Die Bewohner von Plédos. Richard Oliver Skulai

Читать онлайн.
Название Die Bewohner von Plédos
Автор произведения Richard Oliver Skulai
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991312833



Скачать книгу

und unbarmherzig. Ihr König wohnt zusammen mit vielen Getreuen auf einer großen Schlangenburg nördlich der Ganganjer-Schlucht. Weitere, kleinere Burgen gibt es in der Umgebung, alle von Schlangenmenschen bewohnt. Den Fremden sind sie nicht freundlich gesinnt. Noch gefährlicher sind die Kyruppen.“

      So kam es, dass sich am Ende nur drei Personen auf den Weg nach Norden machten: Der kleine Idan, Erfinder-Äffchen und Kuno Weißhaar. Kuno Weißhaar gelang es, zwei kleine Esel zu beschaffen, auf die sie das nötigste Gepäck luden. Außerdem hatte Idan seine Blockflöte mitgenommen, auf der er wunderbare Lieder spielen konnte. Die hatte ihm alle der große Idan beigebracht. Erfinder-Äffchen hatte einige alte Weltkarten und Karten von Rüsselschwein mitgenommen, aber sie waren nicht besonders exakt und nach den Angaben der Kunos gezeichnet. Bereits am folgenden Tage verließen sie den Komponischen Märchenwald. Sie umgingen die Ganganjer-Schlucht, bahnten sich einen Weg durch die Wälder und drangen in Gebiete vor, wo zuvor noch nie normale Menschen waren. Und Idan war der einzige normale Mensch.

      Die Schlangenburg

      Der Schlangenmenschenkönig Schlankerli befand sich hoch oben in seinem Gemach auf der Schlangenburg und betrachtete sein graues Gesicht in einem blitzenden Spiegel. „Ssön – ssöön – ssööön!“, lispelte er, wie das für Schlangenmenschen üblich ist. „Jedoss nisst sslank genug! Wer kann mir selfen, sslanker ssu werden?“

      Wer den Schlangenmenschenkönig Schlankerli in seinem Spiegel gesehen hätte, der hätte dieses seltsame Wesen gewiss für schlank genug befunden, freilich auch für hässlich genug. Der Kopf quoll wie ein dicker Knoten aus einem enorm langen Halse, war aber immer noch schmal und niedrig genug, um zwischen jede Leitersprosse gesteckt zu werden. Die Augen waren geschlitzt, der Mund breit und mit zierlichen Kusslippen versehen, und die schmale Zunge zuckte und züngelte gespalten aus der Lücke. Haare fehlten ihm gänzlich. Die Gliedmaßen waren außerordentlich lang und konnten gedehnt und über alle Maßen gestreckt werden. Sie bestanden nicht aus festen Knochen, sondern aus Knorpelgewebe, von Muskelschläuchen umhüllt. Schlankerli betrachtete seine Arme und Hände im Spiegel. Er verlängerte seine Finger, beugte und streckte sie. Er ließ die dunklen Sterne seiner Augen in allen Formen spielen und lächelte sich selbst im Spiegel zu. „Ssön, Ssöön, ssööön! Aber nisst sslank genug!“

      In diesem Augenblick eilte ein Bote in sein Gemach. „Soßeit Sslankerli! Eure Dursstlausstheit! Wir saben Menssen gesesen, genauer gesagt: Einen Menssen, einen Kuno und einen Affen!“

      „Festnehmen, die sswei!“, donnerte Schlankerli.

      „Soßeit! Es sind drei!“

      „Sssssss!“, zischte Schlankerli ärgerlich. „Iss dulde nisst, dass ihr mir widerspresst! Iss meinte natürliss: sswei Menssen! Den Affen lasst laufen! Was soll iss mit einem Affen?“

      „Soßeit! Der Affe sseint der Führer der sswei ssu sein!“

      „Dann sind das aber sehr, sehr dumme Menssen! Bringt sie trotssdem! Kluge Menssen saben bisseer kein Sslankseitsmittel gefunden!“

      „Eure Dursstlausstheit! Wie sollen wir dummen Menssen ein Sslankseitsmittel entlocken?“

      „Mit Freundlisskeit!“, erwiderte Schlankerli. „Je dümmer desto unempfänglisser für Folter! Freundlisskeit ist das Mittel der Wahl!“ Sprach’s und eilte von dannen. Mit stolzen, weitausladenden Schritten ging er den Freunden entgegen. In der Abenddämmerung erblickten Idan und seine Gefährten die unheimliche, hoch aufgerichtete Gestalt. König Schlankerli war mit einem Gewand aus feinem Goldstaub angetan, das seine anmutig schlanken Formen recht gut zur Geltung brachte. Auf seinem breiten Schlangenhaupt war eine zierliche Krone befestigt. Die großen Schlangenaugen funkelten tückisch.

      „Ssönen Abend, iss bin Sslangenmenssenkönig Sslankerli. Seid mir gegrüßt, ihr Reisenden! Iss lade euss ein auf mein Ssloss! Ihr müsst wissen: Fast mangelt es uns an nissts, iss bin ein sslanker Geselle! Ssön, ssöön, ssööön muss iss sagen, jedoss nisst sslank genug! Ihr könntet miss unterstütssen, noss sslanker ssu werden! Sabt ihr ein Mittel dassu?“

      „Sie könnten es vielleicht einmal mit einer Diät versuchen“, meinte Kuno Weißhaar.

      „Alles sson ausprobiert mit ausgesussten Diäten“, erwiderte Schlankerli, „leider nur Misserfolge! Möglisserweise wisst ihr einen Ssaubertrank. Man sagt, die Kunos seien so weise! Ihr seid wohl keine Gelehrten, iss weiß, aber bewandert in Ssauberkünsten!“

      „Ich bezweifle, ob man das Zauberkünste nennen kann“, versetzte Weißhaar bescheiden. „Ich bin zwar kein Gelehrter, wie du richtig bemerkst, doch haben wir einen Gelehrten unter uns.“

      „Wer? Iss sehe keinen! Meinst du den smarten Jungen?“

      Kuno Weißhaar wies auf Äffchen.

      „Das ist ja kein Menss!“

      „Aber ein Plédo-Affe! Er kann sprechen und dürfte dir weiterhelfen!“

      „Ja“, sagte Erfinder-Äffchen, „ich habe auch schon ein paar Ideen für eine Diät! Ich denke schon, dass ich dir helfen kann!“

      Da war der Schlangenmenschenkönig Schlankerli gar hocherfreut und geleitete die Gefährten den Hügel hinauf zu der Schlangenburg, deren hohe Zinnen in der Abendsonne gleißten. Der König ging ihnen voraus und die Gefährten bewunderten seinen anmutigen, federnden Gang, in dem sich Schlankerli schlangenlinienförmig vor ihnen herbewegte.

      Auf der Schlangenburg bekamen die Freunde Gemächer zugewiesen, erhielten freie Kost und Logis, und Äffchen bemühte sich Diäten nach eigenem Rezept herzustellen. Als Gegenleistung hatte der König den Dreien freies Geleit, Lebensmittel und eine ausgezeichnete Landkarte versprochen. Erfinder-Äffchen entwarf und mixte einige Tinkturen, von denen Schlankerli Durchfall bekam. Aber auch nach einigen Tagen wollte der König nicht abnehmen, wie das tägliche Wiegen auf einer Waage bewies. Jeden Morgen schaute er von Neuem in den Spiegel und sagte: „Ssön, ssön, ssööön, jedoss nisst sslank genug!“

      Er war sehr unzufrieden. Darum wurden die Freunde unter dem Vorwand, dass für neue Diener Platz zu schaffen sei, von einem Tag auf den anderen in weniger freundliche Gemächer geführt und dies wurde solange fortgesetzt, bis sich ganz unmerklich die Glasscheibe vor der Türe und die Vorhänge vor den Fenstern in Gitter verwandelt hatten. Als die Freunde es bemerkten, war es schon zu spät und sie waren seitdem in ihren Zellen gefangen. Die Ratgeber Schlankerlis drangen darauf, dass eine Entscheidung getroffen werden müsse, aber Schlankerli unternahm nichts. Er ließ sich zwar von Äffchen keine Tinkturen mehr zubereiten, aber er zögerte andererseits mit einer Bestrafung. In seinen Mußestunden ließ sich der König auf Idans Flöte Lieder vorspielen, woran er sich sehr ergötzte.

      Eines Tages musste Schlankerli auf Drängen seiner Berater eine Versammlung einberufen, auf der das Problem mit den Fremden geregelt werden sollte.

      „Noss immer saben die Reisenden siss nisst als nütssliss erwiesen!“, wurde ihm vorgehalten.

      „Lasst uns noss ein wenig warten!“, beschwichtigte Schlankerli. „Der Bursse sspielt so ssön!“

      „Wir saben genug gewartet. Das Gesetss besagt, dass diese ssterben müssen!“, erwiderte der Ratgeber des Königs. „So ist es gesetssliss besslossen!“

      „Absolute Sseiße“, lispelte Schlankerli. „Iss mösste den Menssen besalten! Sseiß Gesetss!“

      „Es lässt siss nun mal nisst ändern! Das Gesetss ist alte Tradission! Auss ein König muss siss danass rissten!“

      „Äußerst bessissen! Kann man das nisst umgehen?“

      „Leider keine Ssance! Menssen, die nisst nütssliss sind für Sslangenmenssen, müssen ssterben!“

      „Aber er singt doss so ssön!“

      „Sosswürden meinen, er sspielt!“

      „Freiliss meinte iss das! Wie sollte iss es sonst meinen! Also, wenn er so ssön sspielt, ist das nisst ein Grund, ihn ssu ssonen?“

      „Leider