Nikomaus & Murmelbär. Adora Belle

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Название Nikomaus & Murmelbär
Автор произведения Adora Belle
Жанр Языкознание
Серия Alles Geschmackssache
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961921164



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und ziehe finster die Brauen zusammen. „Ein fetter Trampel wie ich bietet dem Regen halt einfach mehr Angriffsfläche als dein angebeteter Alexander!“

      Niko hebt die Brauen.

      „Hä?“, macht er.

      „Das heißt: Wie bitte“, korrigiere ich ihn bissig. Er schüttelt den Kopf.

      „Was ist denn mit dir los?“, will er wissen. „Eben im Bistro warst du auch schon so komisch drauf. Was hat Alex dir denn getan, dass du ihn so vor den Kopf stoßen musstest?“

      „Ach? Jetzt ist es schon Alex?“, kontere ich pikiert. „Ich gratuliere. Dann brauchst du meine Hilfe ja sicher nicht mehr und hast auch bestimmt nichts dagegen, wenn ich mich jetzt verdünnisiere.“

      „Matze!“ Niko hat sich sehr gerade aufgerichtet und die Fäuste in die Hüften gestemmt. „Jetzt hör auf mit dem Scheiß! Sag mir einfach, was los ist, anstatt hier einen auf beleidigte Diva zu machen, okay?“

      Beleidigte Diva? Wie bitte? Dem geb ich gleich eine beleidigte Diva!

      „Die beleidigte Diva geht jetzt einen Schokoriegel essen. … oder fünf! … oder zehn! Und jeder, der damit ein Problem hat, kann ihr mal gepflegt den Buckel runterrutschen! Du, dein Alex oder wer auch immer! Ich hab’s nämlich nicht nötig, mich von so einer dämlichen Muskeltunte beleidigen und vorführen zu lassen, kapiert?“

      „Was? Aber …“ Niko reißt Mund und Augen auf.

      „Und von dir auch nicht!“, fahre ich ihn an und hebe drohend den Finger. „Falls du also mal wieder einen Köder brauchst, um dir einen Kerl klarzumachen – such woanders! Ich stehe ab sofort nämlich nicht mehr zur Verfügung!“

      Damit mache ich auf dem Absatz kehrt, marschiere in mein Zimmer und knalle die Tür mit Schwung hinter mir zu.

      „Wow“, klingt es noch gedämpft durchs Holz, aber dann herrscht Stille auf der anderen Seite. Offenbar hat Niko beschlossen, mich nicht weiter zu reizen. Eigentlich erstaunlich einfühlsam von ihm und obendrein doch genau das, was ich gerade noch wollte. Aber nun stelle ich plötzlich fest, dass mir das auch nicht passt.

      Aaargh! Was bin ich eigentlich? Ein zickiges, pubertäres Mädchen?

      Ich tigere in meinem Zimmer hin und her wie ein Puma im Käfig, während in meinem Kopf die Szene mit Alexander im Bistro wieder und wieder abläuft.

      „Ich glaube, wenn du ein bisschen mehr aus dir machen würdest, wärst du ein echter Hingucker“, höre ich ihn quasi in einer Endlosschleife sagen.

      Ich! Ein Hingucker! Und das aus dem Mund dieses Typen!

      Ja, von wegen! Drauf geschissen! Das kann doch nur Verarsche gewesen sein! Oder?

      Irgendwann halte ich es nicht mehr aus, öffne leise meine Tür und finde zu meiner Erleichterung den Flur leer vor. Aus Nikos Zimmer dringt gedämpfte Musik an meine Ohren, während ich rüber ins Badezimmer schleiche. Dort haben wir ein geradezu vorsintflutliches Möbelstück stehen, ein Ding aus dem Zeitalter der Dinos, oder zumindest aus den Achtzigern oder so ähnlich. Ein uraltes, potthässliches Erbstück von Nikos Oma, mit Kunststofffronten in Kackbraun und insgesamt einfach nur abscheulich, aber – und deswegen hat ausgerechnet Niko sich bisher immer vehement gegen die Entsorgung gewehrt – an der einen Tür besitzt das Erbstück einen Ganzkörperspiegel.

      Meine Argumente, dass wir uns doch auch einen anderen Spiegel besorgen und den einfach an die Wand hängen könnten, wenn es ihm so wichtig ist, sich von oben bis unten betrachten zu können, hat mein Kumpel bisher immer abgeschmettert. Meistens habe ich mir irgendwann im Laufe der unweigerlich folgenden Diskussion vor Augen geführt, was für einen Haufen Krempel Niko eben hinter besagter Spiegeltür verstaut und dann habe ich stets nachgegeben. Zwar theatralisch seufzend, aber mal ehrlich: Wenn er die ganzen Tiegel, Flaschen und Tuben, die er da aufbewahrt, am Ende womöglich einfach so ins Badezimmer stellt, laufe ich ernsthaft Amok!

      Was das angeht, ist Niko nämlich ein wandelndes Klischee, im Gegensatz zu mir, der sich mit Duschgel, Shampoo, Deo und Zahnpasta ausreichend versorgt fühlt. Bei geschlossener Dino-Schranktür steht wenigstens nicht alles wild in der Gegend verteilt herum und das Badezimmer ist ordentlich aufgeräumt.

      Okay, zumindest so sehr, wie das in einer Wohnung mit zwei Kerlen der Fall sein kann, die beide keinen übertriebenen Ordnungsfimmel haben. Wenn ich mir allerdings vorstelle, dass nach erfolgter Entsorgung des Möbelstücks, das sich Badezimmerschrank nennt, dieses ganze Zeug ja auch irgendwo untergebracht werden muss und jetzt schon weiß, wie das endet, finde ich mich doch noch lieber mit der kackfarbenen Scheußlichkeit ab als mit der Aussicht, dass unser Männerbad sich in einen Kosmetiksalon verwandelt.

      Natürlich haben wir – besser gesagt ich – auch schon den Versuch gemacht, einen adäquaten Ersatz zu finden, nur leider bisher erfolglos. Mal war der vorhandene Stauraum zu klein, bei anderen Modellen fehlte der Spiegel. Insgeheim vermute ich ja, dass es eher sentimentale Gründe sind, die Niko daran hindern, sich von dem grässlichen Schrank zu trennen, aber sei’s drum. Er könnte schlimmere Macken haben.

      Jedenfalls ist haargenau dieser Schrank mit seinem Spiegel nun mein Ziel. Für gewöhnlich achte ich ja nicht groß drauf, wie ich aussehe, während ich im Bad hantiere. Ich meine, ich lege Wert auf Reinlichkeit und Körperhygiene, schon von Berufs wegen, aber ich posiere nicht selbstverliebt und teste aus, von welcher Seite mein Profil am besten zur Geltung kommt oder so. Wie ich Alexander auch schon gesagt habe: Ich weiß, wie ich aussehe und mache mir diesbezüglich keinerlei Illusionen.

      Als ich jetzt allerdings im Bad vor besagtem Spiegel stehe, lasse ich nach einem tiefen Atemzug meinen Blick ein Mal an meinem Abbild rauf und wieder runter wandern und stelle praktisch augenblicklich fest, dass ich genauso aussehe wie immer. Was für eine Überraschung.

      Ich trete etwas näher an das Glas und kneife die Augen zusammen bei der folgenden, intensiveren Musterung. Mein Gesicht finde ich ja so weit noch ganz in Ordnung. Nicht übermäßig auffällig und natürlich bei Weitem nicht so attraktiv wie das von diesem Fitness-Knilch, aber auch nicht hässlich. Braune Augen, ebenfalls braunes, sehr kurz geschnittenes Haar, eine normale Nase und ein eindeutig männlicher Mund mit schmalen Lippen, umrahmt von einem gepflegten Dreitagebart. Erfreulicherweise ist der Ansatz zu einem Doppelkinn zwar vorhanden, aber noch kaum zu sehen. Wenn ich mir angewöhne, den Kopf ein bisschen höher zu halten, sieht man ihn gar nicht.

      Meine Arme sind kräftig, dank der körperlichen Arbeit im Krankenhaus, da schwabbelt nichts, und auch meine Beine sind ziemlich gerade, mit sichtbaren Muskeln an den richtigen Stellen. Womöglich entwickle ich später mal Krampfadern, meine Mutter hat ziemlich damit zu kämpfen, aber im Moment deutet nichts darauf hin.

      So weit kann ich also durchaus einigermaßen zufrieden mit mir sein. Lediglich zwischen Kopf und Beinen, da hapert es ein wenig.

      Okay, vielleicht auch etwas mehr. Aber ich bin ja auch ein Kerl und kein Hänfling.

      Gott sei Dank habe ich wenigstens keine Männertitten, wenn ich allerdings noch mehr zunehme, ist es wohl lediglich eine Frage der Zeit, bis sie auftauchen. Und meine Murmel könnte sehr wohl Pate gestanden haben bei dem Spruch von wegen Sixpack oder Bierfass.

      Okay, es ist nur ein sehr kleines Fass, eher ein Fässchen, aber übersehen lässt die kleine Kugel sich trotzdem nicht. Auch nicht, wenn ich den Bauch einziehe.

      Aber vielleicht, wenn ich mich so drehe und … So sieht es doch eigentlich ganz okay aus, oder?

      Aargh, was mache ich hier eigentlich? Bis heute hat mich meine kleine Plauze doch nie wirklich gestört, wieso fühle ich mich also jetzt plötzlich bei ihrem Anblick unwohl? Hat dieser Alex es etwa doch geschafft, mir einen Floh ins Ohr zu setzen?

       Vielleicht, weil du es dir nur nie eingestanden hast?

      Er nun wieder. War ja klar.

      „Halt du dich da raus“, brumme ich. „Das hier ist Männersache, nix für halbe Portionen wie dich!“

      Das