Nikomaus & Murmelbär. Adora Belle

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Название Nikomaus & Murmelbär
Автор произведения Adora Belle
Жанр Языкознание
Серия Alles Geschmackssache
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783961921164



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und seinem hartnäckigen Drängen nachgab.

      Dank seiner unerschütterlichen Frohnatur und der vielen verrückten Ideen, die schon damals ständig in seinem Kopf herumzuhüpfen schienen wie wild gewordene Flummis, wollten natürlich auch viele meiner Klassenkameraden mit Niko befreundet sein. Ich dachte logischerweise, er würde mich abservieren, sobald er begriff, was für ein Loser ich in den Augen der Übrigen war, aber es kam anders.

      Niko ließ einfach wie selbstverständlich durchblicken, dass, wer mit mir ein Problem hatte oder mich blöd von der Seite anmachte, bei ihm ebenfalls unten durch war. Und auf diese Weise fand ich schließlich doch noch so was Ähnliches wie ein paar Freunde, von denen mir aber keiner so nahestand, wie Niko es tat und noch heute tut. Der Kontakt mit diesen übrigen Schulfreunden von damals ist dementsprechend auch bis heute größtenteils abgerissen, was mir aber nicht wirklich was ausmacht, denn im Grunde ist Niko der einzige Mensch, den ich als echten Freund bezeichne.

      Im Gegensatz zu mir hat er natürlich noch jede Menge andere soziale Kontakte, geht oft aus und unternimmt die wildesten Sachen mit irgendwelchen Leuten, die ich nicht mal ansatzweise kenne.

      Klar, gelegentlich kommt ihn auch mal wer besuchen und weil Niko und ich eine Wohngemeinschaft bilden, stellt er uns natürlich auch gegenseitig vor, aber ich habe längst gemerkt, dass die meisten dieser Bekanntschaften – Freundschaften kann man das meiner Meinung nach kaum jemals wirklich nennen – eine ziemlich geringe Halbwertszeit besitzen. Ich habe mir also inzwischen abgewöhnt, mir irgendwelche Namen oder Gesichter merken zu wollen.

      Als Niko und ich jedenfalls im Laufe der Pubertät entdeckten, dass wir tatsächlich alle beide mehr Interesse am eigenen Geschlecht haben als am anderen, war das zwar erst mal ein schier unglaublich scheinender Zufall, aber dann auch für uns beide eine riesige Erleichterung. Das Band unserer Freundschaft knüpfte sich dadurch noch enger, als es ohnehin schon war.

      Unsere Eltern reagierten zwar auch allesamt ziemlich cool auf unser doppeltes Outing, aber einen ebenfalls schwulen besten Freund zu haben, war doch noch mal was völlig anderes. Wir hatten dadurch jeder einen Menschen an der Seite, der wusste, wovon man redete, wie man fühlte, der einen unterstützte, wenn es drauf ankam, und der sich vor allem mit genau denselben Sorgen und Problemen herumschlagen musste wie man selbst.

      Ansonsten war zwischen uns aber immer alles rein platonisch und das wird sich auch niemals ändern. Schon die Vorstellung, mit Niko rumzumachen, käme mir … na ja, verdammt komisch vor. Fast ein bisschen so, als würde ich was mit meinem eigenen Bruder anfangen – nicht, dass ich einen hätte, ich bin, wie man so schön sagt, ein verwöhntes Einzelkind.

      Jedenfalls wäre eine körperliche Beziehung zwischen Niko und mir eine echt gruselige Vorstellung. Für mich auf jeden Fall, und was Niko betrifft, entspreche ich auch schon rein äußerlich kein bisschen seinem bevorzugten Typ. Mein Kumpel steht nämlich auf Schönlinge mit vielen Muskeln und hat im Laufe der Jahre schon Kerle abgeschleppt, bei denen der Umfang des Bizeps vermutlich größer war als der jeweilige IQ.

      Aber okay, selbst ich kenne den blöden Spruch: Dumm bumst gut und nach allem was ich so mitbekommen habe, scheint da wohl durchaus was Wahres dran zu sein.

      Eine Beziehung zwischen Niko und einer dieser Dumpfbacken ist trotzdem nie daraus geworden. Nicht, weil die nicht gewollt hätten – es gab durchaus den einen oder anderen, der interessiert gewesen wäre, wie mein Freund mir gelegentlich berichtet hat. Es liegt eher daran, dass Niko sich recht schnell langweilt und die meisten seiner Lover spätestens nach zwei, drei Mal Matratzengymnastik wieder schasst.

      Für ihn ist die Jagd auf das jeweilige Objekt seiner Begierde nun mal interessanter, als sein Ziel schließlich zu erreichen, sprich: Nachdem er den aktuellen Favoriten ins Bett bekommen hat, erlischt sein Interesse schneller als ein Streichholz im Platzregen.

      Das geht, wie man sich vielleicht denken kann, natürlich längst nicht immer gut, manche der Kerle wollen es nämlich nicht wahrhaben, dass Niko sie abserviert hat, und es gab daher auch schon ein paar recht unschöne Szenen, inklusive einem nächtlichen Aufruhr im Treppenhaus, nervigem Telefonterror und sogar einem Polizeieinsatz.

      Nun werden sicher manche von euch denken, dass mir das im Grunde völlig schnurz sein kann und oberflächlich betrachtet stimmt das sicher. Das Dumme daran ist nur, dass ich schon ein paar Mal sozusagen in der ersten Reihe gestanden habe, wenn einer von Nikos Verflossenen wahlweise die Klette oder den Neandertaler raushängen ließ. Immerhin wohnen wir zusammen und das sorgte in der Vergangenheit bei manchen Kerlen für Missverständnisse.

      Okay, mein Kumpel ist auch wirklich ein echter Hingucker, also kann ich es schon irgendwo nachvollziehen, dass da gelegentlich Eifersucht und Besitzansprüche ins Spiel kommen.

      Niko ist trotz seiner fast dreißig Jahre immer noch ein typischer Twink, schlank, mit blonden Locken und leuchtend blauen Augen, einer kleinen, zarten Stupsnase und einer Oberlippe, die mit ihrem frech aufwärts geschwungenen Amorbogen regelrecht zum Küssen und daran Knabbern einlädt.

      Also, mich nicht, ich stelle das nur rein objektiv fest, aber eben jede Menge andere Kerle. Trotzdem lege ich keinen gesteigerten Wert auf irgendwelche nächtlichen Dramen vor meiner Wohnungstür.

      Die Krönung bis heute war ein Typ, der wohl auch dachte, ich wäre Nikos neuer Stecher oder so was in der Art und er müsste mir handgreiflich klarmachen, dass ich gefälligst die Finger von ihm lassen sollte. Ich bin von Beruf Krankenpfleger und hatte damals Nachtdienst, lag also im Bett, als besagter Kerl eines schönen Tages gegen Mittag an unserer Tür schellte.

      Zuerst wollte ich das Gebimmel ja ignorieren, aber leider war der Spinner verdammt hartnäckig und irgendwann kämpfte ich mich doch aus den Federn. Ich schlurfte murrend durch die Diele, machte die Tür auf und dann sah ich nur noch eine Faust auf mich zu kommen.

      Danach wird in meinem Gedächtnis für eine Weile alles undeutlich. Meine Erinnerung setzt erst an dem Punkt wieder ein, wo Niko plötzlich neben mir steht und einen Heidenspektakel veranstaltet. So klein wie er ist, machte er diesem Brutalo damals trotzdem regelrecht Feuer unterm Arsch und schickte ihn am Ende so kleinlaut in die Wüste, dass er locker hätte unter dem Teppich Stelzen laufen können.

      Niko kann nämlich durchaus ausrasten und wenn er wirklich sauer ist, wirkt das schon ziemlich beeindruckend. Glaubt ihr nicht? Dann stellt euch vor, wie ein süßes, flauschiges Kaninchen von jetzt auf gleich plötzlich das Fell sträubt, die Krallen wetzt und euch mit den Zähnen voran in den Schritt springt, wo es sich festbeißt.

      So in etwa fühlt sich das an, wenn Niko ausflippt. Also, so stelle ich mir das vor. Ich selbst war ja bisher noch nie selbst das Ziel, sondern immer nur Zeuge eines solchen Ausrasters und fast bin ich versucht zu sagen: Gott sei Dank!

      Ich meine, so was ist doch schon ziemlich beängstigend, oder? Einfach weil man nicht damit rechnet, so fröhlich und locker, wie Niko normalerweise gestrickt ist.

      Jedenfalls war der fremde Kerl damals längst weg, bis ich wieder so richtig geradeaus schauen konnte, und Niko betüddelte mich den Rest des Tages wie eine Glucke ihr Küken. Er entschuldigte sich tausend Mal und wünschte dem – ich zitiere: „bescheuerten Arsch“, wie er seinen gewalttätigen Ex-Lover nannte – Dünnschiss, Feigwarzen und Tripper an den Hals. Gleichzeitig, wohlgemerkt!

      Sein promiskuitives Verhalten hat er trotzdem nicht geändert, aber letzten Endes aus dieser unschönen Begegnung die Konsequenz gezogen, keinen seiner One-Night-Stands mehr mit in unsere Wohnung zu bringen. Auch seine Telefonnummer gibt er praktisch an niemanden mehr heraus, jedenfalls an keine seiner Eroberungen. Er lässt sich seitdem lieber von seinem auserkorenen Opfer mit nach Hause nehmen, und wenn das nicht geht, dann in den Darkroom des jeweiligen Etablissements oder notfalls sogar in eine Toilettenkabine, wenn sich gar keine andere Möglichkeit bietet und diese einigermaßen sauber ist.

      Das würde ihm unnötige nächtliche Diskussionen ersparen und die Wahrscheinlichkeit anschließender Komplikationen deutlich verringern, meint er. Dass so was auch mal irgendwann gehörig in die Hose gehen kann, blendet er dabei geflissentlich aus und schlägt auch meine sämtlichen gut gemeinten Warnungen stets in den Wind. Was soll ich also weiter dazu sagen?