Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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mit geheimnißvoller Regung an sich locke. Versuchts doch einmal, wie Euch aus dem glatten Klippenrande hier zu Muthe wird.

      Alwin trat vor, halb schwindelnd schon, aber durch Florismarte's Hohn gereitzt.

      Weiter vor, rief dieser. So! und nun hinabgeblickt, wo die Abendnebel unter Euern Füßen hinziehn, die höchsten Baumgipfel, von denen man schon wie thurmtief herunter sähe, ihr grünes Haupt Euch senkrecht entgegen strecken. Ist's nicht, als wären die Tannen dort wie Spieße emporgerichtet, um den Fallenden aufzufangen. und ihn dann blutig in den Waldstrom fallen zu lassen? Und es ruft Euch immer: hinab! hinab! Ihr habt davon ganz recht gesungen, denn auch ich vernehme den gräßlichen Ruf. Hinab! Hinab! Muthig nur gefolgt! Es muß doch einmal so sein. Und wer weiß, ob's nicht gut ist. Es hat's nur noch Keiner versucht. Den Kopf unten, in die freie Luft hinein, das ist am Ende die rechte Stellung. Es dreht uns dann wohl kreisend herum, immer weiter und weiter, (im Haupte kreist es Euch schon!) und so in die fernsten Länder hinein, ewiger Taumel, ein neuer Stern! –

      Alwin wankte schon an der Steinwand, noch raffte er all seine Kräfte zusammen, indem er laut schrie: Satan, laß ab! und gewaltsam drei Schritte zurücksprang.

      Ihr habt Euch recht gut gehalten, sagte Florismarte gelassen.

      Und hätte ich's nun nicht gethan, rief Alwin, noch fast taumelnd, und flöge ich nun eben pfeilschnell, immer vermehrt mein Fall, in's Thal hinab –

      So lebte ein schwaches Geschöpf weniger in der Welt, erwiederte Florismarte, denn als ein solches hättet Ihr Euch alsdann bewährt, und der Schade wär' leicht zu verschmerzen. Seht mich nicht so feindseelig an. Ein braver Ritter muß über keine ernsthafte Kampfprobe böse werden.

      Alwin ging mit einem unsichern Gefühle heim. Es war als triebe der wilde Schwindel noch immer sein schauerliches Spiel mit ihm. Was Florismarte von Mathilde, von Raimund, von dem ganzen Bunde gesagt hatte, stellte sich wie in sichtbarer Gestalt vor die Schwelle des Klostergebäudes, und wollte ihm den Eingang wehren. Aber sein lieber Meister kam ihm entgegen, und vor seinen klaren, freundlichen Augen, seinen verständigen Worten konnten die feindseeligen Geister ihre Macht nicht behaupten.

       Inhaltsverzeichnis

      Die glücklichste Begebenheit eines Menschenlebens klingt in dasselbe hinein wie ein Ton aus höhern Welten. Man glaubt nun für immer gefaßt zu haben, was uns in Träumen vorgeschwebt hat, aber es verhallt mehr und mehr in leisern Schwingungen, und man muß zuletzt recht genau hinhorchen, wenn man noch eine Bebung des himmlischen Klanges wahrnehmen will.

      Etwas Aehnliches erfuhr gegenwärtig Alwin. Er lebte noch immer ganz allein für Mathilden, während sie Freiheit des Geistes genug gewann, sich mit allen Umgebungen aufs vertrauteste bekannt zu machen, und manche Tage vergingen, wo sie für den Geliebten kaum Viertelstunden übrig behielt. Wenn er irgend etwas darüber äußerte, zeigte sie sich erstaunt, daß ein poetisches, edles Gemüth mehr verlangen könne, als sie gebe, und lieber einen nächtigen Schleier um sie herziehen wolle, damit sie nur für ihn allein da sei. Alwin wußte nichts darauf zu antworten, ja er schämte sich, solche Vorwürfe veranlaßt zu haben, und schalt sich einen Grillenfänger, einen ungenügsamen Thoren. Auch gelang es oftmals der heitern Gesellschaft oder seinen eignen Bemühungen, alle schwarze Wolken aus seinem Gemüthe zu verscheuchen, aber sie kamen wieder, und selbst in den frohsten Stunden nagte ihm ein Kummer am Herzen darüber, daß man mit völliger eigner Hingebung, nicht völlige Hingebung des angebeteten Gegenstandes gewinne. Es muß doch etwas Aehnliches wenigstens möglich sein, sagte er öfters zu sich selbst. Woher sonst in mir die unbezwingliche Sehnsucht nach einem Leben, aus Liebe um Liebe zusammengewebt? Sind denn zwei Liebende nicht Eins? Nicht erst nun ein ganzer, vollständiger Mensch? Und ist ein solcher wahrhafter Bund geschlossen, so lange noch tausenderlei Neigungen mit der, welche die höchste sein soll, gleichen Schritt halten? Er sang bisweilen Lieder ähnlichen Inhalts, die Mathilde als dichterische Träume aufnahm, ja, sie öfters ganz unbefangen lobte, und ihre Freude daran hatte. Wenn er gegen Raimund darüber klagte, pflegte ihm dieser zu antworten: der Poet sei nun einmal ein Pelikan, der die Nachwelt mit seinem eignen Blute nähre, und eben aus seinen tiefsten Schmerzen quille der süßeste Trank.

      Florismarte war in dieser Zeit unerschöpflich an artigen Erfindungen zu Spielen und Festen. Einmal sagte er: es ist unverantwortlich, daß wir bei unsern Ergötzungen so weit von dem abgehn, was uns Allen in unserer fröhlichsten Zeit die fröhlichsten Stunden geschenkt hat. Wer von Euch, Ihr Frauen und Männer, hat nicht in seinen Kinderjahren als Fürstin, Schäferinn, Soldat, Bauer, Handwerker – kurz, in irgend einem angenommnen Charakter die Spielstunden hindurch figurirt, und so in Einstimmung mit seinen Kamraden ein neues Leben, ein wahrhaft idealisches, aus der Mitte des gewöhnlichen erschaffen? Laßt uns doch um's Himmelswillen einmal auf ähnliche Weise zusammen spielen, denn so nur kann ein Spiel seinenNamen verdienen, da die andern hingegen affectirte Creaturen sind, Usurpatoren auf fremdem Gebiet, vor Allem die sogenannten Schauspiele, die sich schon durch den Namen als das ankündigen, was sie sind, als Schaugerichte, zu deren Hervorbringung man sich aus Eitelkeit abquält, ja die gar nicht einmal ohne Zuschauer existiren können. Wir wollen uns darüber gänzlich hinwegsetzen, und ein Spiel beginnen, wie Gott es mit der Welt treibt: mit uns selbst, für uns selbst. Ich weiß auch schon eine hübsche Geschichte dazu, oder eine hübsche Gelegenheit vielmehr, denn die Geschichte muß hier wirklich erst geschehn, und sich aus der Laune der Spielenden ergeben, oder wenn's gar keine Geschichte wird, sondern ein bloßes Fest, ist's eben so gut. Das Alles bleibe dem waltenden Himmel überlassen.

      Die Gesellschaft stimmte fröhlich ein, und Florismarte ward gebeten, den Gegenstand anzugeben, und die Charaktere zu vertheilen.

      Ihr sollt die schöne Alearda von Burlas sein, sagte Florismarte, indem er sich zu Mathilden wandte, die herrliche Dame, zu deren Preis Arnaldo von Maraviglia so artige Lieder gesungen hat, daran wir noch jetzt unsre Freude haben. Mir, weil ich doch das Ganze angestellt und erdacht habe, kann es Niemand verdenken, wenn ich die beste und vornehmste Stelle erwähle. Ich bin der Vicomte Bisiers, Alearda's Gemahl. Seid nicht böse darüber, Alwin; Ihr müßt nun schon einen schmachtenden Liebhaber vorstellen, eben weil es ein Spiel ist, denn sonst wäre die Rolle, Mathilden gegenüber, passender für mich. Also Ihr seid ein junger Ritter, der zu Alearda's Ehren Abentheuer besteht. Arnaldo von Maraviglia selbst, ist Raimund. Und so fuhr er fort die Rollen auszutheilen, von einem magischen Siedler an, bis zum Lustigmacher des Hofes. Wir sprechen übrigens, sagte er, in Versen, in Prosa, in Musik, wie es uns einfällt, und thun was uns die guten oder bösen Geister eingeben.

      Die nöthigsten Vorbereitungen waren bald gemacht, Jeder staffirte sich zu seiner Aufgabe bestmöglichst heraus, das Fest begann, und man hatte schon anderthalb Tage sehr angenehm im Spiele mannigfacher Novellen verlebt, die man, einander nach Laune kreuzend, erfand und durchführte. Am Abende des zweiten Tages kam Arnaldo von Maraviglia, durch Raimund sehr glücklich dargestellt, aus dem Walde, worin er einige Stunden lang umher geschweift war, und setzte sich nahe vor dem Jagdschlosse nieder, welches für die Residenz des Vicomte Bisiers galt. Einige Olivenzweige breiteten ihre Schatten über ihn, so daß man ihn von den Fenstern aus mehr errathen als erkennen konnte. Hier sang er in seinem Provenzalischen Charakter folgendes Lied:

      Im grünen Wald ist Schönes viel daheime

       Von Blumen und von Blüthen

       Die reiche Saat, der Schatten kühlend Leben,

       Der Lichter wechselnd Spiel auf frischem Rasen;

       Der Bäche Silberblick und freudig Rauschens.

       Doch all' das trifft man auch wohl bei Pallästen,

       Wo schöne Gärten prangen.

      Was Wald zu eigen hat, sind Liederkeime,

       Was seine Schauer hüthen

       Ist ein geheimnißvoll, doch süß Erbeben.

       Das ist's, wovon die Hirten Lieder blasen,

       Das ist's, worauf der Berge Nymphen lauschen

       Und wer nur einmal