Nikomaus & Murmelbär. Adora Belle

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Название Nikomaus & Murmelbär
Автор произведения Adora Belle
Жанр Языкознание
Серия Alles Geschmackssache
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961921164



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abhängt, verhält sich genau entgegengesetzt zum Alter. Nimmt die Anzahl der Jahre zu – vor allem sichtbar! – geht das Interesse potenzieller Sexualpartner rapide zurück und ehe man so recht weiß, wie einem geschieht, wird man aussortiert.

      Falten und graue Schläfen machen sexy? Wach auf, Opa! Die Szene ist schließlich kein Pflegeheim. Da zählt nur glatte Haut, ein straffer Körper und ein knackiger Arsch.

      „Nicht?“ Alexander nimmt gelassen einen Schluck von seinem Kaffee, den die Kellnerin ihm inzwischen serviert hat – noch immer im Flirtmodus übrigens, und zu ihrem kaum verhohlenen Frust noch immer unbeachtet vom Objekt ihrer Begierde. Dann stellt er die Tasse ab und lächelt sichtlich amüsiert.

      „Also, Niko, dann muss ich wohl deutlicher werden. Denkst du wirklich, ich kapiere nicht, was du hier in Wirklichkeit abziehst? Du versuchst seit vier Wochen, jedes Mal, wenn wir uns – rein zufällig“, er malt mit den Fingern Gänsefüßchen in die Luft, „irgendwo begegnen, mich anzubaggern und abzuschleppen und genauso lange versuche ich, dir auf die freundliche Art zu vermitteln, dass ich nicht interessiert bin. Und erzähl mir jetzt bitte nicht noch mal das Märchen, dass du nur hier bist, um deinem Freund Matthias zu helfen, weil der zu schüchtern ist, um mich selbst anzusprechen. Denn mal unter uns: Schüchtern wirkt Matthias auf mich nicht gerade und davon abgesehen fehlt ihm eindeutig jeglicher Enthusiasmus für die Sache. Ich bilde mir zwar bestimmt nicht ein, dass er aus Dankbarkeit vor mir auf die Knie fallen müssten, nur weil ich in Erwägung ziehe, ihn in mein Video-Projekt aufzunehmen, aber er macht nicht gerade den Eindruck, als hätte er auch nur einen Hauch Interesse an dem Ganzen. Wenn ich also raten müsste, was hier los ist, würde ich vermuten, du hast ihn zu dem Ganzen überredet und hergeschleppt, um einen Vorwand für weitere Zusammentreffen mit mir zu haben. Stimmt’s oder hab ich recht?“

      Niko starrt ihn an, wird abwechselnd blass und flammend rot und senkt schließlich den Kopf.

      „Ja“, sagt er leise. Mit einem Schlag ist sein ganzes Kokettieren, das Wimperngeklimper, der Schmollmund und die aufgesetzte Fröhlichkeit komplett verschwunden. Neben mir sitzt nicht mehr Niko, die männermordende Schlampe, sondern mein Kumpel, den ich seit Ewigkeiten kenne, der mit mir durch dick und dünn geht und mit dem man Pferde stehlen kann. Er macht eine wegwerfende Handbewegung.

      „Du hast ja recht“, ergänzt er, lässt sich in seinem Stuhl zurücksinken und verschränkt seufzend die Arme vor der Brust. „Den Versuch war’s aber trotzdem wert“, schiebt er nach und hebt einen Mundwinkel. Alexander lacht leise.

      „Findest du?“

      „Na klar. Um einen Mann wie dich rumzukriegen, würde ich doch praktisch alles tun.“ Und da klimpern sie wieder, Nikos Wimpern.

      Ich schüttle den Kopf. Der Kerl kann es doch einfach nicht sein lassen.

      Jetzt wird Alexander sehr ernst. Er lehnt sich nach vorn und mustert meinen Freund eindringlich.

      „Pass mal auf, Niko“, sagt er. „Du bist wirklich verdammt süß und ich kann nicht bestreiten, dass mir deine Hartnäckigkeit durchaus schmeichelt. Wenn ich bloß auf eine flüchtige Bettgeschichte aus wäre, wäre ich vielleicht sogar nicht mal abgeneigt. Allerdings ist dir sicher auch klar, dass du in der Szene kein Unbekannter bist. Man hat mich inzwischen mehr als ein Mal vor dir gewarnt und ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass du hören möchtest, was man mir alles über dich erzählt hat oder wie manche dich bezeichnen.“

      Er macht eine kurze Pause und diesmal setzt sich das Rot in Nikos Wangen dauerhaft fest.

      „Versteh mich nicht falsch“, fährt Alexander fort. „Ich habe weiß Gott nichts dagegen, wenn jemand seine Freiheit auskostet, sich nicht festlegen mag und – zu gut Deutsch – wild in der Gegend rumvögelt. Das ist völlig okay und dein gutes Recht, wenn und solange es dich glücklich macht. Ich war eine ganze Zeit lang auch nicht anders. Es hat mir damals einen Kick verschafft, zu sehen, wie viele Männer mich plötzlich wollten, nachdem ich früher immer nur der Fettklops war, den keiner beachtet oder bestenfalls mitleidig belächelt hat. Aber heute sehe ich mich weder als Trophäe, noch bin ich scharf drauf, mir möglichst viele Kerben in meinen Bettpfosten schnitzen zu können. Das würde auf Dauer sowieso höchstens dazu führen, dass das Teil unter mir zusammenkracht.“

      Er lächelt aufmunternd. „Was ich damit eigentlich sagen will, ist Folgendes: Ich will nicht ficken, sondern Liebe machen, verstehst du? Mit einem Menschen, der mir was bedeutet und dem ich ebenso sehr am Herzen liege wie er mir. Und ein Kerl, der die Männer öfter wechselt als manch anderer seine Unterwäsche – sorry, aber der ist ganz bestimmt nicht der Richtige dafür.“

      Alexander hat ruhig gesprochen und obwohl seine Ansage ziemlich starker Tobak ist, liegt überhaupt nichts Abfälliges in seinem Tonfall. Seine Miene drückt sogar ehrliches Bedauern aus.

      Boah, ist der Kerl echt? Das gibt’s ja gar nicht! So viele gute Eigenschaften auf einem Haufen, da frage ich mich doch unwillkürlich, wo eigentlich der Haken ist. Niko beschäftigt aber offensichtlich was anderes.

      „Und wenn ich dir beweise, dass ich auch ganz anders sein kann? Treu und zuverlässig?“, fragt er und sein Blick hängt bittend an Alexanders Gesicht. Doch der schüttelt den Kopf, ohne zu lächeln.

      „Tu dir und mir einen Gefallen und versuch es erst gar nicht“, erwidert er. „Du bist nicht so und wenn du ehrlich zu dir selbst bist, dann weißt du das auch. Vielleicht kommst du irgendwann an den Punkt, wo sich Treue und eine feste Beziehung für dich richtig anfühlen, und dann passt es auch, aber im Augenblick würdest du dich nur verbiegen. Am Ende wären wir beide unglücklich und würden uns wünschen, wir wären einander nie begegnet. Da ist es doch besser, wir verkehren weiterhin nur auf freundschaftlicher Ebene, meinst du nicht?“

      Niko hat ihm mit stetig wechselndem Gesichtsausdruck zugehört. Widerspruch und Resignation waren dabei am deutlichsten erkennbar, doch am Ende blitzt es in seinen Augen und ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich wissen will, was das bedeutet. Aber er lächelt und nickt, als Alexander verstummt, legt den Kopf schräg und sagt: „Du hast vermutlich recht. Also dann, lass uns stattdessen eben Freunde werden.“

      Damit streckt er die rechte Hand aus und Alexander ergreift sie, während er eindeutig erleichtert wirkt.

      Ich dagegen traue dem Frieden nicht. Es passt nicht zu Niko, dass er so leicht einknickt. Doch ich komme nicht dazu, längere Überlegungen anzustellen, denn jetzt wendet sich Alexander mir wieder zu.

      „Nachdem das also geklärt wäre – wie sieht es nun mit dir aus? Hast du trotzdem Interesse, dich von mir coachen zu lassen?“

      Bitte? Ich dachte, das Thema wäre jetzt endgültig vom Tisch?

      „Ähm, also … eigentlich …“

      „Ich glaube nämlich, wenn du ein bisschen mehr aus dir machen würdest, wärst du ein echter Hingucker“, setzt Alexander noch einen oben drauf und reizt mich damit zum Lachen.

      Wenn ich …? Wie bitte? Was hat der denn geraucht?

      „Guter Witz“, sage ich und schüttle den Kopf. „Ne, lass mal. Ich hab mehr als einen Spiegel zu Hause und schaue sogar gelegentlich rein, weißt du?“

      Alexander hebt die Brauen.

      „Wie meinst du das?“

      „Na, also bitte!“ Ich schnaube und runzle die Stirn, würdige ihn aber keiner weiteren Erklärung. Was soll das Ganze jetzt noch? Will er mich verarschen, gerade nachdem ich anfing, ihn halbwegs sympathisch zu finden?

      „Nein, ernsthaft, Matthias“, insistiert Alexander. „Okay, du hast etwas Übergewicht und könntest auch ein kleines Umstyling durchaus vertragen, aber ich finde, davon mal abgesehen bist du ein durchaus attraktiver Mann.“

      Sprachlos starre ich ihn an und muss meine Kinnlade daran hindern, ungebremst auf die Tischplatte zu knallen. Was hat er da gerade gesagt? Alexander findet mich attraktiv? Mich?

      Und das, obwohl Niko neben mir sitzt und er selbst im Vergleich zu uns beiden als absoluter Adonis durchgeht?