Название | Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung Dis/abled in 500-1620 |
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Автор произведения | Robert Ralf Keintzel |
Жанр | Документальная литература |
Серия | |
Издательство | Документальная литература |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783969870006 |
„Hatte er übermäßig getrunken, wurde er wütend, und dann war er sehr verworfen und gefährlich.“71
Abbildung 6:
Wenzel IV mit seiner Frau Zofie. Bildnis aus der Bibel Martin Rotleves
Das Bildnis entstand in den älteren Jahren von Wenzel IV. Der Skriptor hielt dabei das rote, aufgedunsene und wirre Gesicht eines starken Alkoholikers fest.
Es erscheint das Bild von pathologischen Wutanfällen in Form von fehlender Affektkontrolle aufgrund chronischen Alkoholismus. Fehlende Hemmungen sowie ein momentaner Affekt sind die häufigsten Symptome von chronischem Alkoholismus. Im Jahre 1393 erkrankte Wenzel IV schwer, sodass man um sein Leben fürchten musste, weiteres ist aber nicht bekannt. Im Jahr 1398 löste er einen Skandal aus, da er im gleichen Jahr zu betrunken war, um an einem Bankett des französischen Königs Karl VI teilnehmen zu können. Im Jahre 1400 wurde Wenzel IV König vom Römischen Reich abgesetzt und regierte als Wenzel IV König von Böhmen weiter. Im Jahr 1408 erkranke er erneut stark, hierbei bildete er wie sein Vater eine Tetraplegie, also eine Lähmung aller vier Gliedmaßen aus. Ein Zeitzeuge beschreibt diese Beeinträchtigung sowie Behinderung folgend: „Er erlahmte so, daß er wieder die Beine noch die Arme bewegen konnte, man mußte ihn fahren oder tragen.“72 Diese Tetraplegie würde nach Lesný am ehesten zu einer alkoholischen Polyneuritis passen, eine Schädigung im Kampf oder im Turnier ist bei Wenzel IV auszuschließen. Auch waren im Laufe der Zeit vermehrt Symptome wie eine durch Alkohol verursachte Demenz, Antriebsschwäche aber auch ein aufgedunsenes Gesicht merklich erkennbar. Diese Erkrankung ging später zurück, sodass er wieder reiten und selbstständig gehen konnte. Abschließend kann auch sein Tod mit einem epileptischen Anfall, welcher durch chronischen Alkoholismus begünstigt wurde, gesehen werden.73 74 Nach einer Studie aus dem Jahr 1989 leiden 5 % bis 35 % der Alkoholiker, auch wenn meistens im Kontext von Alkoholentzug, an generalisierten epileptischen Anfällen.75 Es zeigt sich mit Wenzel IV ein König, welcher sich vermeintlich aufgrund seiner Trinksucht eine Schädigung des Nervensystems zuzog. Diese Beeinträchtigung behinderte ihn auch in vielerlei Hinsicht, nämlich in privater wie auch in beruflicher. Dennoch muss man festhalten, dass die Objektivität vieler Quellen aus seiner Zeit angezweifelt werden darf, da Wenzel IV sich durch seine Handlungen viele Feinde gemacht hatte.76 Insgesamt erscheint Wenzel IV trotzdem als unfähiger Herrscher mit einer unleidlichen Persönlichkeit. Die längere Herrschaftsdynastie, welche durch die goldene Bulle begünstigt wurde, begann mit der Kaiserkrönung von Albrecht II von Habsburg im Jahr 1438. Die Habsburger konnten daraufhin mit der Ausnahme der Jahre 1742-1745 bis zum Jahr 1806 als Kaiser im Römischen Reich beziehungsweise ab dem 12. Jahrhundert das sogenannte Heilige Römische Reich oder ab dem 15. Jahrhundert das sogenannte Heilige Römische Reich Deutscher Nation regieren. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation unterstand vielen Einflüssen, so auch denen von England. Hier regierte von 1482-1485 Richard III; diese Zeit war sehr dynamisch aufgrund des Konfliktes zwischen dem Hause Lancaster sowie York um die Königswürde. Richard III litt nach Lesný an einer durch die Geburt verursachte Schädigung des zentralen Nervensystems sowie eine Schädigung des Nervenwurzel des Halsbereiches litt.77 Dies führte unter anderem zu einer schlaffen Lähmung der linken Schulter- wie auch Oberarmmuskulatur, ein Hinken und zu psychiatrischen Problemen. Shakespeare schrieb später im Jahr 1497 das Drama „Die Tragödie von König Richard III“ und gibt damit Auskunft über die Wahrnehmung von Richard III gegen Ende des 15. Jahrhunderts.78
Abbildung 7:
Der englische König Richard III
Richard III wurde schon während seiner Zeit gehasst. Im Kampf um die Krone wurde er verunglimpft und im Jahr 1485 auf offener Feldschlacht getötet. Im Jahr 2012 fand man schließlich seine Leiche auf einem Parkplatz von Leicester. Sein Leichnam wies Erniedrigungspraktiken auf.
Das Ende des Mittelalters ist nach der Geschichtsschreibung auf circa das Jahr 1500 datiert. Knefelkamp beschäftigte sich eingehend mit der Zeit des Mittelalters und resümiert, dass das durchgehende Merkmal des Mittelalters die Monarchie war und dass das Königtum als politischer Motor diente. Der Zentralmacht des Königs standen Partikularkräfte mit den Adeligen entgegen, welche eigene individuelle Ziele verfolgten. Das Kaisertum seinerseits erhob einen Anspruch an die ideelle Universalherrschaft und konkurrierte damit mit dem Papsttum. Andere dynamische Elemente waren die Ethnogenese, die Staatenbildung wie auch die Vermischung der christlichen mit der europäischen Kultur. Kontinuierliche Herrschaftszentren fehlten und häufig wechselten die Herrschaftsdynastien, was eine Zentralisierung sowie eine Reform vom Zentrum erschwerte, da sich das Zentrum mit seiner Beschaffenheit selbst immer wieder veränderte. Auch bleibt festzustellen, dass Institutionen, Funktionen sowie Ämter mit ihren Verpflichtungen wichtiger waren als individuelle Personen, dennoch waren die Eigenschaften und Vorzüge der Herrscher maßgebend bei der Gestaltung ihrer Herrschaft.79 In der Zeit der Renaissance zeichnete sich wahrhaft eine Erneuerung beziehungsweise Weiterentwicklung von antiker Tradition ab. Mit Maximilian I von Habsburg und seiner Regierungszeit zwischen 1493-1519 wurde ein Zeitalter der Reichsreform von 1495-1648 eingeläutet. Maximilian I begriff, dass er die Beziehung zwischen Reich und Kaiser reformieren musste, dabei stand er weltlichen wie auch geistlichen Landesherren entgegen, welche seit dem 13. Jahrhundert erfolgreich ihren eigenen Landbesitz ausbauten, sodass sich seit dem Ende des 14. Jahrhunderts der König immer mehr in Hinblick auf seine Hausmachtgrundlagen wie auch bezüglich der Wahrnehmung seiner königlichen Rechte zurückzog. So gelang es den Königen sowie Kaisern in der Zeit des Hochmittelalters nicht, die Souveränitätsrechte wie Hochgerichtsbarkeit oder Befestigungsrecht in ihrer Zentralmacht zu vereinigen. Vielmehr wanderten die Regalien in Laufe der Zeit von der Zentralmacht an die Partikularkräfte der Reichsfürsten sowie Reichsstädte. So wundert auch nicht das Verständnis von der Formel „Kaiser und Reich“ in der Zeit um 1495, diese Formel wurde so verstanden, dass der Kaiser der Gesamtheit der Reichsstände gegenübertrat. Hierbei handelte es sich im Jahr 1495 um rund 350 weltliche sowie geistliche Reichsstände. Diese schuldeten dem König zwar Gehorsam beispielsweise bei den Lehnsverpflichtungen, da dem König aber keine wirksamen Zwangsmittel zur Verfügung standen, wurde dieser Gehorsam gegenüber dem Kaiser nur bedingt geleistet. Man kann das Verhältnis also als Dualismus sehen zwischen Reich und Kaiser, welcher ein Miteinanderverhandeln nötig machte, und die Handlungsfähigkeit, die nicht durchgehend bestand, musste kontinuierlich errungen werden.80 Maximilian I vereinheitlichte und zentralisierte zunächst die österreichische Verwaltung im Vorbild der burgundischen, dessen Herrscher ab 1494 sein Sohn Phillip war. Mit der Reichsreform ab 1495 ging Maximilian I schließlich Probleme im gesamten Reich an. So wurde die rechtliche Gewalt durch einen ewigen Landfrieden, die Einrichtung eines Reichskammergerichtet als höchstes sowie ortsfestes von Hof getrenntes Gericht eingerichtet, eine regelmäßige Reichssteuer in Form des gemeinsamen Pfennigs beschlossen, und territoriale Einheiten ab dem Jahr 1500 in Form von Reichskreisen geschaffen. Damit waren unter anderem erste Schritte in Richtung eines Reiches als Rechtsgemeinschaft als auch die Befähigung des Kaisers eine von den Landesfürsten finanziell unabhängige Politik zu verfolgen. Auch wurde die allgemeine Reichsverwaltung mit der Erschaffung von Reichskreisen gestärkt, da Zuständigkeiten damit besser geregelt waren.81 Die Reichskreise waren als lokale Einheit unter anderem auch für die Aufstellung und Unterhaltung von Reichstruppenkontingenten, die Aufsicht über das Münzwesen sowie die Vollstreckung von Urteilen des Reichskammergerichts zuständig. Die Organisation der Reichsstände in mehreren Kreisen machte es damit auch möglich, den Frieden zwischen den territorialen einzel- als auch den zentralen gesamtstaatlichen Interessen zu wahren.82 Die Steuer selbst scheiterte, da der Kaiser