Der Dreißigjährige Krieg. Peter H. Wilson

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Название Der Dreißigjährige Krieg
Автор произведения Peter H. Wilson
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783806241372



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einzustellen. Malaspina war zwar ein fähiger Diplomat, aber alle Streitigkeiten konnte auch er nicht schlichten – nicht zuletzt deshalb, weil die meisten Bischöfe sich obendrein noch mit ihren Domkapiteln zerstritten hatten. Immerhin schloss 1583 der Fürsterzbischof von Salzburg ein Konkordat mit dem bayerischen Herzog, dem neun Jahre darauf ein österreichisches Abkommen mit dem Fürstbischof von Passau folgte, das eine ganz neue Ära verbesserter Beziehungen zwischen den Landesfürsten in der Region einläutete. Der neue Salzburger Fürsterzbischof Wolf Dietrich von Raitenau kehrte von einer Romreise 1588 völlig begeistert zurück: Er hatte sich vom Feuer der Gegenreformation inspirieren lassen. Auch die vier von Salzburg abhängigen Eigenbistümer bekamen nun stärker reformorientierte Bischöfe, unter denen vor allem Martin Brenner zu nennen ist, der 1585 Bischof von Seckau wurde.

      Es dauerte jedoch eine Weile, bis das „Münchner Programm“ Wirkung zeigte, und die neu gefundene Einigkeit unter den Landesherren währte nur kurz. Sie zerbrach, als ein voreiliger Versuch Karls von Habsburg, die protestantische Religionsausübung in seinen Kronstädten zu untersagen, im Dezember 1580 Widerstand provozierte. Karls Verbündete befürchteten, nun werde ein großer Aufstand losbrechen, bekamen kalte Füße und verweigerten ihm ihre militärische Unterstützung. Der Mangel an Truppen und Führungspersonal verhinderte jegliche Umsetzung von Karls Absichten vor Ort. So war der Erzherzog gezwungen, seine restriktive Religionspolitik auf die Stadt Graz zu beschränken, seine Residenz, wo er einen Kreis loyaler Berater um sich scharte und das dortige Jesuitenkolleg zur Universität erhob, um mehr Priester und Verwaltungsbeamte ausbilden zu können. Schon 1587 fühlte er sich stark genug, die kleineren Provinzstädte zum Ziel seiner Reformvorhaben zu machen; dort erwartete man geringeren Widerstand. Karl berief sich auf das ius reformandi, das ihm als Reichsfürsten nach dem Augsburger Religionsfrieden von 1555 zustehe, und richtete eine Reformkommission unter der Leitung des Bischofs Brenner ein, die, beschützt von einer Militäreskorte, durchs Land ziehen sollte, um neue Gemeindepriester einzusetzen, protestantische Schulen zu schließen und sämtliche Magistrate unter katholische Kontrolle zu bringen. Nach außen wurden diese Maßnahmen als moderat und vernünftig dargestellt: Der Erzherzog wolle doch lediglich Frieden und Versöhnung unter seinen Untertanen stiften – er greife zu diesen Mitteln allein, um den katholischen Glauben zu verteidigen und katholischen Kirchenbesitz vor protestantischem Vandalismus zu beschützen! Der Adel befürchtete, man werde ihm die Kommission als Nächstes auf seine Landgüter schicken, und schritt deshalb kaum ein, als seine stadtbürgerlichen Verbündeten nach und nach ihrer Ämter enthoben wurden. Als Erzherzog Karl im Mai 1590 schwer erkrankte, war Brenners Kommission so weit nur auf passiven Widerstand gestoßen. Dann zwangen heftige Ausschreitungen in Graz die dortige Obrigkeit, einen inhaftierten protestantischen Studenten freizugeben. Die Unzufriedenen spürten eine obrigkeitliche Schwäche, und der Aufruhr griff bald auch auf andere Städte über – vor allem nachdem Karl im Juli gestorben und ihm sein zwölfjähriger Sohn Ferdinand als neuer Erzherzog von Innerösterreich nachgefolgt war. Die innerösterreichischen Stände pochten auf ihr traditionelles Recht, für die Zeit der Unmündigkeit des Prinzen einen Regenten zu bestimmen, lehnten jedoch die bayerische Verwandtschaft des Knaben als ungeeignet ab und legten die Regierungsverantwortung stattdessen in die Hände des Erzherzogs Ernst, dem nicht nach einer weiteren Konfrontation zumute war.

      Erzherzog Ferdinand Als Ferdinand 1595 für volljährig erklärt wurde, schien es alles andere als wahrscheinlich, dass er den an die Stände verlorenen Boden würde gutmachen können – geschweige denn, dass er einer der mächtigsten Männer seiner Zeit werden sollte. Der spätere Kaiser hat in der Forschung ein gemischtes Echo gefunden, besonders unter englischsprachigen Historikern, deren Darstellungen von der zeitgenössischen protestantischen Einschätzung geprägt scheinen, Ferdinand sei „nichts als ein törichter Jesuitenzögling“ – „but a silly Jesuited soule“ – gewesen. Seine Mutter, Maria von Bayern, hatte ihn in der Tat schon im März 1590 an das Jesuitenkolleg von Ingolstadt geschickt, um ihn protestantischen Einflüssen zu entziehen; der Tod seines Vaters Karl zwang dessen jungen Nachfolger dann, seine Studien vor der Zeit abzubrechen und nach Graz zurückzukehren. Ferdinand war klein für sein Alter (was seine Schüchternheit erklären mag), und seine Familie machte sich schon bald Sorgen um seine Gesundheit, zumal bereits zwei seiner Brüder jung gestorben waren. Solche Befürchtungen sollten sich als unbegründet erweisen: Ferdinand wuchs zu einem körperlich gesunden Jungen heran, wurde ein vorzüglicher Reiter und begeisterter Jäger. Anders als sein Vetter Rudolf begegnete Ferdinand seinen Mitmenschen stets freundlich und mit Wohlwollen, ein Eindruck, den wohl seine gesunde Gesichtsfarbe sowie – in späteren Jahren – zunehmende Leibesfülle noch verstärkten. Tatsächlich wurde Ferdinand alles andere als ein Kostverächter, er liebte vor allem Wildbret und üppige Fleischgerichte, die ihm neben seinem Übergewicht wohl auch eine Asthmaerkrankung bescherten. Anders als viele seiner Standesgenossen trank er Alkohol jedoch nur in Maßen, und sein Beichtvater verkündete stolz, der Erzherzog empfange Damenbesuch niemals allein. Angeblich trug Ferdinand vor seiner Hochzeit sogar ein härenes Büßerhemd, um alle sinnlichen Begierden gleich im Keim zu ersticken, und hielt es als Witwer genauso. Der päpstliche Nuntius in Wien, Carlo Carafa, berichtete später:

      „Abends zehn Uhr legt er [Ferdinand], nach deutscher Gewohnheit, sich nieder; früh um vier Uhr, oft noch früher, ist er schon wieder auf den Beinen. … Jeden Tag pflegen Seine Majestät zwei Messen zu hören, eine für die Seele Ihrer ersten Gemahlin, Schwester des Herzogs von Bayern, die, obwohl wankender Gesundheit, von dem Kaiser zärtlich geliebt wurde. Ist’s ein Festtag, so empfängt er nach diesen Messen die heilige Kommunion, zu welchem Zwecke er sich in die Kirche begibt und dort eine deutsche Predigt anhört. Gewöhnlich wird sie von einem Jesuiten gehalten und dauert eine Stunde. Nach der Predigt wohnt er dem Hochamte bei, was bei ausgesuchter Musik gewöhnlich anderthalb Stunden erfordert. … An solchen Tagen, die nicht Festtage sind, bringt der Kaiser, nachdem er zwei Messen gehört (wovon er niemals abgeht), den Rest des Vormittags, häufig auch einen Teil des Nachmittags in der Ratssitzung zu.“49

      Von den üppigen Mahlzeiten, der Regierungsarbeit, der Jagd und stundenlangen Gebetssitzungen in zugigen Kirchen sollte Ferdinand nicht mehr ablassen, solange er lebte. Bei seiner Autopsie wunderten sich die Ärzte, dass der Kaiser überhaupt so lange gelebt hatte.

      Ferdinand nahm sich ab 1595 zwar nacheinander drei Jesuiten zum Beichtvater, war selbst jedoch eher fromm als ein Fanatiker. Sein tiefes Verlangen, dem Katholizismus zum Sieg zu verhelfen, wurde durch einen ebenso tiefen Respekt vor Gesetz und Herkommen abgemildert; gegen diese „Verfassung“, wie er sie verstand, wollte er nicht verstoßen. Während er den Ständen von Innerösterreich gegenüber erklärte, er sei ein „absoluter Fürst“, lehnte er die Vorstellung einer Staatsräson à la Machiavelli strikt ab – glaubte er doch fest daran, dass politischer Erfolg auf christlichen Prinzipien beruhen müsse. Sein Glaube an die göttliche Vorsehung wurde durch eigene Erfahrungen anlässlich der Grazer Ausschreitungen im Sommer 1590 gestärkt, als ein heftiges Gewitter die Protestanten auseinandergetrieben und so – dessen waren die Katholiken sich sicher – ein unmittelbar bevorstehendes Blutbad verhindert hatte.50 Der Erfolg seiner späteren Reformbemühungen festigte Ferdinands Überzeugungen, gerade weil die meisten seiner Berater ihm prophezeit hatten, dass sie in einem allgemeinen Aufstand enden würden. Und doch blieb dem Erzherzog die Befürchtung, Gott werde ihn im Stich lassen, sobald er einen Fehler mache; sie war der Grund für seine Vorsicht und sein stetes Bemühen, umfassenden Rat einzuholen, bevor er zur Tat schritt.

      Seine Absichten machte Ferdinand bereits deutlich, als er bei seinem Antritt als Erzherzog zu dem alten Antrittseid zurückkehrte, der 1564 abgeändert worden war, um die Protestanten nicht unnötig zu reizen. Auch lehnte er es ab, das Brucker Libell als Teil der innerösterreichischen Grundgesetze anzuerkennen. Vonseiten der Stände suchte jedoch niemand die Konfrontation, und so nahm man Ferdinands Schweigen als Zustimmung; 1597 wurde er vom innerösterreichischen Landtag als Erzherzog anerkannt. Nach Ferdinands Verständnis bedeutete die Unterwerfung der Landstände unter seine Autorität, dass er die 1578 gewährten Privilegien ungeniert würde abschaffen können, sobald er stark genug dazu war. Seine politischen Berater drängten zur Vorsicht – sie jedenfalls hatten das Scheitern des Erzherzogs Karl noch nicht vergessen –, aber der Fürstbischof von Seckau, Martin Brenner, und sein Amtskollege aus Lavant, Georg Stobäus von Palmburg, hielten dagegen und ermunterten Ferdinand, allein seinem