Название | Symbolische Dimension des Wohnens in der Stadt |
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Автор произведения | Monika Arlt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783844258653 |
Zum Umgang mit Symbolen
Symbole können als „Dolmetscher der Welt“ dienen.
Es ist verblüffend, wie viel Symbolik in den Gegenständen und dem Mobiliar einer Wohnung und in den Gebäuden, Straßen und Plätzen einer Stadt steckt. Der Appetit kommt beim Essen. Wer sich nicht damit beschäftigt, weiß nicht, was ihm fehlt. Er kann das Fehlende durch Achtsamkeit für das Unbewusste entwickeln. Er kann das Unbewusste als eine existierende und existenzielle Kraft akzeptieren Meine Bilder sind klüger als ich — diesen Ausspruch des Malers Gerhard Richter kann sich jeder Mensch mit den Bildern die ihn umgeben und mit denen er sich umgibt, mit den Gegenständen die er gebraucht, in den Träume die er träumt und die er erzählt oder zu Papier bringt, zueigen machen.
Freud hat in seiner Traumdeutung festgestellt: Diese Symbolik gehört nicht dem Traum zueigen an, sondern dem unbewussten Vorstellen, speziell des Volkes, und ist in Folklore, in den Mythen, Sagen, Redensarten, in den Spruchweisheiten und in den umlaufenden Witzen eines Volkes vollständiger als im Traum aufzufinden. Wir müssten also die Aufgabe der Traumdeutung weit überschreiten, wenn wir der Bedeutung des Symbols gerecht werden, und die zahlreichen, größtenteils noch ungelösten Probleme erörtern wollten, welche sich an den Begriff des Symbols knüpfen.
Selbst für das, was aus der Bevölkerung heraus nicht direkt gesagt werden kann, lassen sich Symbole verwenden. Der Garten ist für die iranische Filmschaffende Shirin Neshat ein Symbol mit emotionalem Mehrwert, ein zentrales Symbol für Frieden. Die Verwurzelung dieses Symbols in der persischen Mystik verhinderte den Zugriff der Zensurbehörden auf ihr Werk. Das Symbol des Gartens schafft darin eine tröstende Verbindung zu einem erträumten Zustand im Zusammenleben der Menschen.
Das West-Eastern Diwan Orchestra mit seinen israelischen und palästinensischen Musikern unter der Leitung von Daniel Barenboim hat inzwischen weltweit einen mythischen Status als Symbol des Friedens und der Menschenwürde erreicht.
Die Entmythologisierung der Welt, wie sie Hannah Ahrendt seinerzeit mit gutem Recht gefordert hat, ist im Hinblick auf einen „aufgeklärten“, hilfreichen Umgang mit Mythen und Symbolen nicht wünschenswert. Der Forderung nach mehr Bewusstheit sollte sich auch der friedfertigste Mensch, der meint in einer Welt zu leben, in der es das Böse nur außerhalb seiner selbst gebe, zueigen machen. Die Beschäftigung mit Symbolen ist in diesem Kontext auch kein Rückschritt in magisches Denken, sondern ein Schritt, um mit dem Unbewussten und dem Irrationalen als Motor der Kreativität in Kontakt zu kommen und damit zu arbeiten.
Erich Fromm hat von der verlorenen Sprache der Symbole gesprochen. Nach der Entzauberung der Welt durch die Aufklärung haben Freud, durch die Entdeckung des Unbewussten, und Jung, mit seiner Archetypenlehre, die Helden, Zauberer und Ungeheuer durch die Hintertür wieder hereingelassen. Nun geht es darum, sie zu nutzen: aufgeklärt, selbstbewusst, pragmatisch, mit Offenheit, Humor und Vergnügen, aber ohne Abhängigkeit und Angst.
Im Gegensatz zu einer strikten Ablehnung und Verdrängung der Symbolwirklichkeit ist die bewusste Verbindung mit ihr in Form von Verständnis symbolischer Zusammenhänge hilfreich und förderlich. In einem guten, heilsamen Sinne „funktioniert“ das Symbol dort, wo Menschen mithilfe des Symbols ihr eigenes Selbst entdecken, sich im Symbol wiederfinden. In der Psychotherapie geht es ganz wesentlich darum, eine Symbolsprache für Unsagbares, für verstörende Erlebnisse und für zerstörerische Beziehungen zu finden. Dafür sind Symbolisierungsprozesse nötig, um kognitiv Verstandenes emotional verstehbar zu machen. Die bewusste Verwendung von Symbolen kann dazu Brücken schlagen. In diesem Kontext ist es auch müßig, zwischen Mythen und Trivialmythen, Symbolen und Trivialsymbolen zu unterscheiden.
Und doch ist Symbolik dabei „mit Vorsicht“ zu genießen und zu verwalten. Verbundenheit und Zugehörigkeit sind die Gefühle, die das Symbol auslöst — im Guten wie im Bösen. Symbolische Fähigkeiten machen Gegebenheiten zu einem Ereignis, worüber Menschen sich wieder- und zueinanderfinden und worüber Identität entsteht, worüber Gemeinsamkeiten aber auch zur Gefahr werden können.
Und auch das ist zu berücksichtigen: Symbolik hat eine mehr oder weniger dunkle Seite, derer sich aufgeblasene Egos, Gewalttäter, Naive, Sport- und Showstars, Finanz- und Immobilieninvestoren, Diktatoren in aller Welt bedienen und auf ihre Weise versuchen, Menschen für sich zu gewinnen und an sich zu binden.
Sofern Menschen sich nicht von Symbolen vereinnahmen lassen, sind die Symbole nützlich im Sinne von Erkenntnis, Sinnstiftung, Identität und Kreativität. Sofern Symbole für unausgesprochene Ziele inszeniert und instrumentalisiert werden, können sie sehr wohl berühren, ergreifen, sogar erschüttern, wie es der Einsatz von Symbolik in der NS-Zeit gezeigt hat. In dieser Funktion sind sie übergriffig, unheilvoll, gefährlich und gefährdend. Sie sind verzerrte Muster und Modelle der Welt, die als Vorurteile und Einbildungen an einem Selbstbild teilhaben, das leicht kollektiven Entladungen anheimfällt. In demagogischer Absicht können sie bei einem unaufgeklärten Publikum suggestiv missbraucht werden und Missbrauch bewirken.
Während der Nazi-Herrschaft wurden Mythen, Rituale und Symbole als Instrumente in solch einer übergriffigen, zerstörerischen und verbrecherischen Weise genutzt. Ihr politischer Gebrauch verstand und versteht sich auch heute noch in Diktaturen als Versuch und als Absicht der Beherrschung, der „Machtergreifung“.
Die symbolischen Inszenierungen der Politik zielen darauf ab, Politik und Politiker der Bevölkerung sympathisch oder auch übermächtig erscheinen zu lassen. Durch die Medien werden Bilder erzeugt, die bei den Zuschauern positive Gefühle und Denkmuster auslösen sollen: „der Sieger“, „der Verteidiger der Freiheit“, „die Kämpferin für die Familie“, der „wagemutige und unerschrockene Held“.
Nach wie vor versuchen Machthaber in aller Welt, durch die Monumentalität von Gebäuden und sozialen Inszenierungen Symbolqualität herzustellen und damit die Menschen zu beeindrucken. In allen Diktaturen der Welt werden Symbole genutzt, um das auszudrücken, was man der Bevölkerung überstülpen will. Die Stärke der Demagogen liegt im Unbewussten, im Ungesagten, in dem „Mehr“, das nicht ausgesprochen wird. Es ist die eigene Abgehobenheit, letztlich die eigene Vergöttlichung.
„Heil-Kraft“ hat sich seinerzeit in den überbordenden „Heil-Rufen“ in euphorisierender Weise für eine Zeit lang auf eine paradoxe Weise bestätigt. Große Teile der Bevölkerung haben sich in ihrer Rolle durchaus gut und wohl gefühlt. So, wie sie in der NS Zeit genutzt wurden, haben Symbole den Status des Übermächtigen, des Sakralen eingenommen, gegen das eine Auflehnung nicht denkbar sein sollte. Das Potenzial des Umgangs mit Mythen und Symbolen ist dabei in der Bevölkerung weitgehend unentdeckt im Unbewussten verankert geblieben. So war die Uniform als ein Symbol dessen, dem man sich zugehörig fühlte, auch ein Instrument der Identifikation mit den Kameraden in der auch im Unbewussten verankerten Regel, nicht aus der Reihe zu tanzen.
Symbole und Symbolisierung sind nicht gut oder schlecht, sie können aber in guter oder schlechter Weise genutzt werden.
Ein harmonisches Gesamtkunstwerk habe, so der Glaube in den Designströmungen des 20. Jahrhunderts — des Jugendstils, des Werkbundes und Bauhauses — eine positive Wirkung auf Menschen und könne die Gesellschaft verbessern. Dieser Traum, Menschen durch gute Gestaltung von Objekten zu formen, hat sich nicht realisiert. Doch illustrieren Bilder immer auch die Gesellschaft, die sie hervorbringt. Gerade Bilder aus dieser Reformzeit haben sich in vielen Gegenständen und in der Architektur erhalten. Das Bauhaus selbst ist zu einem Symbol geworden, das noch heute Einfluss auf die Gestaltung der Umwelt ausübt. Allerdings lässt sich auch heute noch nur eine Avantgarde davon beglücken und begeistern. Das Bauhaus ist Symbol für beides geworden: für geglückte architektonische Gestaltung, wie für die Misere der Banalmoderne, für die es verantwortlich gemacht wird.
Durch seine Interpretationsoffenheit