Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung Dis/abled in 500-1620. Robert Ralf Keintzel

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Название Eine Geschichte der Menschen mit Behinderung Dis/abled in 500-1620
Автор произведения Robert Ralf Keintzel
Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783969870006



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ist eine Zeit von wechselnden Herrschaftsverhältnissen sowie -strukturen, der Autor möchte dabei die wichtigsten mitteleuropäischen Herrschaftsverhältnisse und -strukturen im Zeitalter des Mittelalters sowie der Renaissance aufzeigen.

       Das Römische Reich teilte sich im Jahr 395 n. Chr. in ein westliches und östliches Reich. Später, im Jahr 410 n. Chr., wurde Rom, die Hauptstadt des Weströmischen Reichs, durch die Westgoten erobert und letztendlich fand im Jahr 476 n. Chr. die Absetzung des letzten Weströmischen Kaisers durch den Ostgotischen König Theoderichs des Großen statt.9 In der Zeit der Königsherrschaft von Theoderichs des Großen vom Jahr 476-526 waren germanische Stammesgruppen sowie das Fränkische Reich in Mitteleuropa vorherrschend, zu dieser Zeit war Burgund mit Theoderichs des Großen verbündet. Im Jahre 498 fand ein ereignisreicher Tag am Ort der heutigen Kathedrale Notre Dame statt. Der fränkische König Chlodwig ließ sich taufen und nahm damit gemeinsam mit seinen Untertanen den römisch-katholischen Glauben an. Chlodwig war der erste Germanenherrscher, welcher den römisch-katholischen Glauben annahm, dieses Ereignis war die Voraussetzung für die Verschmelzung von römischer sowie germanischer Kultur und auch Bevölkerung. Mit der Taufe Chlodwigs sicherte er den Aufstieg des Frankenreiches, versöhnte Germanentum und römische Tradition und legitimierte eine spätere expansive Machtpolitik Karls des Großen.10 Die Wahl des Königs war bei den Römern der Spätantike wie auch bei den Germanen die traditionelle Form der Einsetzung eines Königs. Erst die Geblütsheiligkeit begründete eine Vererbbarkeit des Königtums, was im Frankenreich den Merowingern gelang.11 Die Geblütsheiligkeit besagt, wie der Name schon sagt, die hohe Qualität des Geblüts einer Person und einer Familie, da in der damaligen Gesellschaft verbreitet war, dass Charaktereigenschaften sich vererben.

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      Abbildung 1:

      Die Ausdehnung des fränkischen Reiches in den Jahren 481-814

      Später, im Jahr 531, eroberte das fränkische Reich sowohl Thüringen als auch im Jahr 532 Burgund. Das Herrschaftsgeschlecht der Merowinger, welches Chlodwig angehörte, dehnte ihr Herrschaftsgebiet immer weiter aus, sodass das Frankenreich bald eine Vormachtstellung in Mitteleuropa innehatte.12 Nach König Chlodwig wurde das fränkische Reich unter seinen Söhnen und Nachfolgern aufgeteilt. Erst ab dem Jahr 558 unter König Chlothar I. fanden die drei Reichsteile (Neustrien, Austrien und Burgund) wieder zusammen. Die Herrscher setzten bei der Verwaltung der Reichsteile sogenannte Hausmaier ein. In der Funktion von Hausmaiern gewann das Geschlecht der Pippiniden an Bedeutung. Karl Martell (686–741) konnte sich schließlich als Hausmaier im gesamten fränkischen Reich durchsetzen.13 Mit Karl Martell gründete sich der Hausname eines Herrschergeschlechts, das lange herrschen sollte: die Karolinger. Im Jahr 751 setzte die Adelsfamilie der Karolinger in Person von Pippin III die fränkische Herrschaftsfamilie der Merowinger ab. Pippin III übernahm 751 den fränkischen Königsthron auch mit Hilfe des Papstes,14 welcher im Jahr 756 mit der sogenannten Pippinischen Schenkung für seine Unterstützung belohnt wurde. Hierbei handelte es sich um Territorien in Mittelitalien, worauf sich der Kirchenstaat gründete.15 Pippins Sohn Karl der Große dehnte das fränkische Königreich immer weiter aus und erlangte im Jahr 800 durch den Papst gekrönt die Kaiserwürde.16 Mit der Kaiserwürde trat der Kaiser des Römischen Reiches nun aber, wenn vielleicht auch ungewollt, in Konkurrenz mit dem byzantinischen Reich und seinem Kaiser, was zu 400 Jahre währenden angespannten Verhältnis führte.

      Karl der Große zeugte nachweislich 18 Kinder, wobei die tatsächliche Zahl darüber liegt, sodass mancher Deutsche oder Österreicher die Gene Karls des Großen in sich trägt.17 Sein ältester Sohn war Pippin der Bucklige, dessen Beiname auf einen sogenannten körperlichen Defekt (gibbo deformis) anspielte. Seine Beeinträchtigung führte dabei zum Ausschluss in der Thronfolge.18 Er ging aus der Ehe zwischen Karl dem Großen und Himiltrud hervor, diese Ehe wurde später als nicht vollwertig bezeichnet, sodass Pippin der Bucklige aus der Reihe der „vollwertigen Nachfolger“ von Karl dem Großen verdrängt wurde. Pippin der Bucklige rebellierte im Jahre 792, wurde besiegt und später in ein Kloster verbannt.19 Mit Karl dem Großen verlagerte sich der Mittelpunkt der Macht vom Mittelmeerraum in den Raum nördlich der Alpen. Dennoch zeigte sich das Frankenreich gegenüber der islamischen Herrschaft auf der iberischen Halbinsel als auch Byzanz im Hinblick auf die Bildung sowie Wissenschaft als unterlegen. Diesen Mangel versuchte Karl der Große durch die sogenannte karolingische Renaissance auszugleichen, hierbei bemühte er sich um die antiken römischen Traditionen sowie um die Zentralisierung und die Angleichung andererseits. So geht etwa die Vereinheitlichung der Verwaltung, der Liturgie als auch der Schrift (karolingische Minuskel) auf Karl den Großen zurück.20 Ziel der Karolinger bereits vor Karl dem Großen war es, eine zentralistische sowie einheitliche Herrschaftsstruktur auszubilden. Dabei sollte eine fränkische Grafschaftsverfassung an die Stelle der germanischen Stammesherzogtümer rücken. Dies konnte aber im westlichen Teil des Frankenreiches besser umgesetzt werden als im östlichen Teil. Im fränkischen Herrschaftsgebiet rechts des Rheins konnten sich die älteren Stammesherzogtümer verstärkt halten, um sich auch unter den Nachfahren Karls des Großen ab Anfang des 10. Jahrhunderts wieder zu entfalten.21 Die Tatsache, der Differenz in der Durchsetzung des Zentralstaats unter Karl dem Großen, hatte weitreichende Folgen. Darin kann auch der Grund gesehen werden, warum sich später Frankreich zu einem zentralistischen Staat und Deutschland zu einem Staat mit vielen verschiedenen einzelnen Kräften im Bund entwickelte. Dieses riesige Reich von Karl dem Großen begann bereits nach ihm zu zerfallen und wurde schließlich unter seinen Enkeln im Jahre 843 in einen romanischen Westen, einen germanischen Osten als auch ein „Mittelreich“ aufgeteilt. Im Vertrag von Verdun wurde die Reichsteilung beschlossen, unter Lothar I., Karl dem Kahlen und Ludwig dem Deutschen. Ludwig der Deutsche bekam das Gebiet östlich des Rheins und der Aare, Karl dem Kahlen wurden die Länder westlich von Schelde, Maas, Rhône sowie Saône zugesprochen und Lothar I. erhielt das heute nach ihm benannte Gebiet Lothringen, Italien wie auch die Provence. Die Herrschaftsgebiete verschoben sich später auch mit den Verträgen in den Jahren 870 sowie 880.22 Einer der Gründe war der Tod Lothar II. Im Jahre 855 übernahm Lothar II. die Herrschaft über Lothringen. Er hatte zunächst eine Friedelehe mit Waltrada. Diese Form der Ehe ging auf die germanisch-rechtlichen Vorstellungen zurück und war von der katholischen Kirche nicht gern gesehen. Die Bezeichnung leitet sich vom germanischen friudiea ab, was sich mit ‚Geliebte‘ übersetzen lässt. In dieser Form der Ehe steht die Frau nicht unter der Vormundschaft des Mannes. Im Laufe der Zeit verlor die Friedelehe an Bedeutung und wurde durch die Muntehe ersetzt. Bei der Muntehe ist der Mann Vormund der Frau. Lothar II. hatte vier Kinder in der Friedelehe mit Waltrada. Dies war aber problematisch, da es den Kindern an Legitimität fehlte und die Herrschaftsfolge gefährdet war. Daher ließ Lothar II. sich scheiden und heiratete neu in einer Muntehe mit Teutberga. Diese Ehe blieb bis zu seinem Tod kinderlos. Zuletzt versuchte Lothar II. seine Kinder als legitime Erben von der katholischen Kirche anerkennen zu lassen. Der Anerkennungsprozess konnte aber nicht abgeschlossen werden. Davor starb Lothar II. im Jahre 569. Kinderlosigkeit oder das nicht Vorhandensein nicht legitimer Erben zeigt sich als mögliches gravierendes Problem am Beispiel Lothar II.23 Im Laufe der Zeit versuchten sowohl das Ostfränkische Reich als auch das Westfränkische Reich, sich voneinander abzugrenzen, nicht nur die Grenzen von Territorien, sondern auch die von Sprachen wurden gezogen. So entwickelte sich im Westfränkischen Reich die spätere französische Sprache und im Ostfränkischen Reich die spätere deutsche Sprache.24 Für das Ostfränkische Reich gab es aber auch noch ganz andere Nachbarn, so musste man sich gegen Slawen im Osten und plündernde heidnische Völker im Norden wehren.25

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      Abbildung 2:

      Die Reichsteilung des Fränkischen Reichen im Jahr 843:

      Das Westfränkisches Reich mit Karl den Kahlen, das Ostfränkische Reich mit Ludwig den Deutschen und das „Mittelreich“ bzw. Lotharingen mit Lothar I.

      Mit dem Aussterben der Karolinger übernahm zunächst von 911-918 Konrad I ein Kompromisskandidat, später im Jahre 919 erlangte Heinrich I aus dem Geschlecht der Ottonen die Königswürde im Ostfränkischen Reich oder „das Reich der Deutschen“, wie es bereits genannt wurde, dehnte das Reich nach Osten aus, besiegte die Ungarn und konnte damit das Ostfränkische