Die Ethik. Baruch de Spinoza

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Название Die Ethik
Автор произведения Baruch de Spinoza
Жанр Философия
Серия
Издательство Философия
Год выпуска 0
isbn 9783843802734



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wie in der Anmerkung zu Lehrsatz 10 bereits angedeutet wurde.

      Zusatz 2: Es folgt daraus zweitens: dass das ausgedehnte Ding und das denkende Ding entweder Attribute Gottes sind oder (nach Axiom 1) Affektionen der Attribute Gottes.

      Lehrsatz 15

      Alles, was ist, ist in Gott, und nichts kann ohne Gott sein noch begriffen werden.

      Beweis: Außer Gott gibt es keine Substanz und kann auch keine begriffen werden (nach Lehrsatz 14), d.h. (nach Definition 3) kein Ding, das in sich ist und durch sich begriffen wird. Die Modi aber können (nach Definition 5) ohne die Substanz weder sein noch begriffen werden. Somit können sie nur in der göttlichen Natur sein und nur durch sie begriffen werden. Außer den Substanzen und ihren Modi gibt es aber nichts (nach Axiom 1). Folglich kann ohne Gott nichts sein noch begriffen werden. W.z.b.w.

      Anmerkung: Es gibt Menschen, die sich Gott wie einen Menschen vorstellen, aus Körper und Geist bestehend und den Leidenschaften unterworfen. Wie weit aber diese vom richtigen Begriff Gottes entfernt sind, ergibt sich aus dem, was bereits bewiesen worden, zur Genüge. Doch lasse ich diese beiseite; denn alle, die über die göttliche Natur nur einigermaßen nachgedacht haben, verneinen die Körperlichkeit Gottes. Unter anderem beweisen sie das am besten damit, dass man unter Körper eine lange, breite und hohe Masse von bestimmter Form versteht, während es nichts Widersinnigeres geben könne, als dies von Gott, dem absolut unendlichen Wesen, zu sagen. Indessen zeigen sie doch durch andere Gründe, womit sie dies zu beweisen suchen, deutlich, dass sie die körperliche oder ausgedehnte Substanz selbst von der göttlichen Natur ganz und gar fern halten, und zwar behaupten sie, dieselbe sei von Gott geschaffen. Aus welcher göttlichen Macht aber dieselbe geschaffen werden konnte, darüber wissen sie nicht das Geringste; was deutlich zeigt, dass sie das, was sie sagen, selbst nicht verstehen. Meiner Meinung nach wenigstens habe ich klar genug bewiesen (siehe Zusatz zu Lehrsatz 6 und Anmerkung 2 zu Lehrsatz 8), dass keine Substanz von einer anderen hervorgebracht oder geschaffen werden kann. Weiter habe ich (Lehrsatz 14) gezeigt, dass es außer Gott keine Substanz geben und keine begriffen werden kann, und daraus habe ich den Schluss gezogen, dass die ausgedehnte Substanz eines von den unendlichen Attributen Gottes sei. Um jedoch die Sache völlig klarzumachen, will ich die Argumente der Gegner widerlegen, die alle auf folgendes hinauslaufen.

      Erstens meinen sie, dass die körperliche Substanz, als Substanz, aus Teilen bestehe; daher verneinen sie, dass dieselbe unendlich sein und folglich auch, dass sie zu Gott gehören könne. Sie entwickeln das auch an vielen Beispielen, von denen ich das eine oder andere anführen will. Angenommen, sagen sie, die körperliche Substanz sei unendlich, so nehme man an, dass sie in zwei Teile geteilt würde; jeder Teil wird entweder endlich oder unendlich sein. Ist ersteres der Fall, so wäre das Unendliche aus zwei endlichen Teilen zusammengesetzt, was widersinnig wäre. Im letzteren Fall gäbe es ein Unendliches, das doppelt so groß wäre wie ein anderes Unendliches, was gleichfalls widersinnig wäre. Ferner: Wenn eine unendliche Größe mit einem Maß von der Größe eines Fußes gemessen wird, so muss sie aus unendlich vielen solchen Teilen bestehen und ebenso, wenn sie mit einem Maß von der Größe einer Fingerbreite (eines Zolls) gemessen würde. Demnach wäre eine unendliche Zahl zwölfmal größer als eine andere unendliche Zahl. Schließlich: Wenn man sich aus einem Punkte einer unendlichen Größe zwei Linien, wie AB und AC (s. Figur), gezogen denkt, die sich anfangs in einem gewissen und bestimmten Abstand voneinander entfernen und ins Unendliche verlängert werden, so wird sicherlich der Abstand zwischen B und C fortwährend zunehmen und schließlich aus einem endlichen ein unendlicher werden.

      Da also, wie sie meinen, solche Widersinnigkeiten sich daraus ergeben würden, dass eine unendliche Quantität angenommen wird, so folgern sie, dass die körperliche Substanz endlich sein müsse und dass sie folglich nicht zum Wesen Gottes gehöre. Ein weiteres Argument wird gleichfalls der höchsten Vollkommenheit Gottes entnommen. Gott, sagen sie, könne als höchst vollkommenes Wesen nicht leidend sein; die körperliche Substanz aber könne leidend sein, da sie ja teilbar ist, woraus folgt, dass sie zum Wesen Gottes nicht gehört.

      Das sind die bei den Schriftstellern sich findenden Beweise, womit sie zu zeigen versuchen, dass die körperliche Substanz der göttlichen Natur unwürdig sei und nicht zu ihr gehören könne. Wer indessen sehr aufmerksam ist, wird finden, dass ich bereits darauf geantwortet habe; da ja alle diese Beweise sich nur auf die Annahme gründen, dass die körperliche Substanz aus Teilen zusammengesetzt ist, was aber von mir bereits (in Lehrsatz 12, verglichen mit Zusatz zu Lehrsatz 13) als widersinnig erwiesen wurde. Wer zudem die Sache richtig erwägt, wird merken, dass alle jene Widersinnigkeiten (wenn es in der Tat solche sind, worüber ich jetzt nicht streite), aus denen geschlossen werden will, dass die ausgedehnte Substanz endlich sei, keineswegs aus der Annahme einer unendlichen Quantität folgen, sondern aus der Annahme, dass die unendliche Quantität messbar und aus endlichen Teilen zusammengesetzt sei. Aus den gefolgerten Widersinnigkeiten kann daher nur geschlossen werden, dass die unendliche Quantität nicht messbar ist und nicht aus endlichen Teilen zusammengesetzt sein kann. Eben dies ist es nun aber, was ich oben (Lehrsatz 12 u.s.w.) bereits bewiesen habe. Der Pfeil, den jene gegen mich abschnellen, trifft daher in Wahrheit sie selbst. Wenn sie nun aber selbst aus dieser ihrer Widersinnigkeit schließen wollen, dass die ausgedehnte Substanz endlich sein müsse, so ist dies wahrlich ganz ebenso, als wenn jemand sich einbildet, der Kreis habe die Eigenschaften des Vierecks, und nun den Schluss daraus zieht, dass der Kreis keinen Mittelpunkt habe, dessen sämtliche nach der Peripherie gezogenen Linien einander gleich sind. Denn die körperliche Substanz, die doch nur als unendlich, nur als einzig und nur als unteilbar begriffen werden kann (siehe die Lehrsätze 8, 5 und 12), denken sie sich aus endlichen Teilen bestehend, vielfach und teilbar, um schließen zu können, dass sie endlich sei.

      So wissen auch andere, die sich einbilden, eine Linie sei aus Punkten zusammengesetzt, viele Beweise dafür beizubringen, dass eine Linie nicht ins Unendliche teilbar sei. Und in der Tat ist es nicht weniger widersinnig zu behaupten, dass die körperliche Substanz aus Körpern oder Teilen zusammengesetzt sei, als zu behaupten, ein Körper sei aus Flächen, die Flächen seien aus Linien, die Linien schließlich aus Punkten zusammengesetzt. Alle, die wissen, dass die klare Vernunft untrüglich ist, müssen das zugeben, besonders aber diejenigen, die behaupten, es gäbe keinen leeren Raum. Denn wenn die körperliche Substanz so geteilt werden könnte, dass ihre Teile in der Wirklichkeit verschieden wären, warum sollte nicht ein Teil vernichtet werden können, während die anderen Teile, wie zuvor, untereinander verbunden blieben? Warum müssen alle so zusammenpassen, dass es keinen leeren Raum gibt? Kann doch unter Dingen, die tatsächlich voneinander unterschieden sind, eines sehr wohl ohne das andere sein und in seinem Zustand verbleiben. Da es also in der Natur keinen leeren Raum gibt (dazu an anderer Stelle), sondern alle Teile sich derart miteinander vereinigen müssen, dass es keinen leeren Raum gibt, so folgt auch daraus, dass sie in Wirklichkeit nicht unterschieden sein können, d.h., dass die körperliche Substanz als Substanz nicht geteilt werden kann.

      Fragt aber nun jemand, weshalb der Mensch von Natur aus so sehr dazu neigen, die Quantität zu teilen, so antworte ich, dass die Quantität auf zweifache Weise von uns begriffen wird, einmal abstrakt oder äußerlich, so nämlich, wie man sich dieselbe sinnlich vorstellt, und dann als Substanz, was vom Verstand allein geschieht. Richtet sich unsere Betrachtung auf die Quantität, wie sie die sinnliche Vorstellung auffasst, was häufig und leichter von uns geschieht, so erscheint sie endlich, teilbar und aus Teilen zusammengesetzt; richtet sich aber unsere Betrachtung auf dieselbe, wie sie der Verstand allein auffasst, und begreifen wir sie als Substanz, was sehr schwierig ist, dann erscheint sie, wie ich bereits zur Genüge bewiesen habe, unendlich, einzig und unteilbar. Dies wird allen, die zwischen sinnlicher Vorstellung und Verstand zu unterscheiden wissen, hinlänglich klar sein; besonders wenn man noch bedenkt, dass die Materie überall dieselbe ist und dass Teile an derselben allein dann unterschieden werden können, sofern wir sie uns auf verschiedene Weise erregt vorstellen; weshalb sich ihre Teile nur in Bezug auf den Modus, nicht aber gegenständlich unterscheiden lassen. Wir begreifen z.B., dass das Wasser, sofern es Wasser ist, geteilt werden kann und dass sich seine Bestandteile voneinander trennen lassen; nicht aber, sofern es körperliche Substanz ist, denn als solche kann es weder getrennt noch geteilt werden. Ferner: Wasser als Wasser entsteht und vergeht, als Substanz dagegen entsteht es und vergeht es nicht.

      Damit glaube ich auch auf den zweiten