Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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welchen er sie eine lange Strecke hindurch fortführte. Die Nacht war völlig hereingebrochen, als sie am Fuß eines Hügels ankamen, hinter dem es wie eine Gluth hervordrang. Florismarte schritt munter hinan, eine laute Musik von Trompeten, Hoboen und Hörnern scholl herüber. Lustig nur, sagte der Führer. Wir sind am Ziele.

      Oben fielen der Gesellschaft so viele Lichter in's Auge und so verworren, daß Anfangs niemand recht sicher wußte, was er eigentlich sehe. Endlich aber ließ es sich unterscheiden, daß gegenüber ein hoher, sehr steiler Berg lag, mit kleinen Flammen wie besät. Nachdem man, von dem überraschenden Schauspiele zurückschauend, näher um sich zu blicken Zeit gewann, zeigten sich dicht vor der Gesellschaft viele Rasentische, bequeme Sitze daneben, Alle im Halbzirkel geordnet, und auf's zierlichste mit Wein und Speisen besetzt, jedoch nur schwach erhellt, so daß man einander kaum wahrnahm, und beständig unwillkührlich von der großen Erleuchtung gegenüber angezogen ward.

      Man ließ sich schweigend oder leise flüsternd nieder. Die ungesehne Musik aus dem Thale klang in gehaltnen, vorbereitenden Tönen, bis die Flammen des Berges anfingen, höher aufzusprudeln, wie Springbrunnen empor zu wirbeln, und wieder funkenweis in sich zurückzufallen, wobei auch die Klänge künstlich wirbelten, und sich Saiteninstrumente in gewählten und kecken Gängen vernehmbar machten. Die Flammen stiegen höher, breiter, fielen nicht mehr als Funken auseinander, sondern bildeten sich wie feste Säulen, und schlangen ihre Arme in unermeßlicher Höhe zusammen, einen gewaltigen gothischen Feuerdom bildend, dessen Bogen in jedem Augenblick wechselten, und doch immer ein eigenes Gebäude ausmachten. Die Musik drang ihnen aus dem Thal in Chorälen nach. Plötzlich hörte man Florismarte rufen: Genug! Hinab! Seine Stimme hallte wild von den Klippen zurück. Die Säulen rauschten in zahllosen Feuergarben empor, prallten feindseelig gegen einander, kreuzten sich mit ihren wunderlichen Schwingungen, so daß Alles in eine ungeheure, blendende Flamme zusammenflog. Aus dem Thale schmetterten Pauken und Trompeten im taktlosen, betäubenden Gewirr zusammen. Und mit Eins war die Gluth erloschen, still die Musik, durchaus schwarz und schweigend die Nacht, denn auch die schwache Erleuchtung des Mahles verlosch. Man wollte fragen, aufstehn, Zungen und Glieder waren wie gelähmt, denn kalter Flügelhauch wehte an Aller Wangen vorbei, schauerliches Geflüster tönte in Aller Ohren. Die ihre Augen nicht schlossen, gewahrten dicht neben sich bleiche Gestalten, herumgaukelnde Schatten. Da lachte Florismarte laut auf, und sagte: laßt's Euch als Nachspiel gefallen. Gott der Herr sogar kann Euerm Leben kein Beßres schaffen. Das Grausen vermehrte sich durch diese Worte, aber er blies die schmeichelndsten Töne aus dem silbernen Waldhorn, es war als blickten Sterne durch die Nacht, Alle Blicke wandten sich nach oben, – da standen ringsumher Bediente mit Fackeln auf, die so lange dicht um sie her versteckt gelegen hatten, das Gleiche geschah vor ihnen am Abhang des Berges, und es zeigte sich daß sie neben einem Fahrwege saßen, dem einzigen zum Kloster führenden, welches ganz nahe bei ihnen lag. Ihr wart nur im Kreise herumspaziert, sagte Florismarte. Die Musik spielte einen allgemein bekannten Tanz, und man ging wie schon im halben Traum nach Hause.

       Inhaltsverzeichnis

      Am folgenden Morgen ward Alwin durch einen Chorgesang erweckt, der vor seinen Fenstern heraufscholl. Er konnte sich Anfangs noch nicht recht ermuntern, sondern verflocht die Töne in die Gebilde seines Schlafs. Es war ihm, als wäre er noch ein Kind, und ginge mit seinen Eltern bei sehr schönem Frühlingswetter den Fußsteig aus der Burg nach dem Dorfe hinab, um die Kirche zu besuchen. Sie eilten sich, damit sie noch vor Beginn der Predigt kämen, und die gottesfürchtige Melodie zog ihnen einladend durch die blaue Luft entgegen. Eben wich der Schlummer, als der Träumende in die Kirche zu treten meinte, und er sah erstaunt in dem fremden Zimmer umher. Die Musik währte noch immer fort, und ans Fenster eilend, gewahrte er den Hof des Klostergebäudes voll von geschmückten Landleuten und wehenden Fahnen.

      Er sann noch darüber nach, was dies eigentlich bedeute, und wie er Gestern hier hereingekommen sei, als Raimund in das Zimmer trat, und ihm zurief: nun, Langsschläfer? Hast du das Heutige Fest verträumt?

      Was denn für ein Fest? Was denn verträumt? fragte Alwin sehr unsicher und langsam, während die Begebenheiten des gestrigen Tages nach und nach vor seinem Geiste wieder heraufstiegen.

      Du bist noch ganz irr, sagte Raimund, und es ist am Ende nicht zu verwundern. Florismarte's tolles Feuerwerk hat uns Allen nicht viel besser mitgespielt, und darüber ist es auch wohl vergessen worden, Die zu sagen, daß wir Heut einen großen Kirchengang halten, wobei auch die Bewohner der umliegenden Gegend von den fernsten Punkten her zusammenströmen.

      Einen Kirchgang? fragte Alwin von Neuem, immer noch mehr in seinem Traume zu Haus, als in der Welt.

      Erschrick nur nicht, erwiederte Raimund lachend. Du wärst im Stande, Dir eine norddeutsche, protestantische Kirchengemeine vorzustellen, und vor der gewohnten Langeweile gleich wieder einzuschlafen. Nein, nein lieber Freund. Es ist auf ganz etwas Andres abgesehn. Hier lernt man erst den rechten Gottesdienst, die rechte himmlische Feier kennen. Du sollst es schon gewahr werden, und zum heitern Verständniß erwachen. Damit zog er ihn mit sich fort, sie traten in den Zug, der eben unter erneuten Gesängen aufbrach, und in begeisternder Festlichkeit vorwärts schritt. Von den Höhen, aus den Thälern durch die Wälder, zeigten sich auf allen Seiten ähnliche Prozessionen; die Gegend war wie von wandelnden Blumengewinden geschmückt, in der Mitte prangte auf einem anmuthigen Hügel ein Münster, als allgemeine Zier. Jemehr man sich ihm näherte, je herrlicher stieg es empor. Alwin mußte unwillkürlich an den gestrigen Feuerdom zurückdenken, der hier verdichtet schien, zu ungeheuern Massen von Quadersteinen. Aber als er nun erst eintrat in die vielverschlungenen Hallen, von deren Bogen herab die schwebenden Ampeln ihm entgegen leuchteten, prächtige Teppiche, schöne Gemälde von den Wänden glänzten, und der ganze Bau von einer wimmelnden Menschenmasse erfüllt, die sich unter den hohen Säulen zusammendrängte, Aller Augen nach dem Hochaltar gerichtet, dem hellerleuchteten Ziel der Kreuzgänge, wie es vorher das ganze Münster für die Prozessionen gewesen war, als nun die Orgel im melodischen Sturm anhub zu klingen, von ungesehnen Sängern begleitet, und vor dem Priester wieder das Meer von Tönen schwieg, und er mit einzelnen, feierlichen Worten entgegnete, – da schwoll Alwin's Brust, er fühlte niegekannte Erscheinungen durch sein Innres ziehn, und beugte voll brünstiger Andacht seine Kniee vor der emporgehaltnen Monstranz.

      Der Gottesdienst war vorüber, und alle Wallfarther sammelten sich auf einer Wiese, die unfern des Münsters gelegen war, und voll von Lauben und zierlichen Hütten stand zum Behuf der heutigen Feier. Man zerstreute sich hier und dort, wie es Laune und Zufall mit sich brachten, und bald hatten sich unterschiedliche Gruppen von Tänzern zusammengefunden, die zum Klange der Cithern und Castagnetten ihre Nationaltänze begannen. Vor allen hörte man den Fandango, wie er abwechselnd stolz und zärtlich und lustig und vor Liebe hinsinkend, das Spiel der süssesten Gefühle nachbildet! drein schaute der klare Sommertag, und Lüftchen gaukelten als erfrischende Boten von den waldigen Höhen herunter.

      Alwin war in all dieser Freude nicht recht zu Haus. Er fühlte sich verlassen zwischen dem üppigen Leben der Andern, und sehr erschüttert, obgleich auf eine angenehme Weise, aber tanzen mochte er nicht, noch weniger lachen und plaudern. Darum ging er abwärts, und setzte sich unter ein nahes Gebüsch. Die Tanzmusik hatte von jeher, auch in seinen glücklichsten Zeiten, einen zwiefachen Eindruck auf ihn gemacht; es war nämlich, als riefen ihre Klänge ihm nicht nur die gegenwärtige Lust in's Gemüth, sondern auch deren schnelles, ja unwiederbringliches Vorübereilen, so daß er schon immer im Voraus die Wehmuth der künftigen Rückerinnerung ahnte. Hier saß er nun wirklich recht wehmüthig unter dem frohen Gewimmel, und die ihm sonst prophetische Stimmen gewesen waren, lockten ihn nun schmeichelnd in die Vergangenheit zurück. Beatrix, Aline, Mathilde zogen einen Reigen durch alle seine Sinne. Oft wenn freundliche Mädchen an ihm vorüber streiften, dachte er, es müsse Eine von den Dreien sein, und ihn etwa folgendergestalt anreden: Was bleibst Du denn so allein, Alwin, unter dem abgelegnen Gebüsch? Ich bin ja hier. Wir wollen unser ehemaliges frohes Leben wieder erneuern und Du mußt Alles vergessen was Dich gedrückt hält. Dann sollte sie ihn bei der Hand fassen, mit ihm durch die Tänzer fliegen, und ihm den alten Frieden in's Gemüth lächeln. Aber es geschah nichts dergleichen. Alles