Название | Schrankenlose Freiheit für Hannah Höch |
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Автор произведения | Cara Schweitzer |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9788711449479 |
Von Herwarth Waldens »Sturm« löst sich Hausmann. Nach dem Zweiten Weltkrieg äußerte er sich über seine Entwicklung: »Der Weltkrieg hatte 1914 begonnen, und Walden veröffentlichte sein ›Hohes Lied des Preußentums‹. Mein Übergang zu Pfemferts ›Aktion‹, einer Zeitschrift für Expressionismus und anti-autoritären Sozialismus war danach eine Selbstverständlichkeit. Pfemfert veranlasste mich, ihm für sein ›Aktions-Buch‹ (1917) einen Text zu schreiben – dies war der Anfang meiner schriftstellerischen Tätigkeit, die im Jahre darauf durch meine Beteiligung an Franz Jungs ›Freier Straße‹ und der Gründung des Club Dada sich bis heute unablässig fortgesetzt hat.«77 Ganz so geradlinig wie Hausmann es aus seiner rückblickenden Sicht schilderte, verlief der Beginn seiner literarischen Karriere keineswegs. Nicht Pfemfert hatte ihn aufgefordert, sich zu beteiligen, sondern Hausmann hatte Pfemfert davon überzeugt, seinen Text »Der Mensch ergreift Besitz von sich« in der Zeitschrift »Aktion« zu drucken.78 Er erschien 1917. Hausmanns frühe, sogenannten politischen Texte entsprachen nicht der Terminologie und den Forderungen linker sozialistischer Kreise. Pfemfert gegenüber erklärt er, dass er mit seiner Schrift den Anspruch einer »Revolutionierung der Ethik« in der Nachfolge des von Dostojewski und Strindberg in ihren Texten proklamierten Menschenbildes verfolge.79 Hausmann ist an einer neuen Beziehung der Menschen zueinander gelegen, das Verhältnis zwischen den Generationen und vor allem zwischen Mann und Frau soll erneuert werden. Religiöse Bilder und Terminologien dienen ihm dazu, die unabänderliche Richtigkeit seiner Forderungen zu untermauern. Mit Johannes Baader zusammen begründet er die »Christus GmbH«.80 Dass seine frühen Schriften im Kontext seiner Beziehung zu Hannah Höch gelesen werden müssen, bezeugt ein Brief an Hannah Höch, in dem er ihr seine »radikalen« Forderungen offenbart und ihr in den Mund legt: »Ich, diese Einzelfrau, liebe ihn diesen Einzelmann als Vater meines Kindes. Dies das Zustandekommen der zufälligen Generation (Dreieinigkeit). Ablauf der vollkommenen erfüllten Beziehung (Bewußtwerdung) als vom innersten erfühlt, vom allgemeinen ausgehend, nicht Einzel-Ich sondern wir, wahre Generation, als Dreieinigkeit Mann, Weib, Kind«, lauten Hausmanns alte Ansprüche an Hannah Höch, die er nun kryptisch in seine vorrevolutionäre Terminologie verpackt.
Der Beginn der Revolution in Russland weckt in ihm neue Hoffnungen. Im »russischen Menschen« sieht er den Retter Europas: »Dann würde er siegreicher und strahlender das wahre Ideal des Menschenstaates auf Erden durchsetzten, ein Ideal der Art, wie es die Waldenser, Hussiten, Wiedertäufer und die böhmischen Brüder durch Jahrhunderte in Europa zu erreichen suchten – Auf diesem Wege könnten die ›Vereinigten Staaten von Europa‹ liegen, die Selbständigkeit aller und jeder Nationalität, mit Rücksicht des Wirkens im ganzen, gegründet auf die Verantwortlichkeit Aller zu Allen«, heißt es in einem seiner Manuskripte.81 Auf der Rückseite dieser handschriftlichen Vorlage mit dem Titel »Die westlichen Zeitungsleute« hat Hausmann zwei expressive Aktskizzen von Hannah Höch in dynamischen Linien gezeichnet und zwischendurch an die Künstlerin die kurze Notiz gerichtet: »Bin nur rasieren gegangen, gleich wieder zurück.«
Hausmann baut seine Kontakte zu verschiedenen Künstlerzirkeln aus, die nach gesellschaftlichen Veränderungen streben. In der revolutionären Aufbruchsstimmung verlieren sich alte Feindschaften: »Freitag Nachmittag war ich auf 2 Stunden in Wannsee, dort traf ich Wieland Herzfelde, er sprach mich an, war sehr höflich und forderte mich auf ihm etwas für die Neue Jugend zu geben. [...] Durch ihn lernte ich Sonnabend Abend Georg Grosz kennen. Das ist ein Mensch, wahrscheinlich nichts für Dich gerade, aber von Mann zu Mann kann er einem gefallen. Wir verstanden uns sans façon mit 5 Worten – wirklich, er gefällt mir. Und ich war sehr abgeneigt gewesen, ihn kennen zu lernen. Aber das ist einer, der sein Herz nicht auf der Zunge trägt – fabelhaft ironisch, er quatscht, scheinbar, legt aber die andern entlarvend rein. Er ist ruhig, sicher und kann schweigen. Er wird wohl noch was werden. –«82, berichtet Raoul Hausmann Hannah Höch über seine erste Begegnung mit George Grosz. Herzfelde, Grosz und Hausmann zählen nur wenig später zu den bekanntesten Protagonisten der Berliner DADA-Bewegung.
Wieland Herzfelde hatte mit der Zeitschrift »Die Neue Jugend« eine ehemalige Schülerzeitung übernommen. Um die Zensur zu umgehen, erwarb er die Rechte an der Zeitschrift mit einer Druckkonzession aus der Vorkriegszeit.83 1917 gründete er den Malik-Verlag. Gegen die Zensur verfolgte die Zeitschrift eine klare pazifistische Linie, die sich auch in Prosatexten, Gedichten und illustrierenden Zeichnungen niederschlägt, die in der Zeitschrift publiziert wurden.84 Neben den beiden Herzfelde-Brüdern schrieben auch die Expressionisten Theodor Däubler, Albert Ehrenstein, die Dichterin Else Lasker-Schüler, Salomon Friedlaender und der spätere Kulturminister der DDR, Johannes R. Becher, für die Zeitung. Mit den satirischen Zeichnungen von George Grosz wurde das Erscheinungsbild der Zeitung radikaler. Anfang 1917 erschien im Malik-Verlag auch die erste Graphikmappe von George Grosz. Zu Beginn des Jahres hatte Herzfelde ambitioniert den Abstand zwischen den Ausgaben verkürzt und eine Wochenausgabe angekündigt, die offen gegen den Krieg und die soziale Lage in Deutschland polemisierte. In der Folge konnte die »Neue Jugend« nur noch unter finanziell widrigen Bedingungen und illegal erscheinen.85 Der von Wieland Herzfelde begründete Malik-Verlag entwickelte sich nur wenig später zum wichtigsten Publikationsorgan des Berliner DADA-Kreises. Die erneute Einberufung Herzfeldes als Sanitäter im Ersten Weltkrieg und das Verbot der Zeitschrift »Neue Jugend« kurz nach dem erfolgreichen Erscheinen erschwerte die Verlagsarbeit im Verlauf des Jahres 1917 erheblich.86
Hausmann beteiligt sich nicht nur in Berlin an politisch orientierten Künstlerinitiativen. Conrad Felixmüller hatte in seinem Dresdner Atelier die expressionistische Arbeitsgemeinschaft mitbegründet, in der