Louis Nicolas Davout. Das Genie hinter Napoleons Siegen. Alain Felkel

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Название Louis Nicolas Davout. Das Genie hinter Napoleons Siegen
Автор произведения Alain Felkel
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9788711448939



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diese an Depeschenreiter weiter, die sie zu ihrem Bestimmungsort beförderten.

      Doch so sehr der Kriegsminister auch auf die erlösende Nachricht hoffte, der Louvre blieb stumm. Davout beschloss, seine düsteren Ahnungen vorerst zu verdrängen. Aber Gästen eines gemeinsamen Abendessens entging an diesem Tag nicht, dass der fast 1,80 Meter große, kahlköpfige Mann mit dem feingeschnittenen Gesicht äußerst nervös war. Der Kriegsminister wirkte fahrig, beinahe geistesabwesend und beteiligte sich kaum an den Gesprächen bei Tisch.

      Die Antwort auf seine Fragen sollte der Marschall schon am nächsten Morgen erhalten. Als Davout im Norden von Paris die Befestigungsarbeiten bei Villette leitete, fiel ihm eine Kutsche auf, die in Begleitung eines Adjutanten geradewegs aus Belgien kam. Der Fürst von Eckmühl beschloss, sich mit dem Offizier zu unterhalten, der den Leichnam eines gefallenen Generals nach Hause brachte. Was der Adjutant erzählte, bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen. Der Offizier berichtete ihm, von flüchtigen Soldaten gehört zu haben, dass die französische Armee vernichtet und auf der Flucht sei. Dies reichte, um den Kriegsminister davon zu überzeugen, dass seine Anwesenheit beim Ausbau der Befestigungen überflüssig war und er sofort andere Prioritäten zu setzen hatte. Eine Nachricht von derartigem politischen Sprengstoff bedurfte der Überprüfung, zumal der Bericht des Adjutanten in den Augen des argwöhnischen Kriegsministers nicht vollkommen glaubwürdig war. Schließlich hatte jener Adjutant weder bei Waterloo gekämpft, noch die Flucht der Truppen vom Schlachtfeld selbst beobachtet. Was der Mann berichtete, fußte auf den Aussagen flüchtiger Soldaten, die er in Avesnes getroffen hatte. Diese konnten jedoch noch während der Kämpfe desertiert sein und aus Angst vor Strafe ihre Flucht mit dem Gerücht einer Niederlage bemäntelt haben. Nein, der Marschall musste sich selbst überzeugen und erteilte einem vertrauenswürdigen Offizier, Colonel Michelet, den Befehl, die Lage zu sondieren.

      Davout brauchte noch nicht einmal einen Tag zu warten. Noch am Abend des 20. Juni bestätigte Michelet die Aussage des Adjutanten in allen Punkten. Davout war erschüttert und verlor für einen Augenblick die Fassung, dann fügte er sich in das Unvermeidliche. Verhielt es sich so, wie Michelet berichtete, galt es, sofort energische Maßnahmen zu ergreifen. Noch stand der Feind nicht in Frankreich, noch waren die Grenzfestungen unbezwungen. In seiner Funktion als Kriegsminister schickte der Marschall zwei telegrafische Depeschen zum Gouverneur von Lille und zum Generalkommandanten des 16. Militärbezirks, in denen er sie dazu aufforderte, ihre Plätze standhaft zu verteidigen und auf weitere Anweisungen zu warten. Dann begab er sich in den Élysée-Palast, wo der Ministerrat unter Joseph Bonaparte schon zusammengetreten war und der Bruder des Kaisers den Brief vorlas, den Napoleon ihm geschickt hatte. Der Rat war wie Davout geschockt. Einzig Polizeiminister Fouché behielt die Fassung, da die Niederlage ihm in die Karten spielte und er im Geheimen den Sturz Napoleons vorbereitete.

      Joseph Fouché war der verkörperte Gegensatz zu Davout, weshalb ihn dieser aus tiefstem Herzen verabscheute. Seinen Feinden galt der schmächtige, äußerlich wenig einnehmende Polizeiminister als der geborene Opportunist und Intrigant. Die Ranküne war sein Metier, Verschwörungen und Bespitzelungen sein Lebenselixier. 1793 hatte er als radikaler Jakobinerführer für den Tod König Ludwigs XVI. gestimmt, dann Robespierre unterstützt, um diesen kurz darauf mit der bürgerlichen Opposition zu stürzen und aufs Schafott zu bringen. Während der folgenden Zeit des Direktoriums war Fouché zum Polizeiminister aufgestiegen und hatte sich mit dem korrupten Regime arrangiert. In einer weiteren Volte schloss er sich Napoleon Bonaparte an, der am 18. Brumaire 1799 gegen das Direktorium putschte und sich selbst zum 1. Konsul der Republik ernannte. In den folgenden Jahren des Konsulats und des Kaiserreichs hatte Fouché Napoleon als Polizeiminister gedient, bis er Hochverrat beging und mit England Geheimverhandlungen führte, was ihm die Verbannung auf seine Güter einbrachte.

      Danach war es lange Zeit still um ihn gewesen, bis Napoleon Fouché wieder begnadigte und ihm die Verwaltung Illyriens übertrug 3, wo er bis zur ersten Abdankung Napoleons blieb. In der folgenden Zwischenzeit der ersten Restauration hatte es Fouché nicht geschafft, ein wichtiges Amt zu bekommen. Erst als Napoleon Elba verließ und in Frankreich landete, war es ihm gelungen, die Gunst des Kaisers wiederzuerlangen. Doch zu seiner Enttäuschung hatte ihm Napoleon erneut nur das Amt des Polizeiministers in Aussicht gestellt, was den Ehrgeizigen sehr verbitterte, da er sich zu Höherem berufen glaubte.

      Jetzt, nach Waterloo, witterte Fouché seine Chance, sich für all die durch Napoleon erlittenen Erniedrigungen zu rächen und den Despoten endgültig zu stürzen. Dies erforderte jedoch eiserne Verstellung und so gab sich der Altmeister der Intrige seinen Kollegen gegenüber zutiefst betrübt über die Niederlage von Waterloo. Scheinheilig kam er mit Davout und seinen Ministerkollegen darin überein, dass es besser sei, vorerst keine übereilten Schritte zu tätigen und die Ankunft Napoleons abzuwarten.

      Dieser Beschluss, mit dem sich der Ministerrat selbst zur Untätigkeit verdammte, kam Fouché wie gerufen. Noch in derselben Nacht schürte er die Angst der Abgeordneten, indem er gezielt Gerüchte streuen ließ, dass Napoleon nach Paris käme, um die Kammern aufzulösen und die Diktatur auszurufen.

      Dies konnten die Liberalen, allen voran der Marquis de Lafayette, nicht zulassen. Als der Morgen dämmerte, waren er und seine Gefolgsmänner bereit, sich dem Kaiser zu stellen und im Sinne Fouchés jene historischen Entscheidungen zu treffen, die letztendlich zur Entmachtung Napoleons führen sollten.

      Der Kaiser kam um 9 Uhr völlig erschöpft und ausgelaugt in einer schäbigen zweispännigen Kalesche in Paris an. Napoleon, so viel wurde auf den ersten Blick klar, war nur noch ein Schatten seiner selbst und stand körperlich wie seelisch kurz vor dem Zusammenbruch. Schwer atmend, mit wächsernem Gesicht, stieg er aus dem Wagen. Keuchend quälte er sich die Treppen des Palastes hoch, wo er von seinem Außenminister Caulaincourt empfangen wurde. Seine einst durchdringenden blauen Augen waren leblos, der Blick stumpf. Mit brüchiger Stimme befahl er den Lakaien, ihm ein Bad zu bereiten. Dann beklagte er sich lauthals bei seinem Außenminister über den Verlauf der verlorenen Schlacht, bis er sich der erneuten Hoffnung hingab, mithilfe der beiden Kammern eine neue Armee zu erschaffen.

      Caulaincourt war diesbezüglich weniger optimistisch. Er wusste, dass die Abgeordnetenkammer unter Führung La Fayettes diesem Vorhaben keine Zustimmung gäbe. Aber Napoleon winkte nur müde ab und ließ seinen Außenminister im Flur stehen, um ein Bad zu nehmen. Er saß kaum in der Badewanne, als ihm der Fürst von Eckmühl gemeldet wurde. Obwohl der Kaiser vor allem dringend Ruhe gebraucht hätte, konnte er es sich nicht versagen, Davout zu empfangen. Audienzen dieser Art waren am Hofe Napoleons nicht ungewöhnlich. Der Korse hatte schon oft seine Marschälle, Minister und Generäle beim Bad empfangen, doch an jenem Tag waren die Umstände so gewichtig, dass Davout diese Episode schriftlich festgehalten hat.

      »Da haben wir’s, Davout, da haben wir’s!«

      Bei diesen Worten hob Napoleon beide Arme zum Himmel und ließ sie sogleich wieder kraftlos ins Wasser klatschen, sodass die Uniform des Marschalls nass wurde. Der Kriegsminister überspielte diesen peinlichen Vorgang und kam zur Sache.

      »Majestät, ich erwarte Ihre Befehle!«

      Es waren Worte, die in den Wind gesprochen waren. Napoleon wirkte fahrig, hörte nicht zu. Stattdessen beklagte er sich über Marschall Ney, der seiner Ansicht nach bei Waterloo versagt hatte. Wenn der Kaiser hoffte, bei Davout Verständnis zu finden, sah er sich getäuscht. Seine Worte mussten für den Fürsten von Eckmühl bitter klingen. Wie Ney hatte er sein Leben für Napoleon aufs Spiel gesetzt, als er sich auf seine Seite stellte und das Amt des Kriegsministers annahm. »Er hat sich für Sie die Schlinge um den Hals gelegt, Sire«, bemerkte Davout bitter.

      Napoleon überhörte den anklagenden Unterton in Davouts Stimme, driftete schon wieder in seinen Gedanken ab.

      »Was soll aus all dem werden, Davout?«

      Der Fürst hatte darauf eine klare Antwort. Er setzte dem Kaiser auseinander, dass nichts verloren sei, wenn er sofort von seinem Recht als Souverän Gebrauch machte und die Kammern beurlaubte, um Frankreich diktatorisch zu regieren, bis der Feind geschlagen war. Nur so war Davouts Meinung nach das Vaterland zu retten.

      Napoleon überlegte kurz und lehnte den Ratschlag seines Kriegsministers ab, was er auch in der anschließenden Ministerkonferenz noch einmal unterstrich.