Die Ethik. Baruch de Spinoza

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Название Die Ethik
Автор произведения Baruch de Spinoza
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783843802734



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bestimmt werden; nicht sofern Gott die absolut unendliche Substanz ist, sondern sofern er ein Attribut hat, das das unendliche und ewige Wesen des Denkens ausdrückt (nach Lehrsatz 23). Auf welche Weise also der Wille begriffen wird, ob als endlich oder als unendlich, erfordert er eine Ursache, von der er zum Existieren und Wirken bestimmt wird. Daher kann er (nach Definition 7) nicht freie Ursache genannt werden, sondern nur notwendige oder gezwungene. W.z.b.w.

      Zusatz 1: Daraus folgt erstens, dass Gott nicht aus freiem Willen wirkt.

      Zusatz 2: Daraus folgt zweitens, dass Wille und Verstand zur Natur Gottes sich verhalten wie Bewegung und Ruhe und überhaupt wie alles Natürliche, das zum Existieren und Wirken auf bestimmte Weise von Gott bestimmt werden muss. Denn der Wille bedarf, wie alles Übrige, einer Ursache, von der er zum Existieren und Wirken auf bestimmte Weise bestimmt wird. Und obwohl aus einem gegebenen Willen oder Verstand Unendliches folgt, kann man darum doch ebenso wenig von Gott sagen, er handle aus freiem Willen, wie man dessentwegen, was aus Bewegung und Ruhe folgt (denn auch aus diesen folgt Unendliches), von ihm sagen kann, er handle aus freier Bewegung und Ruhe. Der Wille gehört darum zur Natur Gottes nicht mehr als alles übrige Natürliche, vielmehr verhält er sich zu ihr geradeso wie Bewegung und Ruhe und alles übrige, das, wie ich gezeigt habe, aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur folgt und von ihr zum Existieren und Wirken auf bestimmte Weise bestimmt wird.

      Lehrsatz 33

      Die Dinge konnten auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott hervorgebracht werden, als sie hervorgebracht worden sind.

      Beweis: Denn alle Dinge sind aus der gegebenen Natur Gottes mit Notwendigkeit erfolgt (nach Lehrsatz 16) und aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, auf bestimmte Weise zu existieren und zu wirken (nach Lehrsatz 29). Hätten also die Dinge von anderer Beschaffenheit sein oder auf andere Weise zum Wirken bestimmt werden können, so dass die Ordnung der Natur eine andere wäre, so hätte auch die Natur Gottes eine andere sein können, als sie wirklich ist. Dann aber müsste (nach Lehrsatz 11) jene andere Natur auch existieren, und es müsste demnach zwei oder mehrere Götter geben, was (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 14) widersinnig ist. Daher konnten die Dinge auf keine andere Weise und nach keiner anderen Ordnung u.s.w. W.z.b.w.

      Anmerkung 1: Nachdem ich hiermit sonnenklar gezeigt habe, dass es durchaus nichts in den Dingen gibt, dessentwegen sie als zufällig bezeichnet werden könnten, will ich noch mit wenigen Worten erläutern, was wir unter zufällig, vorher aber, was wir unter notwendig und unmöglich zu verstehen haben. Ein Ding heißt notwendig entweder in Bezug auf sein Wesen oder in Bezug auf seine Ursache. Denn die Existenz eines Dinges folgt mit Notwendigkeit entweder aus dem Wesen und der Definition desselben oder aus einer gegebenen wirkenden Ursache. Diese Gründe sind es auch, weshalb eine Sache unmöglich genannt wird, weil nämlich entweder das Wesen oder die Definition desselben das Gegenteil in sich schließt oder weil keine äußere Ursache gegeben ist, die bestimmt wäre, ein solches Ding hervorzubringen. Zufällig aber wird ein Ding aus keinem anderen Grund genannt als wegen unserer mangelhaften Erkenntnis. Denn ein Ding, von dem wir nicht wissen, ob sein Wesen einen Widerspruch in sich schließt, oder von dem wir gewiss wissen, dass es keinen Widerspruch in sich schließt, während wir dennoch über dessen Existenz nichts Sicheres behaupten können, weil die Ordnung der Ursachen uns verborgen ist, ein solches Ding kann uns weder als notwendig noch als unmöglich erscheinen, und darum nennen wir es entweder zufällig oder möglich.

      Anmerkung 2: Aus dem Vorangegangenen folgt klar, dass die Dinge in höchster Vollkommenheit von Gott hervorgebracht worden sind, da sie ja aus der gegebenen vollkommensten Natur mit Notwendigkeit erfolgt sind. Und zwar wird damit Gott nicht irgendeiner Unvollkommenheit beschuldigt, denn eben dessen Vollkommenheit nötigt uns, dies zu behaupten. Es würde sogar aus dem Gegenteil klar folgen (wie ich bereits gezeigt habe), dass Gott nicht höchst vollkommen wäre; weil man nämlich, wenn die Dinge auf andere Weise hervorgebracht wären, Gott eine andere Natur zuschreiben müsste, verschieden von derjenigen, die wir aus der Betrachtung des höchsten Wesens demselben zuzuschreiben müssen.

      Indessen bezweifle ich nicht, dass viele diese Ansicht als eine widersinnige verspotten und gar keine Lust haben, sie näher zu erwägen, und zwar aus keinem anderen Grunde, als weil sie Gott eine andere Freiheit zuzuschreiben gewöhnt sind, ganz verschieden von derjenigen, die von mir (siehe Definition 7) dargelegt wurde; nämlich einen absoluten Willen. Allerdings bezweifle ich auch wieder nicht, dass, wenn sie über die Sache nachdenken und die Reihe meiner Beweise genau erwägen würden, sie selbst schließlich eine solche Freiheit, wie sie Gott eine zuschreiben, nicht nur als Verkehrtheit, sondern auch als großes Hindernis des Wissens völlig verwerfen würden. Es ist unnötig, hier zu wiederholen, was in der Anmerkung zu Lehrsatz 17 gesagt wurde. Doch will ich ihnen zuliebe noch darlegen, dass, wenn auch eingeräumt würde, dass der Wille zum Wesen Gottes gehöre, nichtsdestoweniger aus dessen Vollkommenheit folgte, dass die Dinge auf keine andre Weise und nach keiner anderen Ordnung von Gott geschaffen werden konnten.

      Es wird dies leicht gezeigt werden können, wenn wir zunächst das betrachten, was die Gegner selbst einräumen, nämlich dass es allein von Gottes Beschluss und Willen abhängt, dass jedes Ding ist, was es ist; denn sonst wäre Gott nicht die Ursache aller Dinge. Außerdem, dass alle Beschlüsse Gottes von Ewigkeit her von Gott selbst gefasst waren; denn sonst würde Gott der Unvollkommenheit und Unbeständigkeit beschuldigt werden. Da es nun im Ewigen kein Wann, kein Vorher und kein Nachher gibt, so folgt daraus, nämlich aus der bloßen Vollkommenheit Gottes, dass Gott nie etwas anderes beschließen konnte oder dass Gott vor seinen Beschlüssen nicht gewesen ist noch ohne sie sein kann.

      Aber, sagen die Gegner, wenn auch angenommen würde, dass Gott eine andere Natur gemacht hätte oder dass er von Ewigkeit her etwas anderes über die Natur und ihre Ordnung beschlossen hätte, so würde daraus doch keine Unvollkommenheit in Gott folgen. Doch wenn sie das sagen, so geben sie zugleich zu, dass Gott seine Beschlüsse ändern könne. Denn wenn Gott über die Natur und ihre Ordnung anderes beschlossen hätte, als er beschlossen hat, d.h., wenn er über die Natur etwas anderes gewollt und gedacht hätte, so hätte er notwendig einen anderen Verstand, als er wirklich hat, und einen anderen Willen, als er wirklich hat. Und wenn man Gott einen anderen Verstand und einen anderen Willen zuschreiben darf, ohne irgendeine Veränderung seines Wesens und seiner Vollkommenheit, welcher Grund wäre vorhanden, dass Gott nicht jetzt seine Beschlüsse über die geschaffenen Dinge ändern und dabei doch gleich vollkommen bleiben könnte? Denn in Bezug auf sein Wesen und seine Vollkommenheit ist es ja egal, auf welche Weise sein Verstand und sein Wille begriffen werden. Außerdem geben alle mir bekannten Philosophen zu, dass es in Gott keinen potentiellen Verstand, sondern nur einen wirklichen gibt. Da aber sowohl sein Verstand wie auch sein Wille sich von seinem Wesen nicht unterscheidet, was ebenfalls alle zugeben, so folgt daraus auch, dass, wenn Gott einen anderen Verstand in der Wirklichkeit gehabt hätte und einen anderen Willen, auch sein Wesen notwendig ein anderes wäre, und zudem, dass (wie ich anfangs geschlossen habe), wenn die Dinge anders, als sie wirklich sind, von Gott hervorgebracht worden wären, der Verstand Gottes und sein Wille, d.h. (wie zugegeben wird) sein Wesen, ein anderes sein müsste, was widersinnig wäre.

      Da also die Dinge auf keine andere Weise und in keiner anderen Ordnung von Gott hervorgebracht werden konnten und die Wahrheit dieser Behauptung aus der höchsten Vollkommenheit Gottes folgt, so kann gewiss keine gesunde Vernunft uns überreden zu glauben, Gott habe nicht alles, was in seinem Verstand ist, mit derselben Vollkommenheit, womit er es gedacht, erschaffen wollen. Indessen wird man sagen: In den Dingen ist weder Vollkommenheit noch Unvollkommenheit, sondern dasjenige in ihnen, weshalb sie vollkommen oder unvollkommen sind, gut oder schlecht genannt werden, hängt vom Willen Gottes allein ab. Hätte daher Gott gewollt, so hätte er bewirken können, dass das, was jetzt Vollkommenheit ist, die höchste Unvollkommenheit wäre, und umgekehrt. Doch was hieße dies anders, als offen zu behaupten, Gott, der doch das, was er will, notwendig denkt, könne durch seinen Willen machen, dass er die Dinge auf andere Weise denkt, als er sie denkt; was (wie ich bereits gezeigt) ein großer Unsinn ist. Ich kann daher den Beweis gegen die Gegner selbst folgendermaßen umkehren: Alles hängt ab von der Macht Gottes. Sollten daher die Dinge anders beschaffen sein können, so müsste notwendig auch der Wille Gottes anders beschaffen sein. Nun kann aber der Wille Gottes nicht anders beschaffen sein (wie ich bereits aus der Vollkommenheit Gottes sehr klar gezeigt habe). Folglich können