Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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gar nicht verstehn wolle. Florismarte rief daher dem Lustigmacher zu:

      Willst Du human sein! Willst Du oder nicht?

       Bei allen Göttern! Weshalb leben wir,

       Als um bei andern Leuten was zu gelten?

       Und Du mit Deinen Possenreisserein

       Thust wie ein ungezogner Renomist,

       Der auf die Renomée durchaus nichts giebt!

       Ich rath Dir's! Leg' Dich auf Humanität.

      Dabei schnitt er so lustig drohende Gesichter, daß Alle Mühe hatten, ihr Lachen zu verbeissen, und Reisling dreist genug ward, sich über die Sitte herauszulassen, vermöge welcher man Hofnarren hielte, und den Vicomte förmlich tadelte, daß er solcherlei Unwesen an seinem aufgeklärten Hofe dulde. Florismarte erwiederte:

      Ihr sprecht ein gar verständig Wort, mein Herr,

       Ein Wort so neu, als wahr. O, böse Sitte,

       Die irgend Spaß an Höfen gelten läßt.

       Sogar auf Höfen taugt er nicht. Es geht

       Ohn' ihn die Wirthschaft und Ausgeberei,

       Vor allen die Einnehmerei viel besser.

       Und zu Einnehmern sind wir angestellt!

       Einnehmen soll man ja das ganze Leben

       Wie eine Medizin, die schlecht zwar schmeckt,

       Doch die man um so leichter von sich giebt,

       Wenn's zum Vomiren kommt, wie's kommen muß,

       Davon jedweder Kirchhof zeugen kann.

       Und wir, wir zuckern's uns mit solchem Spaß.

       Fürwahr, 's ist höchst verächtlich,

      und ich möchte, von Eurer Gegenwart ergriffen, eine Abhandlung in Prosa darüber halten, denn auch die Verse sind eine Narrentheidung, die ein toleranter. Mensch nur mühsam an seinem Mitbruder dulden kann.

      Reisling stand nun auf dem Gipfel der Sicherheit und des Stolzes. Er kam sich vor wie ein bestallter Correcktor des ganzen Hauses, und tadelte frisch durch, bald diese Aeusserung, bald jene Gebärde, alles aber mit einer Weise, die er für gütig ausgab, und für höchst herablassend.

      Als endlich Jemand aus der Gesellschaft ein hübsches Mährchen erzählte, nahm er es über sich, der Geisterwelt, und überhaupt Allem, was ihm unbegreiflich schien, das Garaus zu machen. Daß er selbst nie etwas Geisterähnliches verspürt habe, sagte er, sei noch sein schlechtestes Argument, und doch schon ein entscheidendes. Das Sicherste aber liege darin, daß alle Glieder in der Schöpfung doch nützlich seien, ohne daß irgend wer ausmitteln könne, wozu man denn eigentlich die Geisterwelt brauchen solle. Ueberhaupt gehöre es zur rechten Cultur, den Ungläubigen zu machen, und an Allem zu zweifeln, was uns nicht gradezu in die Hände falle, es sei denn, daß es schon in den früher angenommnen Lehrbüchern befindlich sei.

      Der Redner war dabei in eine Art von Begeistrung übergegangen, in die der Rechthaberei nähmlich, als die einzige ihm bekannte, so daß er gar nicht auf Florismarte's seltsame Geberden Acht gab, noch auf dessen wunderliche Zeichnungen, die er mit gezognem Dolch durch die Lüfte schrieb. Ja, er bemerkte es nicht einmal, der sprechende Reisling, daß hinter seinem eignen Stuhl ein riesengroßer Mohr stand, den die übrige Gesellschaft mit schauriger Bewundrung anstarrte. Als endlich Reisling seine dürren Sprachwerkzeugen durch einen Trunk erfrischen wollte, beugte sich der Mohr über ihn, so daß aus dem Becher heraus das gräßliche lachende Antlitz wieder schien. Indem nun der Trinkende zitternd in die Höhe fuhr, schrie ihm die Gestalt in's Ohr: ich bin der Teufel und in Dir selbst zu Hause, weshalb man Dich auch einen dummen Teufel heißt. Mit drei Sätzen war der aufgeklärte Reisling aus dem Zimmer, die Treppe hinunter, zum Hofe hinaus; der Mohr verschwand, und Florismarte lachte.

      Das war wieder Eins von Euern ungezognen Kunststücken, sagte Raimund zu ihm, und das uns für jetzt den ganzen Spaß verdirbt. Einmal war der Narr in unsre Gesellschaft hineingerathen, und machte nun schon einen Pfeiler des lustigen Gebäudes aus. Ihr scheucht ihn weg, und das ganze Spiel fällt zusammen.

      Das ist wahr, antwortete Florismarte, aber die rechte Freude war ohnehin schon vorbei. Wir hatten an dem fatalen Kerl einen Zuschauer gewonnen, so daß wir nun eigentlich nicht mehr für uns spielten, sondern für den Effeckt, den wir aus ihn machten. Wir müssen nächstens wieder etwas ähnliches von vorn anfangen.

      Ihr werdet uns noch mit Euren Gaukeleien die Feindschaft der ganzen Gegend auf den Hals ziehn, sagte seine Nachbarinn. Wer weiß, ob das nicht einmal in öffentlichen Angriff ausbricht. Den Ruf von Teufelsbannern haben wir schon.

      Ja, rief Florismarte, eben weil wir's machen wie der Mohr, und die dummen Teufel bannen. Drum haben sie Respeckt vor uns, und Ihr braucht Euch nicht zu fürchten.

      Nun vorbei Du lustig Wesen

       Bist zu anderm Spiel erlesen!

       Wird nun aus der bunten Schaar

       Jeder, was er vormals war.

      Damit blies er auf seinem Waldhorn ein Abschiedsstückchen, und Alle gingen zur Ruhe in ihre Gemächer.

       Inhaltsverzeichnis

      Alwin hätte sehr gern noch zu Mathilden ein herzliches Wort über den Brief gesprochen, den er von Beatrix bei sich trug, aber es ging nicht an. Die schöne Frau schwebte in Glanz und Heiterkeit an ihm vorüber, sie warf ihm noch einen freundlichen Blick zu, und er gewann um so weniger den Muth, sein wehmüthiges Gefühl vor diesen Strahlen zu entfalten. Wie eine trübe Herbstwolke schwand er vorüber, und setzte sich in sein stilles Gemach hin, von der heissesten Sehnsucht nach dem Schmerz, nach dem tiefsten, zerreissendsten, erfüllt. Lange hielt er den Brief in seiner Hand, und betrachtete die Schriftzüge, die ihn so oft zu freudiger Erwartung bewegt hatten, und nun legte er trüben, erloschnen Auges das Blatt auseinander, um folgende Worte zu lesen:

      Mein lieber, lieber Alwin,

      Leide es nur immer, daß ich Dich noch einmal und zum letztenmale so nenne. Ich habe Dir einen so kalten Abschiedsbrief schreiben müssen, weil ihn die Eltern vorher zu lesen kriegten, und das that mir im Herzen weh, recht wie es in den Liebesliedern gesagt ist, die ich nun erst leider verstehe. Was ich Dir eigentlich schreiben soll, weiß ich nicht, aber schreiben will ich, schreiben, so lange die verstohlnen Minuten währen, und dabei weinen, recht aus Seelengrunde, daß ich meinen Kummer und mich selbst ganz fortzugiessen gedenke. Ich weiß wohl, das geht nicht, aber man bildet sich's doch halb und halb ein, und fühlt sich beinah getröstet dadurch.

      O du lieber, unartiger Alwin, wie lieb ich Dich noch immer habe! Dein Bild haben sie mir nicht nehmen können. Ich halte es verborgen in einem Blumentopf, wo ich Vergißmeinnicht drinnen ziehe. Du bist so viel klüger als ich, und lachst vielleicht über mein albernes Tändeln, aber es geht mir von Herzen, lieber Alwin, und sollte doch drum auch Dir wieder zu Herzen gehn.

      Mache Dir aber keine Vorwürfe darüber, daß Du etwa mein Glück zerstört hättest. Sie haben mich schon wieder verlobt mit einem recht hübschen, freundlichen Manne, mit Friedebert, den Du kennst, und der von einer frühern Gemüthskrankheit gänzlich wieder hergestellt ist. Du warst daran Schuld, ungestümer Fechter! Aber für mich hast Du ihm ja den Hieb nicht gegeben. In acht Wochen soll die Trauung sein, aber nicht in den Zimmern, wo ich Dir verlobt ward; nein wahrhaftig nicht, lieber Alwin; glaube das um Gotteswillen nicht!

      Friedebert hat uns ein sehr hübsches Haus eingerichtet – den Blumentopf nehme ich mit.

      Ich will es Dir nur gestehn: meine Mutter weiß, daß ich Dir schreibe. Sie sah mich so sehr Weinen, und erlaubte es mir endlich, versprach auch, meinen Brief nicht zu lesen, wenn es gewiß der letzte sei. Das habe ich ihr denn heilig beschworen, und muß es nun auch halten. Aber was sie mir einreden wollte mit mancherlei klugen Gründen, die ich vergessen habe: ich solle Dir viel schreiben von meinem Glück, und von Friedeberts