Die Ethik. Baruch de Spinoza

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Название Die Ethik
Автор произведения Baruch de Spinoza
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783843802734



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26

      Ein Ding, das bestimmt ist, irgendetwas zu bewirken, ist notwendig von Gott so bestimmt worden, und ein Ding, das von Gott nicht bestimmt worden ist, kann nicht sich selbst zum Wirken bestimmen.

      Beweis: Dasjenige, dessentwegen man von den Dingen sagt, dass sie bestimmt sind, irgendetwas zu bewirken, muss notwendig etwas Positives sein (was an sich klar ist); daher ist Gott aus der Notwendigkeit seiner Natur (nach den Lehrsätzen 25 und 16) die bewirkende Ursache sowohl von dessen Wesen wie auch von dessen Existenz. Damit ist das erste bewiesen. Daraus folgt aber auch die zweite Aufstellung des Lehrsatzes aufs deutlichste. Denn wenn ein Ding, das von Gott nicht bestimmt ist, sich selbst bestimmen könnte, so würde der erste Teil dieses Satzes falsch sein; was widersinnig ist, wie gezeigt worden.

      Lehrsatz 27

      Ein Ding, das von Gott bestimmt ist, etwas zu bewirken kann nicht sich selbst zu einem nichtbestimmten machen.

      Beweis: Dieser Lehrsatz erklärt sich aus Axiom 3.

      Lehrsatz 28

      Alles Einzelne oder jedes Ding, das endlich ist und eine bestimmte Existenz hat, kann nicht existieren und nicht zum Wirken bestimmt werden, wenn es nicht zum Existieren und zum Wirken von einer anderen Ursache bestimmt wird, die ebenfalls endlich ist und eine bestimmte Existenz hat. Und wiederum kann diese Ursache auch nicht existieren und nicht zum Wirken bestimmt werden, wenn sie nicht von einer anderen, die ebenfalls endlich ist und eine bestimmte Existenz hat, zum Existieren und Wirken bestimmt wird. Und so ins Unendliche.

      Beweis: Alles, was zum Existieren und Wirken bestimmt ist, ist von Gott so bestimmt (nach Lehrsatz 26 und Zusatz zu Lehrsatz 24). Was aber endlich ist und eine bestimmte Existenz hat, kann von der absoluten Natur eines göttlichen Attributs nicht abgeleitet werden.

      Denn was aus der absoluten Natur eines göttlichen Attributs folgt, ist unendlich und ewig (nach Lehrsatz 21). Somit musste es aus Gott oder einem göttlichen Attribut folgen, sofern dieses als in irgendeiner Weise erregt betrachtet wird. Denn außer der Substanz und den Modi gibt es nichts (nach Axiom 1 und den Definitionen 3 und 5), und die Modi sind (nach Zusatz zu Lehrsatz 25) nichts als Affektionen der göttlichen Attribute. Aber aus Gott oder einem göttlichen Attribut, sofern es durch irgendeine Modifikation erregt ist, die ewig und unendlich ist konnte es ebenfalls nicht folgen (nach Lehrsatz 22). Es musste also folgen oder zum Existieren und Wirken bestimmt werden aus bzw. von Gott oder einem göttlichen Attribut, sofern dieses modifiziert ist durch eine Modifikation, die endlich ist und eine bestimmte Existenz hat. Damit wäre das erste bewiesen. Zudem musste wiederum diese Ursache oder dieser Modus (aus demselben Grunde, aus dem schon der erste Teil dieses Satzes bewiesen worden ist) ebenfalls von einer anderen bestimmt werden, die auch endlich ist und eine bestimmte Existenz hat, und diese letzte wieder (aus dem gleichen Grund) von einer anderen und so immer weiter (aus dem gleichen Grund) ins Unendliche. W.z.b.w.

      Anmerkung: Da manche Dinge von Gott unmittelbar hervorgebracht werden mussten, nämlich diejenigen, die aus seiner absoluten Natur notwendig folgen, indem diese ersten Dinge alle diejenigen vermittelten, die doch ohne Gott weder sein noch begriffen werden können, so folgt daraus erstens, dass Gott die absolut nächste Ursache der von ihm unmittelbar hervorgebrachten Dinge ist; nicht aber in ihrer Gattung, wie man sagt. Denn die Wirkungen Gottes können ohne ihre Ursache weder sein noch begriffen werden (nach Lehrsatz 15 und Zusatz zu Lehrsatz 24). Es folgt zweitens, dass Gott eigentlich nicht die entfernte Ursache der einzelnen Dinge genannt werden kann, außer etwa aus dem Grunde, um sie von denen zu unterscheiden, die er unmittelbar hervorgebracht hat oder vielmehr, die aus seiner absoluten Natur folgen. Denn unter einer entfernten Ursache verstehen wir eine solche, die mit der Wirkung auf keine Weise verbunden ist. Alles aber, was ist, ist in Gott und hängt von Gott dermaßen ab, dass sie ohne ihn weder sein noch begriffen werden können.

      Lehrsatz 29

      In der Natur gibt es kein Zufälliges, sondern alles ist aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, auf bestimmte Weise zu existieren und zu bewirken.

      Beweis: Alles, was ist, ist in Gott (nach Lehrsatz 15). Gott aber kann nicht ein zufälliges Ding genannt werden, denn er existiert notwendig, nicht aber zufällig (nach Lehrsatz 11). Außerdem sind die Modi der göttlichen Natur aus dieser ebenfalls notwendig, nicht aber zufällig erfolgt (nach Lehrsatz 16); und zwar entweder sofern die göttliche Natur absolut (nach Lehrsatz 21) oder sofern sie als auf bestimmte Weise zu handeln bestimmt betrachtet wird (nach Lehrsatz 28). Zudem ist Gott die Ursache dieser Modi, nicht nur, sofern sie einfach existieren (nach Zusatz zu Lehrsatz 24), sondern auch (nach Lehrsatz 26), sofern sie als etwas zu handeln bestimmt betrachtet werden. Wenn sie (nach demselben Lehrsatz) von Gott nicht bestimmt sind, so ist es unmöglich, nicht nur zufällig, dass sie sich selbst bestimmen, und umgekehrt (nach Lehrsatz 27), wenn sie von Gott bestimmt sind, so ist es unmöglich, nicht nur zufällig, dass sie sich zu nicht bestimmten machen. Also ist alles aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur bestimmt, nicht allein, um zu existieren, sondern auch, um auf bestimmte Weise zu existieren und zu wirken, und ein Zufälliges gibt es nicht. W.z.b.w.

      Anmerkung: Bevor ich weitergehe, will ich hier erläutern, was wir unter »schaffende Natur« [natura naturans] und was wir unter »geschaffene Natur« [natura naturata] zu verstehen haben oder eigentlich nur daran erinnern. Denn wie ich glaube, ergibt sich bereits aus dem Bisherigen, dass wir unter »schaffende Natur« das zu verstehen haben, was in sich ist und durch sich begriffen wird, oder solche Attribute der Substanz, die ewiges und unendliches Wesen ausdrücken, d.h. (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 14 und Zusatz 2 zu Lehrsatz 17) Gott, sofern er als freie Ursache betrachtet wird. Unter »geschaffene Natur« aber verstehe ich alles dasjenige, was aus der Notwendigkeit der Natur Gottes folgt, d.h. alle Modi der Attribute Gottes, sofern sie als Dinge betrachtet werden, die in Gott sind und die ohne Gott weder sein noch begriffen werden können.

      Lehrsatz 30

      Der Verstand, ob in Wirklichkeit endlich oder unendlich, muss die Attribute Gottes und die Affektionen Gottes umfassen und nichts anderes.

      Beweis: Eine wahre Idee muss mit ihrem Gegenstand übereinstimmen (nach Axiom 6), d.h. (wie an sich klar) das, was im Verstand objektiv enthalten ist, muss notwendig in der Natur vorhanden sein. Nun gibt es aber in der Natur (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 14) nur eine Substanz, nämlich Gott, und keine andere Affektionen (nach Lehrsatz 15) als die, die in Gott sind und die (nach demselben Lehrsatz) ohne Gott nicht sein noch begriffen werden können. Somit muss der Verstand, ob er in Wirklichkeit endlich oder in Wirklichkeit unendlich ist, die Attribute Gottes und die Affektionen Gottes umfassen und nichts anderes. W.z.b.w.

      Lehrsatz 31

      Der wirkliche Verstand, mag er endlich oder unendlich sein, wie auch der Wille, die Begierde, die Liebe u.s.w. müssen zur geschaffenen Natur, nicht aber zur schaffenden Natur gerechnet werden.

      Beweis: Denn unter Verstand verstehe ich (wie selbstverständlich) nicht das absolute Denken, sondern nur eine gewisse Modus des Denkens, die sich von anderen Modi, wie Begierde, Liebe u.s.w., unterscheidet und daher (nach Definition 5) durch das absolute Denken begriffen werden muss; nämlich (nach Lehrsatz 15 und Definition 6) durch irgendein Attribut Gottes, das das ewige und unendliche Wesen des Denkens ausdrückt, so begriffen werden muss, dass es ohne dasselbe weder sein noch begriffen werden kann. Daher muss er (nach der Anmerkung zu Lehrsatz 29) zur geschaffenen Natur, nicht aber zur schaffenden gerechnet werden, wie auch die übrigen Modi des Denkens. W.z.b.w.

      Anmerkung: Der Grund, warum ich hier von wirklichem Verstand rede, ist nicht, weil ich etwa zugebe, dass es irgendeinen potentiellen Verstand gibt, sondern weil ich jede Verwirrung zu vermeiden trachte, wollte ich nur von etwas sprechen, das uns völlig klar ist, nämlich von der Erkenntnis selbst, die von uns deutlicher als alles andere begriffen wird. Denn wir können nichts erkennen, was nicht zum vollkommeneren Verständnis der Erkenntnis beitragen würde.

      Lehrsatz 32

      Der Wille kann nicht freie Ursache genannt werden, sondern nur notwendige.

      Beweis: Der Wille ist nur eine gewisse Form des Denkens, ebenso wie der Verstand. Daher kann jedes einzelne Wollen (nach Lehrsatz 20) nur dann existieren und nur dann zum Wirken bestimmt werden, wenn es von einer Ursache bestimmt wird und diese wiederum von einer anderen und