Die Ethik. Baruch de Spinoza

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Название Die Ethik
Автор произведения Baruch de Spinoza
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783843802734



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sich ist. Damit ist das zweite bewiesen. Somit ist Gott die innewohnende, nicht aber die übergehende Ursache aller Dinge. W.z.b.w.

      Lehrsatz 19

      Gott oder alle Attribute Gottes sind ewig.

      Beweis: Denn Gott ist (nach Definition 6) die Substanz, die (nach Lehrsatz 11) notwendig existiert, d.h. (nach Lehrsatz 7) zu dessen Natur die Existenz gehört oder (was dasselbe ist) aus dessen Definition folgt, dass er existiert, und also (nach Definition 3) ist er ewig. Dann ist unter Attribute Gottes das zu verstehen, was (nach Definition 4) das Wesen der göttlichen Substanz ausdrückt, d.h. das, was zur Substanz gehört. Eben dies, sage ich, müssen die Attribute selbst enthalten. Nun gehört zur Natur der Substanz (wie ich schon aus Lehrsatz 7 bewiesen habe) die Ewigkeit. Folglich muss jedes Attribut die Ewigkeit in sich schließen, und also sind sie alle ewig. W.z.b.w.

      Anmerkung: Dieser Lehrsatz erklärt sich auch sehr deutlich aus der Art, wie ich (in Lehrsatz 11) die Existenz Gottes bewiesen habe. Aus diesem Beweise, sage ich, ergibt sich, dass das Dasein Gottes wie auch sein Wesen eine ewige Wahrheit ist. Ich habe übrigens (im Lehrsatz 19 von Descartes’ Prinzipien) die Ewigkeit Gottes noch auf andere Weise bewiesen und brauche dies hier nicht zu wiederholen.

      Lehrsatz 20

      Die Existenz Gottes und sein Wesen sind ein und dasselbe.

      Beweis: Gott und seine sämtlichen Attribute sind (nach dem vorigen Lehrsatz) ewig, d.h. (nach Definition 8), jedes seiner Attribute drückt die Existenz aus. Dieselben Attribute Gottes also, die (nach Definition 4) das ewige Wesen Gottes darstellen, stellen zugleich seine ewige Existenz dar; d.h. eben das, was das Wesen Gottes ausmacht, macht zugleich seine Existenz aus. Daher ist diese und sein Wesen ein und dasselbe. W.z.b.w.

      Zusatz 1: Daraus folgt erstens, dass das Dasein Gottes ebenso, wie sein Wesen eine ewige Wahrheit ist.

      Zusatz 2: Daraus folgt zweitens, dass Gott oder alle Attribute Gottes unveränderlich sind. Denn wenn sie sich hinsichtlich ihrer Existenz veränderten, müssten sie sich auch (nach dem vorigen Lehrsatz) hinsichtlich ihres Wesens verändern, d.h. (wie sich von selbst versteht) aus wahren zu falschen werden, und das wäre widersinnig.

      Lehrsatz 21

      Alles, was aus der absoluten Natur eines Attributs Gottes folgt, musste immer und unendlich existieren oder ist eben durch dieses Attribut ewig und unendlich.

      Beweis: Man nehme (falls man dies bestreitet) womöglich an, dass aus der absoluten Natur Gottes etwas in einem Attribut Gottes erfolgt, was endlich ist und eine beschränkte Existenz oder Dauer hat, z.B. die Idee Gottes im Denken. Nun ist aber das Denken, da es ja als Attribut Gottes angenommen wird (nach Lehrsatz 11), seiner Natur nach notwendig unendlich. Sofern es dagegen eine Idee Gottes hat, wird es als endlich angenommen. Es kann aber (nach Definition 2) nur als endlich begriffen werden, wenn es durch das Denken selbst beschränkt wird. Dies kann nun aber nicht durch das Denken geschehen, sofern es die Idee Gottes ausmacht, denn insofern wird es als endlich angenommen. Also durch das Denken, sofern es die Idee Gottes nicht ausmacht, das aber (nach Lehrsatz 11) notwendig existieren muss. Es gibt also ein Denken, das die Idee Gottes nicht ausmacht, weshalb aus seiner Natur, sofern es absolutes Denken ist, nicht notwendig die Idee Gottes folgt. (Denn es wird ein Denken begriffen, das die Idee Gottes ausmacht, und ein Denken, das sie nicht ausmacht.) Dies ist aber gegen die Voraussetzung. Folglich, wenn die Idee Gottes im Denken oder irgendetwas (es ist egal, was genommen wird, da ja der Beweis allgemein gültig ist) in irgendeinem Attribut Gottes aus der Notwendigkeit der absoluten Natur dieses Attributs folgt, so muss es notwendig unendlich sein. Dies das erste, was zu beweisen war.

      Zudem kann das, was aus der Notwendigkeit der Natur eines Attributs auf diese Weise folgt, eine beschränkte Dauer haben. Denn wenn man dies bestreitet, so nehme man an, in irgendeinem Attribut Gottes gäbe es ein Ding, das aus der Notwendigkeit der Natur irgendeines Attributs folgt, z.B. die Idee Gottes im Denken, und von dieser nehme man an, dass sie zu irgendeiner Zeit nicht existiert habe oder nicht existieren werde. Da aber das Denken als Attribut Gottes angenommen wird, so muss es sowohl notwendig wie auch unveränderlich existieren (nach Lehrsatz 11 und Zusatz 2 zu Lehrsatz 20). Über die Grenzen der Dauer der Idee Gottes hinaus (da angenommen wird, dass sie zu irgendeiner Zeit nicht da gewesen sei oder nicht da sein werde) müsste daher das Denken ohne die Idee Gottes existieren. Dies ist aber gegen die Voraussetzung; da angenommen wird, dass aus dem gegebenen Denken notwendig die Idee Gottes folgt. Folglich kann die Idee Gottes im Denken oder sonst etwas, was notwendig aus der absoluten Natur irgendeines Attributs Gottes folgt, keine beschränkte Dauer haben, sondern ist durch eben dieses Attribut ewig. Dies das zweite, was zu beweisen war. Man beachte, dass dasselbe von jedem Ding behauptet werden muss, das in irgendeinem Attribut Gottes aus der absoluten Natur Gottes notwendig folgt.

      Lehrsatz 22

      Alles, was aus einem anderen Attribut Gottes folgt, sofern dasselbe durch eine solche Modifikation modifiziert ist, die sowohl notwendig wie unendlich durch dasselbe existiert, muss ebenfalls sowohl notwendig wie unendlich existieren.

      Beweis: Der Beweis dieses Lehrsatzes wird ebenso geführt wie der Beweis des vorigen.

      Lehrsatz 23

      Jeder Modus, der sowohl notwendig wie auch unendlich existiert, hat notwendig erfolgen müssen entweder aus der absoluten Natur irgendeines Attributs Gottes oder aus irgendeinem Attribut, das durch eine solche Modifikation modifiziert ist, die sowohl notwendig wie auch unendlich existiert.

      Beweis: Denn der Modus ist in einem anderen, durch das er begriffen werden muss (nach Definition 5), d.h. (nach Lehrsatz 15), er ist allein in Gott und kann allein durch Gott begriffen werden. Wenn also ein Modus wie notwendig existierend und unendlich seiend begriffen wird, so muss beides notwendig geschlossen oder erkannt werden durch irgendein Attribut Gottes, sofern dasselbe so begriffen wird, dass es Unendlichkeit und Notwendigkeit der Existenz oder (was nach Definition 8 dasselbe ist) Ewigkeit ausdrückt, d.h. (nach Definition 6 und Lehrsatz 19), sofern es absolut betrachtet wird. Also hat der Modus, der sowohl notwendig wie auch unendlich existiert, aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributs folgen müssen, und zwar entweder unmittelbar (worüber Lehrsatz 21) oder mittelbar durch eine Modifikation, die aus dessen absoluter Natur folgt, d.h. (nach dem vorigen Lehrsatz), die sowohl notwendig wie auch unendlich existiert. W.z.b.w.

      Lehrsatz 24

      Das Wesen der von Gott hervorgebrachten Dinge schließt die Existenz nicht ein.

      Beweis: Der Lehrsatz erklärt sich aus Definition 1. Denn das, dessen Natur (nämlich an sich betrachtet) die Existenz einschließt, ist Ursache seiner selbst und existiert nach der bloßen Notwendigkeit seiner Natur.

      Zusatz: Daraus folgt, dass Gott nicht nur die Ursache ist, dass die Dinge zu existieren anfangen, sondern auch, dass sie im Existieren verharren oder (um mich eines scholastischen Ausdrucks zu bedienen) dass Gott die »Seinsursache« der Dinge ist. Denn, mögen die Dinge existieren oder nicht existieren, sobald wir auf ihr Wesen achten, finden wir, dass dasselbe weder Existenz noch Dauer in sich schließt. Ihr Wesen kann daher die Ursache weder ihrer Existenz noch ihrer Dauer sein, sondern nur Gott, zu dessen Natur allein schon die Existenz gehört (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 14).

      Lehrsatz 25

      Gott ist nicht nur die bewirkende Ursache der Existenz, sondern auch des Wesens der Dinge.

      Beweis: Verneint man dieses, so wäre also Gott nicht die Ursache des Wesens der Dinge. Es kann also (nach Axiom 4) das Wesen der Dinge ohne Gott begriffen werden. Das aber ist (nach Lehrsatz 15) widersinnig. Also ist Gott auch die Ursache des Wesens der Dinge. W.z.b.w.

      Anmerkung: Dieser Lehrsatz folgt deutlicher noch aus Lehrsatz 16. Denn aus diesem folgt, dass aus der gegebenen göttlichen Natur sowohl das Wesen der Dinge wie auch ihre Existenz notwendig geschlossen werden muss; und, um es kurz zu sagen, in dem Sinne, in welchem Gott die Ursache seiner selbst genannt wird, muss er auch die Ursache aller Dinge genannt werden, was sich noch deutlicher aus dem folgenden Zusatz ergibt.

      Zusatz: Die einzelnen Dinge sind nichts als Affektionen der Attribute oder Modi der Attribute, durch die die Attribute Gottes auf gewisse und bestimmte Weise ausgedrückt werden. Der Beweis erklärt sich aus Lehrsatz 15 und Definition