Название | Symbolische Dimension des Wohnens in der Stadt |
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Автор произведения | Monika Arlt |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783844258653 |
In der Mythologie ist die Stadt immer schon ein Abbild des Universums. Dieses Bild kann allerdings viele unterschiedliche Ausprägungen erfahren.
Die Stadt als urbanes Zentrum — die europäische Stadt — hat im Gegensatz zu den meisten amerikanischen Städten ein deutliches Profil, in dem sich ihre Bewohner selbst-verständlich wiederfinden. Diese urbanen Städte stehen für sich als ein eigenes Symbol des europäischen Kontinents.
Die Krankheit der europäischen Stadt in Form von Zersiedelung, Entmischung und Schrumpfung beruht auf dem Versäumnis, dass den Bedürfnissen von Industrie, Wirtschaft und Handel stärker Rechnung getragen wurde, als dem Bedürfnis der Bewohner nach Identifikation und Zugehörigkeit. Mythos und Symbol, die Geschichte und die Geschichten der Stadt schaffen erst die „Magie des Realen“, die Basis für Urbanität. Im Wohnungs- und Städtebau lassen sich Symbole durch Gestalt, Muster, Proportion, Zahl, Zeichen, Farbe und anderem bewusst einsetzen. Symbolische Fähigkeiten und Fertigkeiten lassen sich erlernen, und die Bewohner der Stadt können an ihrer zusammenführenden Kraft partizipieren.
Es ist ein Anstoß nötig, um Planer, Gestalter, Architekten, Bauherren und Bewohner davon zu überzeugen und ihnen bewusst zu machen, mit welchen Symbolen und Mythen man sich umgeben will und aus welchen man Kraft zu schöpfen vermag, um die Lust an der Kunst des Denkens und Gestaltens in Bildern zu wecken.
Beispiel „Das Wahrzeichen“
Einen Akt der Bewusstmachung betreibt die Bundesingenieurkammer mit ihrer Aktion, wichtige Ingenieurbauwerke als Historische Wahrzeichen der Ingenieurbaukunst in Deutschland auszuzeichnen. Als erstes Bauwerk erhielt im Dezember 2005 das alte Schiffshebewerk in Niederfinow diese Auszeichnung. Die Öffentlichkeit soll damit auf die technische Kreativität und die wissenschaftlich gegründete Intelligenz, die sich hinter solchen Bauten verbirgt, aufmerksam gemacht werden. Aber es geht um mehr, als um Erinnerung und Staunen über die kreativ-technische Leistung. Es ist auch die Symbolqualität solcher Bauwerke, die fasziniert. Beim Schiffshebewerk ist es das großartig „Verbindende“ der Wasserstraßen miteinander und mit den Benutzern und Betrachtern im Kontext von Transport und Erlebnis. Auch eine Brücke kann in dieser Weise Symbol, Kulturgut und Wahrzeichen sein. Ihre kulturelle Präsenz und Verbindungsfunktion kann Anziehungskraft auf Menschen ausüben. Eine Brücke ist auch ein universelles Symbol des Übergangs, und eine unscheinbare funktionale Brücke über eine Straße kann Symbolcharakter für jemanden haben, der ein einschneidendes Ereignis damit verbindet.
Beispiel „Die Kirche im Dorf und die Moschee in der Stadt“
Ein Bild, welches das christliche Abendland bestimmt wie kaum ein anderes ist Die Kirche im Dorf. Christliche Kirchen besitzen im christlichen Abendland einen eindeutigen Symbol- und mythologischen Wert, indem sie auf die christlichen Religionen und ihre Geschichten bezogen sind.
Die Kirche Notre Dame im französischen Seebad Royan an der Mündung der Gironde wurde nach der fast völligen Zerstörung der Stadt durch die Alliierten im Januar 1945 als ein Symbol dafür geschaffen, dass die Stadt wieder auferstanden, dass sie nicht gebrochen ist. Es sollte die höchste Kirche werden, die möglich ist. Sie wurde ein Koloss, der schon aus weiter Ferne sichtbar ist und an ein Schiff, ein Symbol für die Lebensreise und Zuflucht des Menschen, wie es schon die Arche Noah war, erinnert.
Heute steht die Umwandlung von Kirchen, die nicht mehr gebraucht werden, an. Die Glaubensgemeinschaften sind oft finanziell nicht mehr in der Lage, diese Gebäude zu unterhalten. In der thüringischen Stadt Mühlhausen werden seit Langem mehrere der 14 Kirchen nicht mehr als Gotteshäuser, sondern als Bibliothek, Atelier, Theater, Museum, Jugendherberge oder Raum für Tagungen genutzt.
Es stellt sich im örtlichen Zusammenhang manchmal die Frage, ob die Kirche abgerissen, oder ob sie in eine Sparkasse, ein Restaurant, einen Supermarkt oder gar in eine Moschee umgewandelt werden soll. Die Konversion von Kirchengebäuden ist ein Zeichen für den Verlust zentraler Symbole und damit selbst ein Symbol, dessen man sich bewusst sein sollte, um die Tragweite für die europäische Kultur zu erkennen. Die Konversion der Sakralbauten ist unabänderlich, wenn sie nicht mehr gebraucht und unterhalten werden können. Das Ergebnis einer Konversion ist entscheidend dafür, ob ein mythischer Ort, ein Ort der Bindung und Identität vermittelt, erhalten bleibt oder verloren geht.
Zweifelsohne steht die Alternative der Umwandlung einer Kirche in eine Moschee dem Symbolwert der christlichen Kirche entgegen. Mit dem Verkauf von Kirchen an muslimische Gemeinschaften zieht Christus aus und Mohammed zieht ein (s. Verkauf von Kirchengebäuden der Neuapostolischen Kirche in Berlin Neukölln und Tempelhof im Herbst 2007). Es ist nur zu verständlich, dass die muslimischen Religionsvereinigungen die hässlichen Hinterhöfe verlassen wollen. Eine Gemeinschaft oder Gemeinde will sich von einer bestimmten Größe an sichtbar machen, sofern sie sich nicht als Geheimgemeinschaft versteht. Eine vernünftige und auch symbolisch tragbare Antwort darauf ist es wohl, Flächennutzungspläne und Bebauungspläne auszuweisen, die den Bau von Moscheen dort möglich und verständlich machen, wo die Mitglieder dieser Religionsgemeinschaften wohnen und wo sie mit diesem Symbol ihr Dasein repräsentieren.
Für ihre Kirchenhäuser müssen Kirchen, Kommunen und Bewohner, denen die christlichen Wurzeln etwas bedeuten, Ideen entwickeln. Nur so lassen sich über die Zeiträume hinweg die Bezogenheit und die Geschichten anhand der sie repräsentierenden Symbole bewahren.
Ein Beispiel für die Kraft eines solchen Symbols, im Hinblick auf eine Stadt oder das ganze Land, ist die wieder erstandene Dresdner Frauenkirche. Sie ist zu einem Symbol eines mit sich selbst einigermaßen zurande gekommenen Deutschlands geworden, zu einem Symbol für die Versöhnung der Deutschen miteinander und mit den Alliierten, die den Aufbau durch Spenden unterstützt haben. Hier manifestiert sich auch der Zusammenhang von Symbol und Identität. Durch das Symbol konnte die Sehnsucht vieler Menschen, sich selbst in einem äußeren Objekt wiederzufinden, gestillt werden
Beispiel „Das Denkmal“
Ein „starkes“ Bild eines Denkmals, das Emotionen aufkommen lassen kann und bei vielen Menschen ans Unbewusste rührt, ist das Stelenfeld in Berlin Mitte zum Gedenken an den Holocaust. Das Denkmal für die ermordeten Juden hat eine ungeheure Anziehungskraft entfaltet. Manchen ist es ein Spielplatz, für andere deshalb unerhört. Der Journalist Henryk M. Broder sagte im Juni 2005 in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel (09.06.2005) im Blick auf dieses Berliner Holocaust-Mahnmal, er hasse eine Architektur, die ihm sagt, was er fühlen solle.
Nur ein kleiner Teil der Besucher wird bei diesem Denkmal aber tatsächlich eine große Erschütterung spüren. Manchen erinnert das Monument, wie in dem o.g. Interview ausgesprochen, auch eher an ein Modell von Marzahn (eine in ihren Dimensionen „überwältigende“ Hochhaussiedlung im Osten von Berlin), als an den Holocaust.
Die Gestalt des Stelenfeldes in der Stadt Berlin hat inzwischen Teil am sozialen und kulturellen Charakter der Stadt. Es ist vorstellbar, in diesem Stelenfeld die aufkommenden Gefühle, Körperempfindungen, Assoziationen und Gedanken mit Bedacht wahrzunehmen, mit Interesse zu beachten und zu versuchen, in einen „Dialog“ mit den Stelen und dem Stelenfeld zu kommen. Das Bild eines Feldes von Steinen kann Assoziationen erzeugen, wenn man sie denn zulässt. Dabei besteht zumindest die Möglichkeit, dass sich eine Erfahrungsebene auftut, die den eigenen Bezug zu diesem Teil der städtischen Umwelt anders erfahrbar und die „Suggestion“ lokalisierbar macht. Das Dokumentationszentrum unter dem Stelenfeld, der Raum der Stille am Brandenburger Tor, das Jüdische Museum sind Orte, an denen sich solche Erfahrungsebenen öffnen.
Um ein Denkmal zur deutsch-deutschen Wiedervereinigung wird allenthalben gestritten: Für Potsdam hatte der Potsdamer Ehrenbürger, Denkmalpfleger und Bauhistoriker Friedrich Mielke einen Entwurf für ein solches Denkmal als Geschenk angeboten. Mielke hatte sich zu DDR-Zeiten