(…) die Melismen auf dem Wort ›Fieber‹ (Xap) im Presto, feroce-Gestus auch durch ihre Verbindung von Phonetik und musikalischer Gestalt den Gestus fiebriger Sehnsucht dar und gehen dann auf Partiturseite 43 in Lachcharaktere (…) über, die an den Einleitungsabschnitt von Ligetis Aventures erinnern.« —
40 Angesichts der geistvollen Vielbezüglichkeit, die sich in Kurtágs Werken findet, könnte man (in Anlehnung an die Musik Joseph Haydns) hier auch den Begriff ›Witz‹ ins Spiel bringen. Vgl. Grégoire Tosser, »Humour et fragmentation: le Witz musical des Quelques phrases tirées des cahiers de brouillon de Georg Christoph Lichtenberg op. 37 et 37a«, in: ders./Pierre Maréchaux (Hrsg.), Ligatures: la pensée musicale de György Kurtág, Rennes 2009, S. 129–58. —
41 Vgl. Anm. 9. —
42 György Ligeti in Conversation with Péter Várnai, Josef Häusler, Claude Samuel and Himself, London 1983, S. 115. —
43 Vgl. Wolfgang Marx, »›Make Room for the Grand Macabre!‹ The Concept of Death in György Ligeti’s Œuvre«, in: Louise Duchesneau/Wolfgang Marx (Hrsg.), György Ligeti. Of Foreign Lands and Strange Sounds, Woodbridge 2011, S. 78–80. —
44 Einen weiteren Hinweis verdanke ich Christian Utz: In der Omaggio a Frescobaldi, dem letzten Satz aus Ligetis Musica Ricercata (1951–53) – einem Werk, das für Kurtág wichtig war – liegt der Imitationsstruktur eine Folge von 13 Tönen zugrunde. Die 13-tönige Reihe aus »… le tout petit macabre« erinnert deutlich an dieses Modell – auch aufgrund der auseinanderstrebenden chromatischen Linienzüge, die eine weitere Gemeinsamkeit darstellen. —
45 Dass Kurtág offenbar tatsächlich Ligeti im Sinn hatte, als er diesen farbigen Vokalpart entwarf, zeigt ein Vergleich mit der unmittelbar davor erklingenden message à Pierre Boulez: Dort enthält sich die Stimme jeder Färbung (»voce bianca, senza colore«). Die unerwartet vielen Oktavsprünge in dieser Miniatur sind wohl eine humoristische Anspielung auf Boulez’ Oktavenphobie der 1950er Jahre. Darauf weist auch bereits der Titel der message à Boulez hin: »octave«. —
46 Zit. nach Konstantinos Kakavelakis, György Ligetis »Aventures & Nouvelles Aventures«. Studien zur Sprachkomposition und Ästhetik der Avantgarde, Frankfurt/M. etc. 2001 (= Europäische Hochschulschriften: Reihe 36, Musikwissenschaft; Bd. 210), S. 132: Das Zitat stammt aus dem Vortrag »Über die Aventures«, den Ligeti 1964 in Darmstadt hielt. —
47 Auf Bezüge Kurtágs zur Musikalischen Rhetorik wurde in der Literatur wiederholt hingewiesen – insb. im Zusammenhang mit dem Vokalzyklus Bornemisza Péter mondásai für Sopran und Klavier op. 7. Vgl. Stefan Fricke/Friedrich Spangemacher, Art. »György Kurtág«, in: Hanns-Werner Heister/Walter-Wolfgang Sparrer (Hrsg.), Komponisten der Gegenwart, online unter:
http://www.munzinger.de/document/17000000324 [letzter Zugriff: 09.09.2020]: »Die Sprüche des Péter Bornemisza schließen musikalisch vor allem an die Tradition Gabrielis und Schütz’ an, in der Wiederentdeckung des ›stile rappresentativo‹, der affektgeladenen Musik mit den Text ausdeutenden Passagen.« —
48 Neben Beckett verwies Ligeti in diesem Zusammenhang auch auf den späten Beethoven. Vgl. Ligeti, »Laudatio auf György Kurtág« (Anm. 32), S. 489: »Beethovenisch-skurril sind die Kafka-Fragmente und, noch intensiver, die Beckett-Vertonung What is the Word für Rezitatorin, Vokal- und Kammerensemble aus den Jahren 1990–91. Die Skurrilität bedeutet aber keineswegs nur Humor, vielmehr Verzweiflung und Scheitern. Nur eben ist die Kurtágsche Verzweiflung nie tatsächliches Scheitern, sondern ein Balanceakt am Rande des Scheiterns – diese Nähe zum Absturz ist das großartige Gelingen des Seiltänzers, der den Sturz überlegen mimt.« —
49 Diesbezüglich ließe sich im vorliegenden Zusammenhang auch auf Kurtágs Klavierstück Les Adieux (1979) aus dem V. Band der Játékok verweisen, in dem der kleinen Sext g – es′ (vgl. Beethovens op. 81a, Abb. 6) eine tragende Rolle zukommt. —
50 Vgl. Amy Bauer, Ligeti’s Laments: Nostalgia, Exoticism, and the Absolute, Farnham etc. 2011. —
51 Ein gutes Beispiel dafür ist Ligetis Oper Le grand macabre. Auch bei Kurtág findet sich häufig eine collageartige Kompositionsweise. Ligeti erörtert dies z. B. anhand des 1. Satzes von … quasi una fantasia …. Vgl. Ligeti, »Kurtág: … quasi una fantasia …« (Anm. 15), S. 491. —
52 Die Partitur des 1. Satzes dieses Werks ist auch bei Varga, György Kurtág (Anm. 3), S. 79–81 abgedruckt. Auf diese Ausgabe (Editio Musica Budapest) nehme ich Bezug. —
53 Zum Klagetopos bei Kurtág vgl. auch Bleek, Musikalische Intertextualität (Anm. 34), S. 303. —
54 Der 5. Satz von Sippal, dobbal, nádihegedüvel (»Alma, álma«) ist durchgehend für Mezzosopran und vier Mundharmonikas gesetzt. Dies könnte man als fernes Echo der Auseinandersetzung mit Kurtágs Introduzione und somit (ausnahmsweise) als kompositorische Referenz an Kurtág verstehen. Vgl. Anm. 15. —
55 Die damit verbundenen Gedanken und Gefühle brachte er 2007 in einer bewegenden Rede zum Ausdruck. Vgl. Kurtág, Kylwyria – Kálvária, in: Varga, György Kurtág (Anm. 3), S. 103–06; vgl. auch Kurtág, Entretiens (Anm. 12), S. 167–78.