Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

Читать онлайн.
Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



Скачать книгу

Nun sich's in Lied' erschloß und Freudewallen,

       Ziemt's Dir, in leisen Klängen zu verhallen.

       Inhaltsverzeichnis

      Das Alles war keine Vision gewesen, wie es Alwin am folgenden Morgen, und noch an vielen andern glaubte, wenn er aus dem Schlaf erwachte. Mathilde wohnte wirklich von nun an in dem Kreise der Dichter, umfing wirklich den glücklichen Jüngling mit aller Herrlichkeit ihrer Liebe, und hatte eben um seinetwillen unter Raimunds Anleitung diesen Wohnplatz gewählt. Denn was an den Ufern des Rheins in Alwin's Herzen entblühte, war ihrem klaren Sinne nicht verborgen geblieben, und hatte seine begeisternde Düfte da hinüber gehaucht, so daß sie mit Raimund Alles zu seinem Glücke geordnet hatte, während er selbst wie ein bethörtes Kind zweifelnd und sehnend umhergeirrt war. Aus Mathildens Reden, aus Raimunds Gesängen stieg vor Alwin nach und nach der ganze schöne Bau in seinen Zweigen empor, dessen glänzenden Gipfel er zuerst an jenem seeligen Abend wahrgenommen hatte. Wenn das frohe Paar in den Gängen des weiten, schönbepflanzten Gartens umherirrte, liebte es Alwin, sich die Tage zurückzurufen, worin er dies Alles zum erstenmale gesehn habe, und seine damalige Trauer, und wie er nun so unendliches Glück genieße. Du bist ein liebes, frommes Kind, pflegte ihm alsdann Mathilde zu antworten. Du lebst noch mit der umgebenden Natur im alten Einverständnisse, und läßt Dir gern von ihr wieder vorerzählen, was Du ihr früher anvertraut hattest. Freilich gebe ich Dir Recht: das Geschick hat uns wunderbar gelenkt. Darum mußte euch der hochfliegende, fürstliche Adalbert verlassen, daß ich in Deinen lieblichen Spielen die rechte Höhe unversehens erreichte, die Fürstin des edelsten Reiches würde, eines reinen, liebevollen Herzens. Dann sang Alwin gern die alten Lieder, welche Beide ehemals unter ganz andern Verhältnissen gehört und gesungen hatten. Aber Mathilde fand keine Freude daran. Sie tauchte sich mit vollem Gemüth in die neue Dichterwelt unter, welche ihr in diesem Kreise aufgegangen war, und fand sich gestört, wenn sie irgend ein Lied vernehmen sollte, das nicht in den lieblichen Formen einhertanzte, welchen man hier fast ausschließlich huldigte. Sie bat ihren Freund daher, lieber neuerfundne Lieder zu singen, von ihm, oder von Raimund, oder von Florismarte, und weil er nun mit getreuem Herzen an den gewohnten Klängen hing, die ihn schon früher begeistert hatten, zog er bisweilen einsam in's Gebirge, und sang den Felsen und Quellen seine alten Melodien vor.

      Einmal hatte er sich auch an den Rand eines schroffen Felsthales gelagert, und ließ seine Lieder durch die Abendluft hinklingen. Da hörte er plötzlich hinter sich Jemand gehn, und schrak unwillkührlich zusammen. Als er umblickte, war es Florismarte, der sich neben ihn setzte, und lachend sagte: ich glaube, Ihr saht mich für den Berggeist an, und dachtet, ich würde Euch die steile Wand hinunter stoßen, oder weswegen fuhrt Ihr denn sonst so erschrocken auf?

      Gott weiß es, antwortete Alwin. Wer kann immer sagen, woher die Blitze kommen, die durch ihn hinfahren? Ich muß wohl etwas ähnliches gedacht haben, denn Euer Scherz paßt eben in meine Regung hinein. Nun Ihr mich aber einmal überrascht habt, will ich Euch auch ohne Rückhalt gestehn, was ich hier machte. Ich sang Lieder, die bei Euch schon längst verschollen sind, und mich alter Erinnerungen wegen freuen.

      Ihr führt also eine Art von Contrebande aus, sagte Florismarte, in unsre Wälder und Thäler hinein. Das freut mich von Euch. Unsre Formen werden zur Einförmigkeit, wenn man sie nicht auf eine oder die andre Weise durchkreuzt, und ich tadle nur, daß Ihr Eure poetische Protestationen so geheim haltet, und sie nicht gradezu in unsern Versammlungen vortragt.

      Mathilde hat keine Freude daran, sagte Alwin.

      Mathilde! rief Florismarte. Mathilde ist ein wunderschönes Weib, und überdies Eure Herzensdame, aber in unsrer Dichter Welt schaut sie fremd und blöde genug um sich. Als Gesetzgeberinn kann ich sie hier keinesweges gelten lassen, so despotisch auch ihre Aussprüche von den schwellenden Lippen tönen, und ihr obendrein noch ein gar hübsches Ansehen geben. Nein, lieber Freund, sie muß noch über Vieles bekehrt werden, wie der größte Theil unsrer ganzen Gesellschaft. Sagt mir nur, kann es Euerm wahrhaften, innigen Gefühl entgangen sein, daß wir hier viele Dinge zu Possen herabwürdigen, eben weil wir so heilig damit thun, und uns doch eine Menge von Bequemlichkeiten und Auswegen dabei vorbehalten? Es ist grade wie unsre Wohnung selbst. In Zellen schlafen wir, gehn die Kreuzgänge auf und ab, aber jene sind mit weichen Betten und Sopha's ausmöblirt, diese bewahren in ihren alten Heiligenschreinen allerhand musikalische Instrumente, zu deren Klange man oft durch die hallenden Gewölbe hintanzt, wenn's draussen regnichtes Wetter ist. Pfui der Halbheit! Und unsre Theilnahme an Prozessionen oder andern katholischen Kirchengebräuchen! Wir sind ja großentheils Protestanten, dem Glaubensbekenntniße wie dem Gemüthe nach, und reden uns dabei ein, die Anbetung der Heiligen müsse man schon mitmachen, weil sie etwas hoch Poetisches sei. Ach, das ist sie nur, wo man mit glühendem Herzen, mit innigem Vertrauen, mit hoffender Einfalt zu den geweihten Bildern emporblickt. Wer sie sich erst erklärt, und sie etwa unter gewissen Bedingungen annimmt, wer nicht das Bedürfniß, das innigste, fühlt, sie als Fürbitter zwischen sich und die unbekannte, unerkennbare, schauerlich göttliche Allmacht zu stellen, ja wer nicht ohne Deuteln Alles glaubt, wie es die Kirche vorsorglich für seinen Kindersinn geordnet und aufgestellt hat, der bleibe doch weg von den Gebräuchen, die nur herzerhebend für den ächten Katholicken sind, als ein bloßes poetisches Spiel aber wenig taugen, und den protestantischen Sinn nur veranlassen, sich selbst mit der sündhaftesten Affectation die Spornen zu geben.

      Ihr regt da einen Gedanken in mir an, sagte Alwin, den ich schon früher gefaßt habe, ohne ihn noch Jemanden mitzutheilen. Das Leben der Heiligen, ob ich es gleich nur zuerst in den seltsamsten Verunstaltungen kennen lernte, zog mich von je her auf das lebhafteste an, Protestanten mußten die Werkzeuge werden, mir Winke über dessen eigentlichen Charakter zu geben, und seit ich hier aus den Quellen schöpfe, bleibt mir fast kein Zweifel übrig. daß ich eigentlich nach meiner ganzen, innersten Existenz in den Schooß der katholischen Kirche gehöre, und nur durch äußere Umstände davon entfremdet worden bin. Ich denke wiederzukehren in das Reich der heiligen Gestaltungen, und das leere Feld voll dürrer, abstracter Begriffe dem zu überlassen, der es einmal am liebsten mit a plus b zu schaffen hat.

      Ich glaube selbst, daß Ihr darin auf dem rechten Wege seid, erwiederte Florismarte: nur werdet Ihr vielen Widerspruch erfahren, den ernstlichsten vielleicht von Euerm Meister Raimund, der ein ganz trefflicher Mund des Reimes ist, aber über manche Gegenstände lieber reinen Mund halten sollte.

      Ich bitte Euch, in meiner Gegenwart nichts gegen ihn zu sprechen, sagte Alwin unwillig.

      Seht Ihr's nun, rief Florismarte aus. Da zeigt sich's, wie Ihr die Wahrheit verlangt, und wie die mehrsten Leute sie verlangen: so wahr, als sie nur immer sein mag, versteht sich, wenn sie dies und jenes hübsch in Ehren hält, als da sind, Verwandte, Bekannte, samt all' unserm Hausgesind, und dergleichen. Tastet sie aber irgend etwas davon an, so hohle der Teufel die Wahrheit! O wann werden wir aus dem häßlichen, verworrnen Traume erwachen, worin uns alle die erbärmlichen Anhängsel dieser Zeitlichkeit gefangen halten. Wir spielen mit Worten recht kühne Possen, und erschrecken, sobald nur Eins von ihnen seine halbe Bedeutung gewinnen will. Deswegen hält es Keiner bei dem Germanischen Weisen, zu dem Raimund gewallfahrtet war, lange aus. Der ist nicht mit dem Schwatzen zufrieden, er will das Sein, er will den Tod für das heilige Wort, wenn's sein muß, und da werden sie's denn im Augenblick überdrüssig, ziehen ab, und prahlen, sobald sie weit genug vom Schuß sind, mit der Salomonischen Weisheit, die man dort erlerne. Ich will, ich muß noch einmal zu ihm, ich traue mir Kühnheit und Stärke genug zu, ihm in's Angesicht zu schauen, und von ihm zu erfahren, wie man die Geister der Natur bannt, ihre Stürme zu Boten braucht, ihre Hölen zu Schatzkammern.

      Das haben wohl Alle von sich gedacht, antwortete Alwin, welche die Reise dahin unternahmen.

      Meint Ihr? rief Florismarte mit einem seltsamen Gelächter, das in den Bergen wiederhallte. Man muß freilich mehr dazu haben, als so den bloßen hoffnungsvollen Glauben an sich selbst. Blicke muß man an die Abgründe alles Lebens werfen können, seinen eignen Muth als geprüften Gesellen mit sich führen, und nicht mehr den eignen Sinn mit hergebrachten Kunststückchen betrügen.