Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué. Friedrich de La Motte Fouque

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Название Gesammelte Werke von Friedrich de la Motte Fouqué
Автор произведения Friedrich de La Motte Fouque
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788027207022



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ganzen Gesellschaft zu ordnen, und einen Zweiten, um die Plane des ersten auszuführen, so daß es hier Abt und Prior gab, oder Aebtissin und Priorin wie es grade die Wahl mit sich brachte. Poetische Wettstreite, Schauspiele, Tänze, Spazierfahrten und Trinkgelage wechselten mit einander ab, und viele schöne Gedichte flogen wie verwehte Blüthen dieses Gartens weit daraus hin, durch die benachbarten und auch entferntern Lande.

      Vor diesem Aufenthalte waren Raimund und Alwin eben angekommen, und hörten auf des Erstern Befragen, es sei Alles im westlichen Baumgarten versammelt. Sie traten hinein, in eine liebliche Kühle, nach der heissen Mittagsgluth, die sie im Herabsteigen zwischen den Bergen empfunden hatten. Alles athmete süße Ruhe in diesem Bezirk. Laubengänge zogen sich labyrintisch durch den Anger, und waren dennoch so geschickt unterbrochen, daß man von den Hauptpunkten aus gewahren konnte, welcher zierlichen Gesellschaft sie Schatten gaben. Es hatten sich nämlich viele Gruppen darunter gelagert von phantastisch geschmückten Männern und Frauen; meist an den zahlreichen Springbrunnen, die von dem frischen Rasen emporsprudelten, jeglicher in einer andern Form sein Spiel treibend. Man grüßte Raimunden von allen Seiten, ohne jedoch deshalb einen störenden Aufstand zu beginnen; diese und jene luden ihn zu ihrem Sitze ein, und er ging immer vorüber: erst wolle er hier seinem Neugeworbnen ihr Freudenleben von allen Seiten zeigen, antwortete er; verschmähte jedoch nicht, aus den dargebotnen Bechern zu trinken, und auch seinen Freund dazu aufzufodern.

      Nach einigem Umherwandeln trafen sie auf einen schönen Mann, der ihnen vergnügt entgegen kam, und Raimunds Hand mit einem Gruße faßte. Er sah halb wie ein Ritter aus und halb wie ein Jäger, seine Kleider waren auf Waidmanns Art geschnitten, aber purpurfarbig und von Golde glänzend, über die Schulter hing ihm ein reiches Wehrgehäng; und dran statt des Schwerdtes ein sehr zierlich gearbeitetes Waldhorn von Silber, worauf er noch eben geblasen hatte, eh' er sich zu den Beiden wandte. Er freute sich sehr über Raimunds Ankunft. Seltsam bleibt es, fuhr er fort, wie Euch der Sinn zur Reise nach Norden trieb, mich zu der nach Süden, und in einer Stunde fast, so daß wir auseinander flogen wie Licht und Dunkel wo sich ein Leben gestalten will, und daß wir auch eben so wieder zusammen schließen, denn ich bin wie Ihr ein Neuling in der Heimath. Erst vor einer Stunde sprang ich vom Pferde. Ihr seht nun schon, daß wir einmal bestimmt sind, in stätem Kampf mit einander zu verharren. Recht gern, Florismarte, antwortete Raimund. Aus unserm Streit sind schon oft erfreuliche Lichter aufgeflogen, und wir haben doch Einer am Thun des Andern unsre Lust. Heute möcht' ich schon mit Euch um den Siegerpreis hadern. Da seht was ich uns für einen wackern Gesellen mitbringe, (indem er auf Alwin zeigte), und Ihr kommt mit leeren Händen. Wir machen das vor dem Tribunal der ganzen Gesellschaft aus, sagte Florismarte, und wandte sich zu dem jungen Manne mit den Worten: Seid indeß schönstens begrüßt. Euer Geleitsmann empfiehlt Euch schon durch die That, und Ihr seht so lebensmuthig und gesund aus, daß ich Euch ohnehin gern willkommen heißen würde. Jetzt wollen wir zu den Andern gehn, die auf der Wiesen schon versammelt sind.

      Sie gingen, und fanden das ganze fröhliche Völklein auf einem Rasenplatze, wo man die sinkende Sonne sich gegenüber hatte, und von den kühlenden Abendlüften angehaucht ward. Alle bildeten hier einen blühenden Kreis, voll von mannigfaltiger Schönheit, Männer, Frauen, Jünglinge, Mädchen in scheinbarer Unordnung gelagert, nur daß es auch der blödre Sinn ahnen mußte, wie Liebe und Gegenliebe hier den Mehresten ihre Stellen anweise. Es waren in Allem etwa vierzig Personen, die sich insgesammt über Raimunds Erscheinen vergnügt zeigten, und ihr artiges Geplauder unterbrachen, damit er von seiner Reise den ersten, kurzen Bericht erstatten könne. Mit einigen nachdrücklichen Worten sprach er von dem Germanischen Weisen, zu dem er gezogen sei, und erwähnte die Unmöglichkeit, über solchen Gegenstand in diesem Cirkel etwas Genügendes und nicht Störendes zu sagen. Die Andern hörten ihn mit Aufmerksamkeit und Andacht zu: in Florismarte's Augen brannte es wie eine Flamme, so lange vom räthselhaften Deutschen gesprochen ward; alsdann aber ging der Redner auf heitre Gegenstände über, und erzählte höchst anmuthig, wie er Alwin im Walde getroffen, dessen nachheriges Leiden und phantastische Krankheit, so daß der Held der Geschichte fast selber meinte, eine zierliche Novelle zu vernehmen. Es that auf Alle die gleiche Wirkung; man freute sich, den gesangreichen, wunderlichen Jüngling bei sich zu haben, er ward mit vielen freundlichen Worten begrüßt, und zum Mitglied aufgenommen, während zwei schöne Mädchen einen dichten Rosenkranz geflochten hatten, und ihn auf Raimunds Haupt setzten, zum Dank dafür, daß er dem ganzen Bunde so etwas Artiges zugeführt habe.

      Nachdem die Glückswünsche und Begrüssungen etwas stiller geworden waren, fing Florismarte an: Ihr habt unsern Freund Raimund bekränzt, schöne Frauen, und habt wohl daran gethan, denn was taugt einer geselligen Verbindung mehr, als der rechte Eifer, die rechte Lust in jedem Einzelnen, irgend einen Vortheil für das Ganze zu erwerben? Und was könnte besser dies kräftige Wollen anspornen, oder erwecken, wo es irgend schlafen möchte, als der Dank aus schönen Lippen und von schönen Händen? Nur hoffe ich, daß Ihr nicht blos die einzige Art des Verdienstes zu belohnen versteht, in welcher Raimund heute glänzt, sondern auch jede andre, ja nothfalls sogar die entgegengesetzte. Weil diese letztere mir gehört, bin ich deswegen nicht weniger hoffnungsvoll in die Bahn getreten, und gedenke mir mit dem, was ich eben von mir erzählen will, auch einen Kranz zu erwerben, und von eben so weißen Händen, als unser Freund den seinigen erhalten hat.

      Bald nach meiner Abreise von hier, kam ich in eine kleine Stadt, wo ich übernachten wollte. Ein reicher Kaufmann ließ mich zu sich einladen; er war ein Deutscher und aus Spekulation herüber gekommen, wo er seit einigen Jahren in zunehmendem Wohlstand lebte. Ich ging hin, denn die Posada, obgleich die beste des Orts, war erbärmlich genug, um mir jeglichen Wechsel wünschenswerth zu machen, und fand eine gute Aufnahme: gemächliche Sopha's, tüchtiges, etwas gar zu reichliches Abendbrodt, vortrefflichen Wein. Durch diesen in gute Laune gesetzt, fing ich nun auch an, mich um die Menschen zu bekümmern, die mir Alle gleich unbedeutend vorkamen. Nur machte sich der Hausherr durch eine gewaltige Stimme bemerkbar, und eine Lust am Witze, die aber leider der Fähigkeit ermangelte. Mich nannte er beständig Herr Poet, oder Herr Romanzenmacher, worauf ich in meiner Achtlosigkeit nimmer gehört und geantwortet hatte, als sei es mein angeerbter Name, weil er mich dabei starr anzusehn pflegte, und mir gewaltig in's Ohr schrie. Hierdurch ward nun sein Scherz äusserst lebhaft, und ich gab mich sehr gern zum Stichblatt her, ohne etwas Unheimliches zu ahnen, bis er mir seinen Herrn Sohn, ein langaufgeschoßnen, blondhärigen Sprößling, als meines Gleichen vorstellte, als eben einen solchen Romanzenmacher und Poeten, der mich durchaus habe kennen lernen wollen und neben dessen Kammer ich auch die meinige finden werde, damit wir die Nacht hindurch unsre poetischen Späßchen treiben möchten. Ihr könnt denken, Ihr Frauen und Männer, wie mir das Haar vor Entsetzen zu Berge stand, um so mehr, da der hoffnungsvolle Bursche allerhand Faxen machte, die für mystische Zeichen gelten sollten, und man nun schon sehn konnte, daß er es in vollem Ernste auf die Poesie gemünzt hatte. Mir schmeckte nicht Wein, nicht Speise mehr; ich stellte mich ermüdet, in der Hoffnung auf diese Weise dem jungen Poeten aus den Händen zu schlüpfen. Aber so gut sollte es mir nicht werden. Mein Schlafnachbar fragte mich zwar, indem wir in sein Zimmer traten, woraus ich in das meinige gelangen sollte, ob ich etwa schläfrig sei? Es komme ihm beinah so vor. Ich bejahte es von ganzem Herzen. Das wird sich geben. sagte er, indem er mich zurück hielt. Ich kenne es aus Erfahrung. Höchst seltsam, wie wir Beide darin zusammentreffen; auch mich verfolgt oft eine solche Schläfrigkeit, und grade in den herrlichsten Augenblicken meines Lebens, in diesem, zum Beispiel, wo ich vor Euch, vielgeehrter Meister stehe, um das entscheidende Geheimniß meiner Existenz in Euern Busen auszuschütten. Aber wir wollen den magischen Schleier zerreissen, mit vereinten Kräften, und groß wird unser Lohn sein. Es schläft sich nachher doppelt gut darauf. Einem sehr interessanten Menschen, Einem aus meinem Bunde, geht es auf eine ähnliche Weise. Er leidet unter der Bezauberung des Hungers. In seinen edelsten Begeistrungen faßt ihn öfters ein ungeheurer Appetit, aber er kämpft ihn zu Boden, und speiset nachher mit zwiefacher Lust.

      Ich hatte mich, in's unentrinnbare Geschick ergeben, auf den bequemsten Stuhl des Zimmers niedergesetzt, und er fuhr fort: ich bin ein seltsamer Mensch; wunderliche Mächte haben von jeher ihr Spiel mit mir getrieben. Ein kleines Städchen aus der Lüneburger Haide sah meine Geburt. Nie kam ich aus dem väterlichen Hause, höchstens zur Schule und auf einen nahen Anger hinaus, wo die dasigen Kinder allerhand seltsame Spiele trieben; Blindekuh unter andern hießen sie Eins, ein andres Schneeballen; das letztre konnte aber, obgleich