Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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bist nun wohl recht glücklich. Ein solches Dichterleben, wie sie sagen, daß Du führst, wünschtest Du Dir ja immer, und auch die schöne Mathilde ist Dein. O, wie sie Dich lieben muß! Denn sie versteht noch viel besser Deine ganze Herrlichkeit, als ich armes Ding es jemals im Stande war. Und dann schränkten mich die Eltern so ein. Ihr hängt nun wohl tagelang Einer an des Andern Blicken.

      Antworte mir nicht. Ich habe gar zu heilig versprochen, keinen Brief mehr von Dir anzunehmen, und Dich auch nie mehr zu sehn. Sonst dachte ich, wir könnten einander wohl doch einmal in Friede und Freundschaft antreffen; aber ich merke nun schon, es wird nicht angehn, und ich werde nicht in Deine blaue Augen schauen, aber desto öfter auf meine Vergißmeinnicht.

      Weißt Du noch den Kirschgarten vor Braunschweig, wohin wir so oft spatziren gingen? Der blüht jetzt wieder recht herrlich, und es sind Gänge von Weinreben drin angebracht, und Rasenbanken, wo man recht vertraulich neben einander sitzen kann. Ach, da war es immer so hübsch!

      Lebe doch recht, recht wohl, mein lieber Alwin. Ich habe nun gar nicht das Herz mich zu unterschreiben. Ich weiß ja nicht mehr wie ich mich vor Dir nennen soll. Aber doch – ich kann ja sagen, ich werde es vor Gott noch sagen, daß ich mit ganzem, mit recht getreuem Herzen gewesen bin

       Deine

      Beatrix.

      Alwin hatte mit überströmenden Augen gelesen, und las immer wieder, und weinte immer heftiger. Er empfand den Genuß, welchen Beatrix in ihrem Briefe schilderte, den Genuß am eignen, in Thränen überströmenden Jammer, dies Mitleid mit sich selbst; So verbrachte er die Nacht, und manchmal kam es ihm vor, als träte seine Mutter an's Bett wie sonst, da er noch ein krankes Kind war, und sie tröstend zu ihm sagte: gedulde Dich nur mein armer Knabe; je weher Dir's thut, je ehr wirst Du besser.

      Als ihn am andern Morgen Florismarte begegnete, schaute der ihm keck in's verweinte Gesicht, und rief: Ihr seid unausstehlich sentimental. Auf die Weise könnt Ihr nimmermehr zu etwas Rechtem gelangen.

       Inhaltsverzeichnis

      Es kam bald darauf eine Nacht, in welcher Alwin einen sonderbaren Traum hatte, oder vielleicht war es auch kein Traum. Er selbst konnte nie darüber zur Gewißheit gelangen.

      Ihm war zu Muthe, als regte sich in ihm, wie er in seinem Bette lag, eine geheimnißvolle Kraft, die ihn auftrieb durch das dunkle Gemach, die langen Gänge, den mondbeschienenen Hof, immer fort nach dem Gebirge zu. Ich bin wohl ein Nachtwandler, sagte er ein Paarmaal zu sich selbst, aber dann meinte er wieder, es komme ihm nur Alles so vor, und er werde sich beim Erwachen schon zurecht finden. Das Steigen in den Bergen ward ihm schwer, und doch konnte er nicht inne halten, denn vor ihm hin ging's wie sein eigner Schatten, dem er folgen sollte. Ja, zuweilen überfiel ihn eine ängstliche Eile, und er mußte ganz laut sagen: mach', daß wir zur Stelle kommen; es wird gleich Mitternacht sein. Und doch wußte er nicht wohin es eigentlich ging, noch zu welchem Ziel.

      Endlich trat er in den hohen Dom, worin am Tage nach seiner Ankunft das Wallfahrtsfest gewesen war. Es kam ihm Alles noch unendlich größer und gigantischer vor: wie zu einem eignen Universum ausgedehnt, die Quadern wie eben so viel Felsen, und doch wankten sie bisweilen vor unverständlichen Worten, die aus einer Todtengruft heraufklangen. Dahin mußte Alwin, und als er die Stufen hinunter kam, sah' er Florismarte vor einer kleinen, wunderlich gestalteten Flamme sitzen, neben ihm eine häßliche Alte, die er sich schon als Zigeunerin im Klosterbau gesehn zu haben erinnerte. Weiter hinunter war Alles dunkel, aber es huschten Gestalten dort umher, und trieben ein unheimliches Spiel.

      Buntes Vögelchen! Mätzchen! Kommst Du? sagte Florismarte, und lachte. Alwin mußte still vor ihm stehn bleiben, und mit innerm Entsetzen zusehn, wie Florismarte einen Dolch an weißgebleichten Knochen wetzte, ohne weiter im geringsten auf ihn Acht zu geben.

      Bald darauf schwankte Mathilde die Stufen hinunter, mit halbgeschloßnen Augen; es war, als ginge auch vor ihr ein Schatten her. Sie stellte sich vor Florismarte, der sie mit brennenden Augen ansah, während die Alte auf eine wunderliche Manier zu tanzen begann, und einen Becher herbeibrachte, von dem Alwin mit einemmale zu wissen meinte, daß neun Tropfen seines Herzblutes hinein müßten. Die Alte nahm von Florismarte den Kelch, und entblößte Alwin's Brust, dann näherte sie sich Mathilden, prallte aber furchtsam zurück. Nur dreist, sagte Florismarte. sie macht sich nichts mehr aus ihm. Die Alte gab nun Mathilden den Becher in die linke Hand, den Dolch in die rechte: zu gleicher Zeit regte es sich im dunkelsten Theile des Gewölbes noch stärker, zwei unförmliche Schatten schossen herbei, und legten sich an Mathildens Ohren, in welche sie mit einem häßlich schwirrenden Laut hinein zu sprechen schienen. Mathilde glühte von innerm Feuer, ihre Augen schlossen sich auf, aber furchtbar und starr, sie schwang endlich den Dolch mit rasender Gebärde, und schritt auf den festgebannten Alwin zu. Florismarte sah gleichgültig hin. Weiche nur, wenn Du kannst; es gilt Dein Leben. Aber Alwin fühlte sich viel anders bewegt. Er empfand die heißeste Sehnsucht, von Mathildens Hand zu sterben, seine dumpfen Bande schienen sich zu lösen, er riß das Kleid noch weiter von seiner Brust, und neigte sich gegen die Dolchspitze vor. Plötzlich ließ Mathilde das Gewehr fallen, ihre Augen schlossen sich wieder, nur daß reiche Thränen aus den Wimpern hervorströmten. Sie lehnte sich an Alwins Brust, und streichelte seine Wangen. Die Alte stritt unterdeß heimlich mit Florismarte, der den Dolch wieder aufnahm, und ihn gewaltsam in Mathilden's Hand zu drücken strebte. Laßt doch, in's Teufelsnamen, sagte die Alte; sie wachen uns sonst noch Beide auf. Es ist nun einmal für jetzt nichts zu machen. Miserables Volk! fuhr Florismarte auf und stampfte den Boden. Sie sind auch zu gar nichts nutz. Schaff' sie fort.

      Die Alte tanzte den vorigen Tanz wieder zurück, und Alwin fühlte sich getrieben, wie vorhin gezogen. Mathilde auch erhob sich von seiner Brust, und ging hinauf, alsdann durch eine andere Thür der Kirche, während er selbst draußen in's schroffe Gebirge kam, und von Klippe zu Klippe taumelte, wobei er Florismarte's ergrimmtes Hohngelächter oftmals dicht neben sich vernahm. Endlich war's, als ginge er über den Hof des Klosterbaues, als krähten die Hähne, als schleuderte ihn eine unsichtbare Gewalt auf sein Lager. Beim Erwachen glaubte er Florismarte's Stimme ganz deutlich sagen zu hören: er hat geträumt, und damit ist Alles vorbei.

      Als er sich recht besonnen hatte, graute so eben die Dämmerung; seine Locken waren vom nächtlichen Thaue schwer und feucht.

       Inhaltsverzeichnis

      Die Erinnerung dieses Traumes schien sich wie ein drohender Nebel über die ganze Gesellschaft zu senken. An Mathilden konnte man eine heimliche Scheu nicht verkennen, die sich auch Raimunden mittheilte, und von diesen Punkten aus keinen Einzigen der Gefährten verschont ließ, Florismarte ausgenommen. Dieser führte mit der gewohnten Kraft und Lustigkeit seine Lebensweise fort, nur daß er sich weniger mit Mathilden abgab, seit diese immer in seiner Gegenwart bang' und verlegen erschien. Sie erklärte endlich, daß sie gesonnen sei, auf einige Zeit nach Deutschland zu reisen, um ihr Vermögen so zu ordnen, daß sie beständig in dem Cirkel der Künstler fortleben könne. Ich will mit, liebe Mathilde, sagte Alwin in seiner Unbefangenheit, um die ihn selbst jene nächtliche Schauer nicht hatten betrügen können. Aber er bekam eine abschlägige Antwort. Die Reise, hieß es, daure ja nur kurze Zeit, und Raimund solle Mathilden begleiten.

      Du willst mich also nicht gern bei Dir haben? fragte Alwin.

      Mißverstehe mich doch nicht, erwiederte Mathilde, aber mich dünkt, es mögte für uns Beide schlimm werden, im Fall wir noch einmal träumen sollten.

      Alwin sah sie verwundert an.

      Was Du für ein gutmüthiges Kind bist, fuhr sie fort. Du sollst mir nachkommen, auf meinen Gütern feiern wir unsre Hochzeit. Aber still; schon diese Worte waren vielleicht zu viel. Die einen durch Thal und Wald in Grabgewölbe locken, könnten auch wohl in meinem verschloßnen Zimmer lauschen. Nur das noch: es taugt zu meiner Sicherheit,