Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung Dis/abled in 500-1620. Robert Ralf Keintzel

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Название Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung Dis/abled in 500-1620
Автор произведения Robert Ralf Keintzel
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783969870006



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dass er das Regierungsgeschäft einem Reichsverweser übertrug, aber dennoch die Königswürde bis zu seinem Tod behielt. Balduin IV markiert damit auch den Wandel im Verständnis: die Trennung von Herrschaft und Regierung, Ausübung der Herrschaftsgewalt und Königswürde kraft eigenen Rechts sowie die erfolgte gesetzliche Konstituierung und nicht die facto-Regelung als Grundlage.43 Barbarossa ließ sich im Jahre 1152 wählen und im Jahr 1155 zum Kaiser krönen, womit die Zeit der Herrschaft unter den Staufern begann. Barbarossa, genannt nach der roten Farbe seines Bartes, musste zunächst die Grenzen des eigenen Landes sichern, bevor er sich um Italien kümmern konnte, was er auch 28 von 39 Herrschaftsjahren tat.44 So wurde Mieszko I Kreuzbein oder Mieszko I Schlenkerbein im Jahre 1163 als Herzog von Schlesien aufgrund der Intervention Friedrichs I nach dem Tod seines Vaters anstatt seines Vaters wiedereingesetzt. Aufgrund des Beinamens von Mieszko I erscheint eine Beeinträchtigung naheliegend, welche ihn aber nicht daran hinderte, in eine herrschende Stellung zu gelangen. So wurde Mieszko I später im Jahr 1210 zum Seniorherzog von Polen ernannt, hierbei nahm er den Namen Mieszko IV ein.45 Bei der Beeinträchtigung liegt eine Osteomalazie nahe, diese kann unter anderem durch einen Vitamin D Mangel entstehen, was beispielsweise häufig durch einen Mangel an Sonneneinstrahlung hervorgerufen werden kann. Die Sonneneinstrahlung wird bei der Vitamin D Produktion im Körper benötigt und führt bei Mangel dazu, dass die Knochendichte und damit die Stabilität abnehmen, da eine Mineralisierung des Knochens aufgrund des Fehlens an Vitamin D verringert ist. Oder einfach ausgedrückt, der Knochen wird weicher und kann sich durch das fehlende Sonnenlicht verformen. Der Mangel an Sonnenlicht kann zu einen sogenannten genus valgus beziehungsweise varus führen, also X- Beine oder O- Beine. Im Fall Mieszko I liegt ein genus valgus nahe, also eine Valgusstellung des Kniegelenks oder einfach ausgedrückt X-Beine.46 Damit wäre der Name Kreuzbein möglicherweise erklärt, daneben bleibt der Beiname Schlenkerbei offen. Eine häufige Folge der Osteomalazie ist die Myopathie, also eine Schwächung der Muskeln, welche sich in einem typischen kurzschrittigen Watschelgang zeigt.47 Diese physiologischen Betrachtungen sind mögliche Erklärungen für die Beinamen von Mieszko I, dennoch führte in seinem Fall die mögliche Beeinträchtigung nicht zu einem kategorialen Ausschluss von Herrschaft beziehungsweise dem Gewohnheitsrecht im Erbe seines Vaters. In der Zeit der Staufer fällt die Zeit mit der Expansion des Reiches in den Osten auch unter anderem durch den Deutschen Orden und die Etablierung von Ostsiedlungen als auch deren Ausweitung,48 daneben leitete die Doppelwahl im Jahre 1198 mit den Thronstreit zwischen Staufern sowie Welfen die Entwicklung des späteren Deutschlands zu einer Wahlmonarchie ein.49 Besonders ist dabei aber Friedrich II hervorzuheben, der im Jahre 1220 mit der „Confoederatio cum principibus ecclesiasticis“ eine bedeutende Rechtsquelle des Römische Reiches einführte, welche die Regalien sowie Befugnisse der Zentralmacht zugunsten der klerikalen Fürsten einschränkte, wobei dies bereits seit Jahrzenten Gewohnheitsrecht war. So wurde unter anderem die freie Verfügung über Kirchenlehen, das nicht Bauen von Burgen wie auch Städten auf kirchlichem Grund entgegen klerikalem Willen sowie das Verbot von Übergriffen von Vögten auf Kirchengut verfügt. In Anlehnung an die „Confoederatio cum principibus ecclesiasticis“ erlangten die Fürsten im Jahre 1231 mit dem „Stratum in favorem principum“ ähnliche Rechte wie der Klerus aus dem Jahr 1220. So durfte beispielsweise der König keine neuen Städte, Burgen und Münzstätten zum Schaden der Fürsten errichten. Zudem wurde unter anderem auch die fürstliche Gerichtsbarkeit bestätigt. Das „Stratum in favorem principum“ gilt als wichtiger Schritt zur Dominanz der Fürsten und zum späteren deutschen Föderalismus.50 Dagegen war Sizilien bis in das 19. Jahrhundert zentralstaatlich organisiert, entgegen dem „Stratum in favorem principum“ führte Friedrich II die Konstitutionen von Melfi im Jahre 1231 auf Sizilien ein, welche entgegen dem Föderalismus im Deutschen Reich den Zentralstaat auf Sizilien förderte, so galt die Konstitutionen von Melfi noch bis in das 19. Jahrhundert in Süditalien.51 52 Die Herrschaft der Staufer endete faktisch mit der Exkommunikation im Jahre 1245 oder nach dem Tod Friedrichs II im Jahre 1250 beziehungsweise spätestens nach dem Tod Konrads IV im Jahre 1254. Nach den Staufern begann eine Zeit des Machtvakuums, die Zeit des Interregnums. Dies war eine Zeit der Zwischenherrschaft, in welcher, auch wenn nicht formal, das Römische Reich herrscherlos war. Dies führte zu internen Auseinandersetzungen, Rechtsunsicherheit sowie darüber hinaus mancherorts zur Anwendung des Faustrechts und dem Erstarken der Territorialfürsten gegenüber der Zentralmacht des Königs.53 So wundert auch nicht die Entstehung des Rheinischen Bundes im Jahre 1254, obwohl dies gegen das Gesetz über das Einigungsverbot von 1231 verstieß. Aufgrund der Führungsschwache an der Spitze des Römischen Reiches schlossen sich freie Städte sowie adelige und klerikale Grundherren zusammen, um Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. So beinhaltete beispielsweise der Rheinische Bund im Jahre 1256 bereits: 31 Erzbischöfe, Bischöfe, Grafen und Herren sowie 100 Städte, auch wenn nur für eine kurze Zeit, da ein Streit über die Neutralität bei der Königswahl entbrannte und der Rheinische Bund sich im Jahre 1256 auflöste.54 Das Interregnum endete mit der Wahl Rudolf I von Habsburg im Jahre 1273. Mit seiner sogenannten Revindikationspolitik erklärte Rudolf I alle erteilten Privilegien nach der Exkommunizierung von Friedrich II im Jahre 1254, außer diese wurden einstimmig von allen Kurfürsten beschlossen, für ungültig. In dieser Entscheidung von Rudolf I zeigt sich auch die Stärke der Kurfürsten und der Einfluss, welchen diese auf die Entscheidungen des Kaisers hatten. Da der König als Zentralmacht von den Adeligen als Partikularkräfte politisch umgeben war und seine Herrschaft auf der Gnade der Kurfürsten beruhte, waren Reformen besonders in Bezug auf adelige Rechte erschwert. Um die Revindikationspolitik effektiv umzusetzen, wurden Neuerungen in der Reichsverfassung eingearbeitet. So verbesserte Rudolf I die institutionelle Verwaltung durch den Zusammenschluss von Reichsgutkomplexen und die Unterteilung in klar abgrenzbare Landvogteibezirke, beispielsweise in Nieder- und Oberschwaben im Süden des Reiches. Im Norden nahm der Kaiser die benachbarten Fürsten des Reichsgut in die Pflicht. Ihnen wurde die Pflicht für die Rückforderung, Gerichtsbarkeit sowie Verwaltung des Reichsguts übertragen. Die königlichen Städte büßten ihre im Interregnum erworbenen Reichsrechte ein und zur Verwaltung setzte der Reichsschultheiß ein. Die Städte waren Rudolf I besonders wichtig, da sie konstante Einnahmequellen darstellten und sie, falls notwendig, zur Heeresfolge verpflichtet waren.55 Auf Rudolf I Habsburg folgte aus politisch taktischen Gründen die Ernennung Adolf I von Nassau, eines politisch unbedeutenden Grafen, im Jahre 1292. Deine Herrschaft dauerte bis zum Jahr 1298, bis Albrecht I von Habsburg von 1298-1308 die Königswürde übernahm. „Er war wenig beliebt was auch auf sein Äußeres zurückgeführt werden konnte. Denn im Jahr 1295 hatte er eine gefährliche Krankheit, die eventuell auf eine Vergiftung hindeutete, wie seine Ärzte vermuteten. Sie hängten ihn an den Füßen auf, um ihn zu entgiften. Dabei wurde der Druck auf einem Auge so groß, dass er seine Sehkraft auf diesem Auge verlor. In seinem entstellten Gesicht zeigte sich kein Lächeln, was viele Menschen erschreckte. Er wird von den Chronisten al furchtloser Mann geschildert, der mit großer Tatkraft und Härte in Krieg und Politik agierte.“56 Albrecht I von Habsburg baute die Verwaltung aus und vergrößerte den Einfluss des Reiches aber auch seine eigene Macht. So erlangte Albrecht I die böhmische Königswürde. Im Fall Albrecht I von Habsburg zeigt sich, dass Beeinträchtigung, in diesem Fall in Form einer Sehbehinderung auf einem Auge, nicht zwangsläufig zu einem Ausschluss von der Königswürde führte. Albrecht I wurde am 1. Mai 1308 von seinen Neffen Johann, genannt Parricida (Verwandtenmörder), ermordet. Das Motiv von Johann lag darin, dass Albrecht I Johann bei seinen Erbansprüchen immer wieder hingehalten hatte, sodass dieser mit der Unterstützung von drei schwäbisch- schweizerischen Adeligen, die ebenfalls unzufrieden waren, Albrecht I ermordete. Im folgenden Jahr wurde über Johann Parricida und seine Komplizen die Acht verhängt und ihre Vermögen eingezogen.57 Nach Albrecht I folgte Heinrich VII von Luxemburg in den Jahren 1308-1313. Dieser wird in der Forschungsliteratur als kleiner Graf gesehen, der große Pläne für Italien hatte, diese aber nicht umsetzen konnte. In seiner Herrschaftszeit lässt sich ein besonderes außerstaatliches Ereignis hervorheben, nämlich die Verlagerung der Papstresistenz von Rom in das französische Avignon bis in das Jahr 1378. Viel mehr als sein Verwandter Heinrich VII konnte Johann von Böhmen als Nationalheld von Luxemburg in die Geschichtsbücher einziehen. Nach seiner vollständigen Erblindung um das Jahr 1340 wurde Johann von Böhmen auch Johann der Blinde genannt. Er regierte als König von Böhmen von 1311-1346 sowie als Graf von Luxemburg und als Titularkönig von Polen von 1311-1335. Im Jahr 1340 erblindete Johann der Blinde aufgrund einer Operation eines Augenleidens. Trotz Erblindung zog er noch mehrfach mitunter