Die Ethik. Baruch de Spinoza

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Название Die Ethik
Автор произведения Baruch de Spinoza
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783843802734



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als Substanz teilbar und aus Teilen zusammengesetzt sein soll. Indessen, auch davon abgesehen, sehe ich gar nicht ein, weshalb die Materie der göttlichen Natur unwürdig sein soll, da es doch (nach Lehrsatz 14) außer Gott keine Substanz geben kann, von der sie leiden könnte. Alles, sage ich, ist in Gott, und alles, was geschieht, geschieht einzig und allein durch die Gesetze der unendlichen Natur Gottes und folgt aus der Notwendigkeit seines Wesens (wie ich bald darlegen werde). Daher kann in keiner Weise gesagt werden, dass Gott von etwas anderem leide oder dass die ausgedehnte Substanz der göttlichen Natur unwürdig sei, selbst wenn ihr Teilbarkeit zugeschrieben würde, sobald ihr nur Ewigkeit und Unendlichkeit zugestanden wird. Doch für jetzt genug hiervon.

      Lehrsatz 16

      Aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur muss Unendliches auf unendliche Weisen (d.h. alles, was vom unendlichen Denken erfasst werden kann) folgen.

      Beweis: Dieser Lehrsatz muss jedem einleuchten, der erwägt, dass der Verstand aus der gegebenen Definition eines jeden Dinges viele Eigenschaften folgert, die auch tatsächlich aus derselben (d.h. aus dem Wesen des Dinges selbst) notwendig folgen, und zwar umso mehr, je mehr Realität die Definition des Dinges ausdrückt, d.h. je mehr Realität das Wesen des definierten Dinges einschließt. Da aber die göttliche Natur absolut unendliche Attribute hat (nach Definition 6), von denen jedes gleichfalls ein unendliches Wesen in seiner Art ausdrückt, so muss folglich aus ihrer Notwendigkeit Unendliches auf unendliche Weisen (d.h. alles, was vom unendlichen Denken erfasst werden kann) notwendig folgen. W.z.b.w.

      Zusatz 1: Daraus folgt erstens, dass Gott die bewirkende Ursache aller Dinge ist, die vom unendlichen Verstand erfasst werden können.

      Zusatz 2: Daraus folgt zweitens, dass Gott diese Ursache durch sich ist, nicht aber durch ein Hinzukommendes.

      Zusatz 3: Daraus folgt drittens, dass Gott absolut die erste Ursache ist.

      Lehrsatz 17

      Gott handelt nur nach den Gesetzen seiner Natur und von niemand gezwungen.

      Beweis: Dass aus der Notwendigkeit der göttlichen Natur oder (was dasselbe ist) aus den bloßen Gesetzen seiner Natur Unendliches absolut folgt, habe ich soeben, im Lehrsatz 16, gezeigt, und im Lehrsatz 15 habe ich bewiesen, dass ohne Gott nichts ist und nichts begriffen werden kann, dass vielmehr alles in Gott ist. Es kann daher nichts außer ihm sein, von dem er zum Handeln bestimmt oder gezwungen würde. Und daher handelt Gott nur nach den Gesetzen seiner Natur und von niemand gezwungen. W.z.b.w.

      Zusatz 1: Daraus folgt erstens, dass es keine Ursache gibt, die Gott von außen oder von innen zum Handeln erregt, außer der Vollkommenheit seiner eigenen Natur.

      Zusatz 2: Daraus folgt zweitens, dass Gott allein eine freie Ursache ist. Denn Gott allein existiert nach der bloßen Notwendigkeit seiner Natur (nach Lehrsatz 11 und Zusatz zu Lehrsatz 14) und handelt nach der bloßen Notwendigkeit seiner Natur (nach dem vorigen Lehrsatz). Daher kann (nach Definition 7) er allein freie Ursache sein. W.z.b.w.

      Anmerkung: Andere meinen, Gott sei eine freie Ursache, weil er, wie sie glauben, bewirken kann, dass das, wovon ich sagte, dass es aus seiner Natur folgt, d.h., was in seiner Macht steht, nicht geschehe oder von ihm nicht hervorgebracht werde. Das aber wäre geradeso, als ob sie sagten, Gott könne machen, dass aus der Natur des Dreiecks nicht folge, dass dessen drei Winkel zwei rechten Winkeln gleich wären oder dass aus einer gegebenen Ursache keine Wirkung folge, was widersinnig ist. Zudem werde ich unten ohne Zuhilfenahme dieses Lehrsatzes darlegen, dass zur Natur Gottes weder Verstand noch Wille gehört. Ich weiß allerdings, dass viele meinen, sie könnten beweisen, dass zur Natur Gottes der höchste Verstand und der freie Wille gehöre; denn sie sagen, dass sie nichts Vollkommeneres kennen, das sie Gott zuschreiben können, als das, was bei uns die höchste Vollkommenheit ist. Und obwohl sie Gott als den tatsächlich Höchstdenkenden begreifen, glauben sie doch nicht, dass er alles, was er tatsächlich denkt, auch ausführen könne, so dass es existiert, denn damit glauben sie die Macht Gottes umzustoßen. Sie sagen, wenn Gott alles, was in seinem Denken ist, erschaffen hätte, so könnte er ja nichts weiter erschaffen, und dies widerspricht nach ihrer Meinung der Allmacht Gottes. Daher behaupten sie lieber, Gott sei gegen alles indifferent, und er erschaffe nichts anderes als das, was er nach irgendeinem absoluten Willen zu schaffen beschlossen habe.

      Ich glaube jedoch deutlich genug gezeigt zu haben (siehe Lehrsatz 16), dass aus der höchsten Macht Gottes oder seiner unendlichen Natur Unendliches auf unendliche Weisen, d.h. alles, mit Notwendigkeit hervorgegangen ist oder stets mit gleicher Notwendigkeit folgte, wie aus der Natur des Dreiecks von Ewigkeit her und in alle Ewigkeit folgt, dass dessen drei Winkel zwei rechten Winkeln gleich sind. Daher ist die Allmacht Gottes von Ewigkeit her wirksam gewesen und wird in alle Ewigkeit in derselben Wirksamkeit verharren. Auf diese Weise wird die Allmacht Gottes, nach meiner Ansicht wenigstens, als eine weit vollkommenere hingestellt. Ja, die Gegner scheinen die Allmacht Gottes (es sei mir gestattet, offen zu reden) eigentlich zu leugnen. Sie sind nämlich gezwungen einzuräumen, dass Gott Unendliches als erschaffbar denkt, was er doch niemals wird erschaffen können. Denn andernfalls, wenn er nämlich alles, was er denkt, erschaffen würde, würde er, nach ihrer Annahme, seine Allmacht erschöpfen und damit unvollkommen werden. Um also Gott als vollkommen hinzustellen, kommen sie dahin, dass sie zugleich behaupten müssen, Gott könne nicht alles bewirken, worauf seine Macht sich erstreckt. Ich kann mir nicht denken dass eine widersinnigere und mit Gottes Allmacht in stärkerem Widerspruch stehende Ansicht ersonnen werden könnte.

      Nun möchte ich auch noch über Verstand und Wille, die wir gewöhnlich Gott zuschreiben, etwas sagen. Wenn dieselben, nämlich Verstand und Wille, zum ewigen Wesen Gottes gehören, so muss unter jedem dieser beiden Attribute sicherlich etwas anderes verstanden werden, als was man gewöhnlich darunter versteht. Der Verstand und der Wille, die Gottes Wesen ausmachen würden, müssten von unserem Verstand und Willen himmelweit verschieden sein und könnten sich allein dem Namen nach gleichen; nämlich nicht anders, wie das Sternbild Hund und das bellende Tier Hund einander gleichen. Ich beweise das so: Wenn der Verstand zur göttlichen Natur gehört, so wird er nicht, wie unser Verstand, später als die gedachten Dinge (wie die meisten annehmen) oder gleichzeitig mit ihnen von Natur aus sein können, da ja Gott ursächlich früher ist als alle Dinge (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 16); vielmehr ist die Wahrheit und das formale Wesen der Dinge darum so, wie sie sind, weil sie im Verstand Gottes also objektiv existieren. Daher ist der Verstand Gottes, sofern er als das Wesen Gottes ausmachend begriffen wird, in Wahrheit die Ursache der Dinge sowohl ihres Wesens wie auch ihrer Existenz; was auch von denen bemerkt worden zu sein scheint, die erklären, dass Gottes Verstand, Wille und Macht ein und dasselbe sind. Da also der Verstand Gottes die einzige Ursache der Dinge ist, nämlich (wie ich gezeigt habe) sowohl ihres Wesens wie auch ihrer Existenz, so muss er selbst notwendig von den Dingen verschieden sein sowohl hinsichtlich ihres Wesens wie auch ihrer Existenz. Denn das Verursachte unterscheidet sich von seiner Ursache genau in dem, was es von der Ursache hat. So z.B. ist ein Mensch die Ursache der Existenz, nicht aber des Wesens eines anderen Menschen, denn dieses ist eine ewige Wahrheit. Darum können sie dem Wesen nach einander völlig gleich sein, in der Existenz aber müssen sie sich voneinander unterscheiden. Und darum, wenn die Existenz des einen aufhört, hört darum nicht die Existenz des anderen auf; wenn aber das Wesen des einen zerstört wird und sich als falsch erweisen könnte, so würde auch das Wesen des anderen zerstört werden. Deshalb muss das Ding, das die Ursache sowohl des Wesens wie auch der Existenz einer Wirkung ist, sich von dieser Wirkung unterscheiden sowohl hinsichtlich des Wesens wie auch der Existenz. Nun ist aber der Verstand Gottes die Ursache sowohl des Wesens wie auch der Existenz unseres Denkens: folglich ist der Verstand Gottes, sofern er als das göttliche Wesen ausmachend begriffen wird, von unserem Verstand sowohl hinsichtlich des Wesens wie auch der Existenz verschieden, und er kann in nichts als nur im Namen ihm gleich sein, wie ich behauptete. Bezüglich des Willens wird der Beweis ebenso geführt, was jeder leicht einsehen kann.

      Lehrsatz 18

      Gott ist die innewohnende, nicht aber die übergehende Ursache aller Dinge.

      Beweis: Alles, was ist, ist in Gott und muss durch Gott begriffen werden (nach Lehrsatz 15), und darum ist Gott (nach Zusatz 1 zu Lehrsatz 16) die Ursache aller Dinge, die in ihm sind. Damit ist das erste bewiesen. Außerdem kann es außer Gott keine Substanz geben (nach Lehrsatz 14), d.h.