Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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Raimund, und sind, wenn man es recht bei Euerm Lichte besieht, gar nicht einmal da.

      Das würde eine sehr weitläuftige Untersuchung fordern, erwiederte Florismarte. Was aber unsern Wohnplatz betrifft, so kann ich Euch nicht ganz Unrecht geben. Er schwebt so in der Mitte, daß er beinah für Null gelten mag. Den Norden haben wir schon als fremd anerkannt, und nun fragt Euch selbst, wie es mit dem Süden steht. Nach Indien hinüber, nach der Barbarei sogar schweben Eure glühendsten Lieder, die Spanier selbst fühlen, daß sie durchaus nicht im rechten Sonnenlande daheim sind, denn ihre Gedichte haben es gar zu gern mit Asien und Afrika zu thun. Was den letztern Welttheil betrifft, so streift alle Europäische Poesie freilich nur an seinen Gränzen herum, aus Furcht, sich die Flügel in der wahrhaften innern Mittagsglut zu verbrennen. Aber wer das rechte Herz hat, den Süden zu lieben, der thu' es dort, auf den heißen Ebnen, wo die Sonne Monarchin ist, ohne alle jämmerliche Illusion, ihre Macht, ihren siegenden Glanz unmittelbar zeigt, und den starken Sinn aufzusuchen scheint, der ihr ungeblendet in's Strahlenauge blicken kann. Wie es sich da lebt, Ihr Kinder, wie es sich da liebt, das kann nur der ermessen, der wie ich auf meiner letzten Wanderung dort umhergezogen ist, unter den Mysterien freundlichliebender Gewalten; – Kinder, ich bin fast umgekommen dort vor Hunger, Durst, Ungeziefer, habe keinen vernünftigen Menschen gesehn, höchstens dürre, häßliche Creaturen, und danke allen Heiligen, daß ich wieder hier bin. Um Gotteswillen, Ihr hübschen Frauen, schenkt mir ein, denn ich bin bei der bloßen Erinnerung beinah verschmachtet.

      Damit war der Streit abgebrochen, denn Alle lachten über den tollen Schluß dieser Rede, und Raimund sagte: er ist für mich ein wahres Uebel aus der Zauberwelt, ein neckender Zwerg, der einen zum Kampf reizt, und verschwindet, wenn man eben die Waffen heben will, so daß der noch von Glück sagen kann, der bei dem verrückten Spaß ohne Fallen abkommt.

       Inhaltsverzeichnis

      Vor vielen andern Liedern und Geschichten fand Alwin seine Freude an der vom tapfern Roland, und von seinem endlichen Erliegen im Thale Ronceval, wie alle die Genossen seines Ruhmes um ihn her stehn, Einer nach dem Andern zum Himmel auffliegend aus dem Märtyrertode, wie Funken aus einem gewaltigen Feuer, bis die größte Seele sich zuletzt den Gefährten fast freiwillig nachschwingt. und die Brandstätte vom nächsten ruhigen Tage beleuchtet wird in der Erzählung der nachherigen Begebenheiten. Er hatte Romanzen darauf gemacht, die er sehr gern sang, und öfters im Thale Ronceval selbst, welches nicht sehr entfernt von seinem jetzigen Wohnort lag. Die jungen Leute dort hatten ihn lieb gewonnen, und versammelten sich gern um ihn, auch kamen wohl einige Alte dazu, die ihm treuherzig die Hand schüttelten, noch wackrer und inniger, wenn sie irgendwo Feldzügen beigewohnt hatten, denn solche fanden ihre besondre Lust an dem soldatischen Geist in Alwins Liedern.

      Eines Tages hatte er auch von Rolands Fall gesungen. Aufmerksame Hörer standen und saßen am Fuße des Felsenstücks, welches er sich zum Standpunkte erwählt hatte, und eben war die Schlußromanze geendigt, die durchaus auf den ehrwürdigen Namen Ronceval gereimt war, und mit demselben verklang, da brach wie ein lächerliches Echo eine Stimme hervor: Fatal! Oval! Egal! Fanal! Formal! Ich wollte einen ganzen Tag lang so fortreimen. Alwin blickte erstaunt nach dem Rufenden, viele Gesichter wandten sich unwillig nach derselben Gegend, und man entdeckte ein drolliges Männchen, das vor Eifer kirschbraun aussah, und da es sich bemerkt fand, noch lauter schrie: Ihr seid mir ein Scandal! Eure Verse sind illegal! Macht sie nach dem einziggültigen, kritischen Lineal! Alwin hatte sich im ersten Augenblick über die Stöhrung geärgert, aber nun reizte ihn der disharmonische Lärmen zum Lachen, und er sagte: Wenn Ihr mich parodiren wollt, so lernt doch erst das Metrum kennen, worin ich dichtete. Ihr macht ja sonst Euern eignen Spaß zu Schande. Was Metrum! rief sein Gegner. Was ich sage, reimt sich doch Alles auf Al. Ich selbst heiße Doctor Aal – Ihr seid aber für einen Aal ein bischen unbehülflich, sagte Alwin. Darüber lachten einige, und der Kritiker ward so böse, daß er aus seiner Parodie herausfiel, die ihn ohnehin schon sehr gezwängt hatte, und ohne alle Rücksicht auf Gereimtes oder Ungereimtes schrie, er sei ein sehr großer Gelehrter, und verstehe von der Poesie mehr als sie alle zusammen genommen. Wir haben doch kein einziges Lied von Euch gehört, erinnerte ein junger Mann aus der Gesellschaft.

      Als ob das nöthig wär', fuhr der Kritiker auf. Ich weiß mich selbst nicht darauf zu besinnen, ob ich jemals Verse gemacht habe oder nicht, aber ich bin ein berühmter Abschreiber alter Manuscripte aus den Zeiten des alleinigen guten Geschmacks. Noch vor Kurzem habe ich ein Paar davon auf ganz neues Pergament übergetragen, und weil darin kein Wort von gereimten Liedern vorkommt, am wenigsten von solchen, wo ein einziger Reim am Ruder stehn soll, ist die ganze Dichtart schlecht und nicht zu toleriren.

      Ihr seid langweilig, sagten Viele. Schweigt doch still, und laßt den jungen Mann seine Romanzen singen, an denen wir unsre Freude haben.

      Ihr werdet noch Alle zum schlechten Geschmack übergehn, rief er aus, und in die Schlingen der Zauberer aus dem Klostergebäude fallen, und dann werd' ich mich Eurer keinesweges erbarmen. Damit ging er brummend fort.

      Was meinte er denn mit seinen Zauberern? fragte Alwin; es wollte ihm aber Niemand bestimmte Antwort geben, vielmehr baten sie ihn um noch einige Lieder, damit man jenes Geklappers vergäße, und Alwin sang ihnen Romanzen aus der alten Dänenzeit, davon er die Geschichte in einem seiner Bücher gefunden hatte.

      Bei seiner Rückkehr befragte er Raimunden, was doch wohl das Schelten des Kritikers auf ihre ganze Gesellschaft heißen solle. Sie bürden uns allerhand tolles Zeug auf, antwortete der Dichter, weil sie unser Thun gar nicht begreifen können, und darunter gehört auch die Beschuldigung, wir trieben hier die schwarze Kunst. Leider glauben viele gute Geschöpfe daran, und an noch ärgern Aberwitz. Du mußt nur nicht zu oft drauf hören. Manchmal ist es recht gut, sich damit zu ergötzen, aber wenn man sich auf's Antworten einlassen wollte, käme zuletzt ein Hetzkampf für den Pöbel zu Stande, wobei doch auch der edle Streiter nur eine beklagenswerthe Rolle spielt. Dieser Doctor Aal und seines Gleichen gehören noch nicht zu den Schlimmsten, aber sie haben sich dermaßen in ihre Antike hinein gepreßt, daß sie gar nicht mehr von Gipsabgüssen zu unterscheiden sind, und es ihnen unerhört vorkommt, wenn Einer mit andern Schritten durch sie hingeht, als sie es von ihrem Aufseher gewohnt sind. Und will man vollends in ihrer Nähe eine Gestalt aufstellen, mit einer andern Frisur, als die des Apoll von Belvedere, so regt sich das Bischen Leben in ihnen wie zum Vertilgungskrieg auf.

      Also haben wir Feinde? fragte Alwin.

      Welche gute Sache hätte sie nicht! antwortete Raimund. Und je kräftiger, je wilder bisweilen, je besser. Das regt aus dem Schlummer auf, darein sich der Mensch so leicht verliert, und die bedrängte Kraft tritt zur eigenthümlichen und sichern Form zusammen.

       Inhaltsverzeichnis

      In einer schönen mondhellen Nacht saß Alwin auf dem Gipfel eines Hügels, nicht allzu entfernt von dem Kloster, und hing seinen Wünschen nach und seiner Trauer; da erhob sich, ihm gegenüber, auf einer andern sanften Anhöhe, Raimunds Gestalt, der eben mit einer leichtverschleierten Dame hinanstieg. Raimund bemerkte seinen Freund, und sang zu ihm hinüber:

      Du, einsam auf dem Hügel,

       Verschwiegner Nacht Gefährt, sangreicher Waller,

       Wie hältst die Lieder streng Du in Verwahrung,

       Die zum Ergötzen Aller

       Ausflögen gern auf angebornem Flügel,

       Der tiefsten Lieb' und Sehnsucht Offenbarung.

       Nicht ziemt uns Dichtern ängstliche Bewahrung

       Der Schätze, die uns Gottes Huld gespendet;

       Fortströmen sollen wir, wir heil'ge Bronnen,

       Bewußt, daß unsrer Wonnen

       Himmlische Freudengabe wen'ger ahndet,

       Je reicher wir vertheilen.