MUSIK-KONZEPTE Sonderband - György Kurtág. Группа авторов

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Название MUSIK-KONZEPTE Sonderband - György Kurtág
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783869168807



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ihre eigene Besonderheiten aufweist – die Flöte spielt Quarten und Quinten, die Klarinette und das Horn Skalen, die aus kleinen Sekunden und kleinen Terzen aufgebaut sind, und das Fagott bläst chromatische Formel –, nimmt der Rezipient diese kontrollierten, geformten Elemente nur als Geräusche wahr. Inzwischen ruft die Oboe Erinnerungen an volksmusikalische Elemente hervor: Kurtág verweist auf vierzeilige, melismatische ungarische Volkslieder.

      Der andere langsamere Satz-Typus zeichnet sich dadurch aus, dass die einzelnen musikalischen Zeilen periodisch angeordnet sind, das heißt, sie bilden klassische Perioden, Sätze oder Erweiterungen dieser Formen. Das einfachste Beispiel dafür ist der 3. Satz der Acht Klavierstücke (Notenbeispiel 3), der als Frage-Antwort-Frage-Antwort-Struktur beschrieben werden kann. Diese Strukturen können auch als additive Formen definiert werden, da eine mögliche Form ihrer Expansion gerade darin besteht, dass die periodenartigen Grundformeln immer wieder erweitert werden. So kann beispielsweise der 7. Satz des Acht Duos den Wechsel der monotonen Wiederholungen und der winzigen Änderungen durch die kontinuierliche Erweiterung der Form darstellen. Auf diese Weise drückt der Satz, während er immer dasselbe sagt, immer etwas mehr aus: Der Rezipient erhält mit jeder Anhörung mehr und mehr Informationen. Trotz des langsamen Tempos folgt der 7. Satz dem gleichen Konzept wie der 5. Satz des Streichquartetts: Die Komposition stützt sich von vornherein auf die charakteristischen Reaktionen des Rezipienten, sie sind a priori schon hineinkomponiert.

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      Notenbeispiel 3: György Kurtág, Acht Klavierstücke op. 3, 3. Satz,

       Kurtág György, »8 Klavierstücke | für Klavier | op. 3« (3. Satz), © Copyright 1991 by Universal Edition A.G., Wien/UE14140

      IV Dokumente der Darmstadt-Rezeption

      Diese Beispiele und Zitate machen deutlich, dass Kurtág mit ganz traditionellen musikalischen Elementen arbeitet: Sein Denken basiert auf Paaren wie Frage – Antwort, Wiederholung – Variation, Offenheit – Schließung, Melodie – Begleitung und Symmetrie – Asymmetrie. Diese Grundformeln weisen jedoch eine große Vielfalt auf und sind jeweils so miteinander verbunden, dass aus der Mischung dieser Elemente immer eine klar nachvollziehbare musikalische Abfolge entsteht. Für Kurtág spielt daher die Nachvollziehbarkeit einer Form eine wichtige Rolle. Der Komponist scheint die Struktur der Gegenstände von Anfang an so zu entwickeln, indem er mit der Rezeption der Zuhörer rechnet. Als ob Kurtág seine Arbeit aus der Position des Rezipienten komponiert hätte, bemüht er sich, seine Arbeit auf der Grundlage der angeblichen Reaktion des Rezipienten zu formulieren. Der zeitliche Verlauf der Musik wird also grundlegend durch die Erfahrung des Rezipienten bestimmt. Kurtágs schöpferischer Horizont verschmilzt mit dem des Rezipienten.