Название | Dr. Norden Bestseller Paket 1 – Arztroman |
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Автор произведения | Patricia Vandenberg |
Жанр | Языкознание |
Серия | Dr. Norden Bestseller Paket |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783740937553 |
Tatjana war totenblass. Ihre Mundwinkel zitterten. Dr. Camphausen spürte, dass sie jetzt möglichst schnell verschwinden wollte. Er überlegte noch, was er tun könnte, um sie festzuhalten, aber er setzte sein ganzes Vertrauen auf das Detektivinstitut Pichler und ließ sie gehen.
Er verabschiedete sich mit einer knappen Verbeugung.
In fast panischer Eile entfernte sich Tatjana.
*
Sie warf sich schwer atmend in den Wagen. »Nichts, nichts bekommt sie!«, stieß sie hervor.
»Rede doch keinen Unsinn!«, zischte Anatol van Reyken.
»Cornelius erbt alles«, schrie sie fast. »Magnus muss doch noch die Wahrheit erfahren haben.«
»Er war erst ein paar Tage nach seinem Tode angekommen«, stieß er zwischen den Zähnen hervor.
»Du hast Magnus beobachtet, aber nicht Cornelius«, sagte sie.
»Halt den Mund«, sagte er wütend.
»Es hört doch niemand. Und wenn Dr. Camphausen nun an den Fürsten schreibt?«
»Das dauert seine Zeit. Nur keine Panik, mein Täubchen. Es ist wohl ein Umweg, aber mir fällt schon etwas ein.«
Aber er war noch so in Gedanken, dass er nicht bemerkte, dass ihnen der graue Volkswagen wieder folgte. Er war gereizt, aber Kurti Schnell summte ein fröhliches Liedchen vor sich hin, als sie dann vor einem anderen Hotel hielten.
*
Es hatte lange gedauert, bis Cornelius zu sprechen begann. Sie waren durch einen nahen Park gelaufen, so schnell, als gelte es, eine Medaille zu erringen. Saskias Wangen hatten sich rosig gefärbt.
»Hast du Hunger?«, fragte Cornelius. »Oder gestattest du nicht, dass ich dich duze?«
»Das ist mir jetzt egal«, erwiderte Saskia. »Vielleicht habe ich mich wie ein dummes Kind benommen, aber als Bruder kann ich dich doch nicht betrachten.«
»Dann vielleicht als Freund«, sagte er mit einem versteckten Lächeln.
»So schnell schließe ich nicht Freundschaft«, sagte sie aggressiv.
»Ich wäre schon damit zufrieden, wenn du mich nicht mehr als Feind betrachten würdest, Saskia«, sagte Cornelius, ohne eine Spur von Gekränktheit zu zeigen.
»Ich habe so viel nicht verstanden«, sagte sie leise.
»Du warst damals noch ein kleines Mädchen, und ich musste auch erst richtig erwachsen werden, bis ich begreifen lernte.«
»Wie alt bist du eigentlich?«, fragte sie nun.
»Dreißig.«
Kein Junge mehr, sondern ein richtiger Mann. Aber zwischen damals und heute hatte sich viel verändert. Sie war wirklich noch ein kleines und sehr trauriges Mädchen gewesen, und er war ihr mächtig alt vorgekommen, weil er so groß gewesen war wie heute und sie so zu ihm aufblicken musste, wollte sie in sein Gesicht sehen. Es war nicht in ihren kleinen Kopf hineingegangen, dass ihr Papi einen so ›alten‹ Sohn haben sollte.
Heute nun schien die Differenz in der Größe aber auch im Alter zusammengeschrumpft zu sein. Immerhin ging sie ihm bis zur Schulter und war neunzehn.
»Hat dir Dr. Camphausen alles Wichtige gesagt?«, fragte Cornelius, während sie noch über ihn und auch über sich nachdachte.
»Er hat mir sehr viel gesagt. Hattest du ihm gestattet, dass er über dich spricht?«
»Wenn er mir das abgenommen hat, muss ich ihm sogar dankbar sein. Über mich spreche ich nicht so gern. Wir wollen über dich sprechen, Saskia. Wie hat es dir im Internat gefallen?«
»Ich habe viel gelernt. Innen war es nicht so düster wie von außen.«
Er wurde leicht verlegen, weil er sich erinnerte, dass sie seine Briefe gelesen hatte. Evelyn hatte es ihm gesagt. Und er erinnerte sich auch, dass er von dem düsteren Schloss geschrieben hatte.
»Hast du Freundinnen gewonnen?«, fragte er behutsam.
»Ich wollte keine haben. Mädchen sind meist auch sehr schwatzhaft.«
Es rührte ihn. Sie war so aufrichtig, so ernsthaft und nachdenklich.
»Ich bin zurückgekommen, obgleich Mutter es nicht wollte. Es musste so sein«, fuhr sie fort, »sonst würde sie vielleicht gar nicht mehr leben. Reyken hätte den Arzt bestimmt nicht geholt. Dr. Camphausen erzählte mir, dass deine Mutter Reyken schon lange kannte.«
»Das ist milde ausgedrückt.«
»Wir brauchen darüber nicht zu reden. Ich kann mir denken, dass es dir nicht angenehm ist.«
Wie gut sie sich einfühlen konnte! Sie setzte ihn immer mehr in Erstaunen. Zuerst war sie ihm nur wie eine liebliche fremdländische Blume erschienen, die sich noch nicht voll entfaltet hatte. Jetzt wurde ihm bewusst, dass sie sich noch gar nicht entfalten konnte, weil sie nach innen lebte, aber was in ihr steckte, war erstaunlich und des Nachdenkens wert.
»Ich war sehr bestürzt, als ich das Telegramm von Evelyn erhielt«, sagte er.
»Was hatte Mutter telegrafiert?«
»Bitte dringendst um Hilfe. Ja, es war ein richtiger Hilfeschrei. Ich fühlte es. Und nun weiß ich auch, warum sie Hilfe brauchte. Reyken hatte sie überrumpelt. Ein kaltblütiger Bursche.«
»Widerwärtig«, sagte Saskia zornig.
»Er hat sich aus dem Staube gemacht, aber wir werden ihn schon zu fassen bekommen.«
»Hat er etwas mit Papis Tod zu tun?«, fragte Saskia.
»Es kann möglich sein. Bitte, befasse du dich nicht damit. Ich möchte nicht, dass er dir noch einmal in den Weg läuft, aber sollte das aus irgendwelchen Gründen unvermeidbar sein, Saskia, dann lauf davon und rufe laut um Hilfe.«
Sie hob den Kopf und schob ihr Kinn vor. »Ich will, dass Papi gerächt wird. Wer immer es auch sein mag, der ihn tötete, er soll dafür büßen.« Sie sagte es so hart, dass es ihn fröstelte. Dieses zarte, anmutige Wesen konnte hassen. Einem Kind war unendliches Leid zugefügt worden, das mit den Jahren nicht schwächer, sondern stärker geworden war.
Saskias Blick war nun voll auf Cornelius gerichtet. Ihre Augen hatten den schwermütigen Ausdruck verloren.
»Ja, du siehst deinem Vater ähnlich«, sagte sie gedankenvoll.« Aber du konntest ihn nicht so lieben, wie ich ihn geliebt habe. Die Welt war schön und gut, solange er bei uns war. Wenn es einen Gott gibt, wie kann er es zulassen, dass ein so guter Mensch sterben muss und sein Mörder nicht bestraft wird.«
»Manchen ereilt die Strafe erst spät.«
»Du glaubst an Gerechtigkeit?«
»Ich hoffe darauf«, erwiderte er. »Es gibt nicht nur Hass auf der Welt. Es gibt auch Liebe, Saskia.«
»Ja, es gibt auch gute Menschen«, sagte sie sinnend. »Felicitas Norden und ihr Mann, und …«, sie ließ ihren Blick in die Ferne schweifen, »ich vertraue dir, Cornelius. Jetzt sind wir doch schon ganz gute Freunde geworden.«
Da griff er nach ihrer Hand und hielt sie fest.
»Ich danke dir für diese Worte, Saskia.«
»Es sind keine Worte, es sind Gedanken.«
*
»Was wollen wir jetzt tun, Anatol?«, fragte Tatjana.
»Du bist doch sonst immer so schlau!«, fauchte er sie an. »Du hast alles eingefädelt. Du warst so überzeugt, dass Magnus Cornelius niemals anerkennen würde.«
Sie kniff die Augen zusammen. »Und wenn dieser Camphausen mich nur hinter’s Licht führen wollte?«, überlegte sie. »Diese Diplomaten sind doch mit allen Wassern gewaschen und undurchschaubar. Sprich gefälligst nicht in diesem gereizten Ton mit mir«,