten, war vermutlich nicht einmal das Bett gemacht. Wieder überkam sie das merkwürdige Unbehagen, das sie schon in der Kirche verspürt hatten. Sie sahen auf ihre Uhren, es war erst Viertel nach eins. Wie viele Stunden noch, bis es für Harald Zeit war, sich an die Arbeit zu begeben? Sicher, es gab viele Neuvermählte, die von der Trauung wieder nach Hause gingen, aber eigentlich dürften sie das nicht zulassen.
»Soll ich sie zum Kaffee zu Tante Julia bitten?«, flüsterte Polly Andrews Dottie über den Tisch zu. »Es sind aber ziemlich viele«, murmelte Dottie. »Ich weiß nicht, was Ross dazu sagen würde.« Ross war Tante Julias Dienstmädchen, ein ziemlicher Drache. »Zum Teufel mit Ross!«, sagte Polly. Die Blicke der beiden Mädchen schweiften abzählend über die Tafel und trafen sich dann ernst und erschreckt. Sie waren dreizehn – acht von der Clique und fünf Außenseiter. Das sah Kay ähnlich! Oder war es Zufall? Hatte jemand im letzten Moment abgesagt? Inzwischen hatte die Frau des Radiofritzen ihrem Mann ein Zeichen gegeben. Sie wandte sich zu Dottie und sagte gedämpft: »Hätten einige von Ihnen Lust, noch eine Tasse Kaffee bei uns zu trinken? Ich gebe dann Kay und Harald Bescheid.« Dottie schwankte. Vielleicht wäre es wirklich das Beste, aber sie wollte Kay nicht vorgreifen, die vielleicht lieber zu Tante Julia ging. Sie hatte das deprimierende Gefühl, dass die Lage immer komplizierter und auswegloser wurde.
Da ertönte plötzlich Pokey Protheros Stimme, es klang wie ein greinendes Gackern. »Ihr zwei solltet jetzt eigentlich wegfahren«, maulte sie, während sie ihre Zigarette ausdrückte und Braut und Bräutigam mit einem Ausdruck beleidigten Staunens durch ihr Lorgnon betrachtete. Das bringt auch nur Pokey fertig, dachten die Mädchen seufzend. »Wohin sollten wir denn fahren?«, gab Kay lächelnd zur Antwort. »Ja, Pokey, wohin sollen wir denn fahren?«, stimmte Harald zu. Pokey überlegte. »Fahrt nach Coney Island«, sagte sie. Dieser Ton sonnenklarer Logik, wie ihn nur Greise und Kinder an sich haben, ließ alle sekundenlang verstummen. »Eine blendende Idee!«, rief Kay. »Mit der Untergrundbahn?«, warf Harald ein. »Brighton Express, via Flatbush Avenue, in Fulton Street umsteigen.« – »Pokey, du bist ein Genie«, erklärten alle mit hörbarer, ungeheurer Erleichterung.
Harald zahlte und ließ sich auf eine Diskussion über Achterbahnen und die Vorzüge und Nachteile des Riesenrads und des Thunderbolds ein. Puderdosen wurden hervorgezogen, Pelze zusammengerafft, Terminkalender aus dunkelblauem Englischleder befragt. Der Raum war voll Bewegung und Gelächter. »Wie ist Pokey nur darauf gekommen?« – »Ein perfekter Abschluss einer perfekten Hochzeit!« – »Genau das Richtige!«, schallte es hin und her, während man sich die Handschuhe überstreifte.
Die Gesellschaft ergoss sich hinaus auf die Straße. Der Radiofritze, der seinen Fotoapparat vorher in der Garderobe gelassen hatte, machte auf dem Bürgersteig Aufnahmen in der strahlenden Junisonne. Dann zogen sie alle miteinander unter den Blicken gaffender Passanten durch die 8th Street zur Untergrundbahnstation Astor Place und marschierten zum Drehkreuz. »Kay muss uns jetzt ihren Strauß zuwerfen!«, kreischte Libby MacAusland und reckte sich auf ihren langen Beinen wie ein Basketballspieler, während eine neugierige Menschenmenge sie umdrängte. »Mein Schatz ist von Vassar, keine reicht ihr das Wasser«, intonierte der Radiomensch. Harald zog zwei Geldstücke aus der Tasche und die Neuvermählten schritten durch das Drehkreuz. Kay, die nach allgemeiner Meinung noch nie so hübsch ausgesehen hatte, wandte sich um und warf ihren Brautstrauß in die Luft und über die Sperre hinweg den wartenden Mädchen zu. Libby sprang in die Höhe und fing ihn auf, obgleich er auf Priss, die hinter ihr stand, abgezielt war. In diesem Augenblick überraschte Lakey sie alle. Die braun eingewickelten Pakete, die sie dem Kellner zur Aufbewahrung gegeben hatte, enthielten nämlich Reis. »Also darum bist du ausgestiegen?«, rief Dottie staunend, als die Hochzeitsgesellschaft zugriff und Braut und Bräutigam mit Reis bewarf. Der Bahnsteig war mit weißen Körnern besät, als der Zug schließlich einfuhr. »Das ist kitschig! Das passt gar nicht zu dir, Eastlake!«, schrie Kay, während sich die Zugtüren schlossen. Beim Auseinandergehen fand jeder, dass es zwar nicht zu Lakey passte, aber, ob kitschig oder nicht, genau der richtige Abschluss für ein unvergessliches Ereignis gewesen war.
ZWEITES KAPITEL
Ganz zu Anfang, im dunklen Treppenhaus, war Dottie recht sonderbar zumute. Da schlich sie nun, erst zwei Tage nach Kays Hochzeit, zu einem Zimmer hinauf, das ausgerechnet Haralds ehemaligem Zimmer gegenüberlag, wo mit Kay das Gleiche passiert war. Ein beklemmendes Gefühl – wie früher, wenn die Clique zur gleichen Zeit ihre Tage bekam. Man wurde sich auf eigentümliche Weise seiner Weiblichkeit bewusst, die wie die Gezeiten des Meeres der Mond regierte. Seltsame, belanglose Gedanken gingen Dottie durch den Kopf, als der Türschlüssel sich im Schloss bewegte und sie sich zum ersten Mal allein mit einem Mann in dessen Wohnung befand. Heute war Mittsommernacht, die Nacht der Sonnenwende, da die Mädchen ihr höchstes Gut darbrachten, damit es reiche Ernte gebe. Das wusste sie von ihren folkloristischen Studien über den Sommernachtstraum. Ihr Shakespeare-Lehrer war sehr an Anthropologie interessiert. Er hatte sie im Frazer die alten Fruchtbarkeitsriten nachlesen lassen und dass die Bauern in Europa noch bis vor Kurzem zu Ehren der Kornjungfrau große Feuer anzündeten und sich dann in den Feldern paarten. Das College, dachte Dottie, war fast zu reich an Eindrücken. Sie fühlte sich vollgepfropft mit interessanten Gedanken, die sie nur ihrer Mutter, aber keinesfalls einem Mann mitteilen konnte. Der hielte einen wahrscheinlich für verrückt, würde man ihm, wenn man gerade seine Jungfräulichkeit verlieren sollte, von der Kornjungfrau erzählen. Selbst die Clique würde lachen, wenn Dottie gestand, dass sie ausgerechnet jetzt Lust auf ein ausgiebiges Gespräch mit Dick hatte, der so wahnsinnig attraktiv und unglücklich war und so viel zu geben hatte. Freilich würde die Clique nie im Leben glauben, dass sie, Dottie Renfrew, jemals hierhergekommen war, in ein Dachzimmer, das nach Bratfett roch, zu einem Mann, den sie kaum kannte, der kein Hehl aus seinen Absichten machte, der mächtig getrunken hatte und sie ganz offensichtlich nicht liebte. So krass ausgedrückt konnte sie es selbst kaum glauben, und der Teil ihres Ichs, der ein Gespräch wünschte, erhoffte wohl immer noch eine Frist, wie beim Zahnarzt, wo sie sich jedes Mal über alles Mögliche unterhielt, um den Einsatz des Bohrers noch einmal aufzuschieben. Dotties Grübchen zuckte. Was für ein verrückter Vergleich! Wenn die Clique das hören könnte!
Und dennoch, als »es« geschah, war es gar nicht so, wie die Clique oder selbst Mama es sich vorgestellt hätten, überhaupt nicht eklig oder unästhetisch, obwohl Dick betrunken war. Er war äußerst rücksichtsvoll, entkleidete sie langsam und sachlich, als nehme er ihr nur den Mantel ab. Er tat ihren Hut und Pelz in den Schrank und öffnete dann das Kleid. Der konzentrierte Ernst, den er den Druckknöpfen widmete, erinnerte sie an Papa, wenn er Mamas Partykleid zuhakte. Sorgfältig zog er ihr das Kleid über den Kopf, musterte erst das Firmenetikett und dann Dottie, ob sie auch zueinander passten, ehe er es, im gemessenen Schritt, zum Schrank trug und sorgfältig auf einen Bügel hängte. Danach faltete er jedes weitere Kleidungsstück zusammen, legte es umständlich auf den Sessel und besah sich dabei jedes Mal stirnrunzelnd das Firmenetikett. Als sie ohne Kleid dastand, wurde ihr sekundenlang etwas flau, aber er beließ ihr das Unterkleid, genau wie beim Arzt, während er ihr Schuhe und Strümpfe auszog und Büstenhalter, Hüftgürtel und Hemdhose öffnete, sodass sie, als er ihr mit größter Sorgfalt, um ihre Frisur nicht zu zerstören, das Unterkleid über den Kopf zog, schließlich, nur mit ihren Perlen bekleidet vor ihm stehend, kaum noch zitterte. Vielleicht war Dottie deshalb so tapfer, weil sie so oft zum Arzt ging oder weil Dick sich so unbeteiligt und unpersönlich verhielt, wie man es angeblich gegenüber einem Aktmodell in der Malschule tat. Er hatte sie, während er sie auszog, überhaupt nicht berührt, nur einmal versehentlich gekratzt. Dann kniff er sie leicht in jede ihrer vollen Brüste