Название | Die Bewohner von Plédos |
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Автор произведения | Richard Oliver Skulai |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991312833 |
„Das ist ein Mammutfresser“, erzählte Bär Porbulo, „eines jener seltsamen Wesen, die am Südpol in einem riesigen Meer auf Eisschollen leben. Vor fünf Jahren kam ich dort einmal im Urlaub hin. Ich sah etwas Schreckliches: Die Wildhörner, die Eisenmenschen also, die mit Helm, zwei Hörnern und einem Federbusch geboren werden, kämpften gegen die Mammutfresser, um die wertvollen Eisenstoffe aus ihrem Blut zu gewinnen. Es war ein großes Gemetzel. Wie ein Ameisenschwarm stürzten sie sich auf die riesigen Mammutfresser. Ganz winzige Mammutfresserchen wurden von den Rabauken achtlos mit dem Fuß ins Wasser gestoßen. Eines davon fischte ich auf. Ich nahm es mit in den Komponischen Märchenwald. Da er mir zu klein erschien, nahm ich auch noch Mammutfleisch mit, damit ich ihn mästen und nachher verzehren könnte. Das Mammutfleisch habe ich in einem Kühlschrank gelagert, den mir Äffchen gebaut hat. Aber jetzt, nach fünf Jahren, ist er kaum so groß wie ein Biber geworden und immer noch zu klein! So kannst du ihn meinetwegen nun haben, Entchen. Die Vorräte an Mammutfleisch gehen sowieso bald zur Neige.“
Entchen nahm dankend das Geschenk an und versuchte, dem Menschentier ein paar Wörter beizubringen. Entchen war ein gelehriges Tier und hatte von den sprechenden Vögeln des Waldes, von den beiden Riesen und dem kleinen Idan schon manches Wort in menschlicher Sprache gelehrt bekommen, sodass es sich mithilfe dieser Worte notdürftig unerhalten konnte. Und schon betrachtete es sich als Lehrerin, und der kleine Mammutfresser war sein erster Schüler. Aber Sabut, so nannte Entchen den Mammutfresser, hatte wohl kein allzu großes Hirn. Statt „ja“ sagte er „kraa“, statt „nein“ sagte er „Schwein“. Sich selbst nannte er „Mammut“, und wenn er richtiges Mammutfleisch sah, piepste er: „Sabut!“ Entchen konnte leicht abschätzen, dass das Fleisch in wenigen Wochen verbraucht sein würde. Idan ging zu Erfinder-Äffchen und fragte um Rat. Äffchen ließ ihn in seine Werkstatt, kramte in allen Ecken und zog schließlich ein dickes Lexikon hervor. Es blätterte darin. „Marmor – Mammut – Mammutbaum – aha: Mammutfresser!“ Äffchen las vor. Es fiel ihm schwer, die Schrift auf den schon vor Alter vergilbten Seiten zu entziffern.
„‚Die Mammutfresser bewohnen das Heißmeer des Südpols. Auf dem Heißmeer treiben Eisschollen. Warum das so ist und warum die Eisschollen nicht schmelzen, hat bisher noch kein Forscher herausfinden können. Aber es ist so. Die Mammutfresser sind bei ihrer Geburt so groß wie ein Goldhamster und werden im ausgewachsenen Zustand dreihundert Meter hoch. Sie wachsen sehr langsam und werden mehrere tausend Jahre alt. Sie haben zwei Köpfe, von denen einer bei der Geburt schon ausgebildet ist. Der zweite Kopf ist zunächst noch verkümmert und holt im Laufe des Lebens das Wachstum des ersten Kopfes ein. Wenn der Mammutfresser erwachsen ist, sind beide Köpfe gleich groß. Insgesamt haben die Mammutfresser zwölf Augen, sechs davon auf jedem Kopf. Auch ihre Füße haben nur zwei große Zehen. Mammutfresser gehen aufrecht wie Menschen. Ihre Zähne sind scharf und in jedem Kiefer haben sie einen langen, spitzen Schneidezahn. Wie der Name sagt, ernähren sie sich von Mammuts, die sie mit ihren zangenartigen Greifhänden von den Eisschollen picken. Nach allem, was wir wissen, ist es das einzige Fleisch, das ihnen zusagt.‘ Da haben wir’s“, sagte Äffchen, „‚das einzige Fleisch, das ihnen zusagt‘. Das bedeutet, dass wir zu der Polgegend aufbrechen müssen, um den Kleinen mit Fleisch zu versorgen.“
„Ich sehe leider auch keine andere Möglichkeit“, meinte Bär Porbulo.
„Wie kommt man eigentlich zum Südpol?“, fragte der kleine Idan. „Wie bist du denn damals hingekommen?“, fragte er Bär Porbulo.
„Oh, das war eine sehr, sehr lange Wanderung“, erwiderte der Grizzly-Hauptmann. „Ich bin damals mit einer großen Karawane von Bären gereist. Alle meine Gefolgsleute sind mitgezogen. Im Süden haben sich uns die weißen Bären des Polareises angeschlossen. Du erinnerst dich doch sicher, kleiner Idan, dass ich jedes Jahr wenigstens einige Monate mit all meinen Volksgenossen unterwegs auf Wanderzügen bin. Das nennen wir Ferien. Solange du lebst und du dich hier auf diesem Kontinent Rüsselschwein befindest, muss dir das aufgefallen sein.“
„Ja, tatsächlich“, sagte der kleine Idan. „Ich erinnere mich. Das war, soweit ich mich entsinnen kann, bisher jedes Jahr so. Aber wie seid ihr denn über das Meer gekommen? Ihr habt doch keine Schiffe?“
„Mit einer Bärenfähre“, brummte der Hauptmann.
„Bärenfähre? Was ist denn das?“
„Es sind zahme Wale, die an der Südostküste angeschwommen kommen und bereit sind, jeden Bären in ihren Mäulern mitzunehmen, den sie sehen. Sie tun dies gerne und erwarten dafür ein gewisses Entgelt. Dieses besteht darin, dass wir den Walen die Zähne putzen. Du musst nämlich wissen, dass es sehr große Zähne sind. Viele enthalten Löcher, die im Verhältnis zur Größe der Rachen so klein sind, dass die Walzungen nicht in sie vordringen können und in diesen Löchern sammeln sich Speisereste. Auch zwischen den Zähnen bleibt so manches stecken und nur wir Bären mit unseren starken Tatzen sind in der Lage, all diese Speisereste in und zwischen ihren Zähnen zu entfernen. Ein Mensch wäre dazu wohl kaum in der Lage. Es fehlt ihm an Kraft und Geschick, und er müsste Instrumente mitbringen und anwenden, die von den Walen nicht gerne gesehen werden. Diese Wale misstrauen den Menschen. Wir Bären dagegen sind ihnen willkommen. Normalerweise transportieren uns die Wale nur bis zur Nachbarinsel, wo sie uns dann absetzen. Sie liegt nicht weit entfernt vom südwestlichen Zipfel von Rüsselschwein und heißt Waliland. Gegen ein gewisses zusätzliches Entgelt können wir die Wale aber dazu bringen, dass sie uns noch weiter tragen. Wir müssen ihnen nur versprechen in ihren Rachen während der Reise als Putzmänner zu dienen. Dann sind sie auch bereit, uns noch eine weitere Strecke des Weges mit sich zu führen. Wenn sie dazu keine Lust mehr haben, geben sie uns an andere Wale ab, die weiter nach Süden unterwegs sind. Wir springen dann willig von einem Rachen in den anderen. Und so tauschen wir unseren Träger solange, bis wir den Südpol erreicht haben. Diese Wale – wir nennen sie Bärenwale oder Bärenfähren – sind so groß, dass ganze Heere von Bären in ihren Rachen Platz haben.“
„Ist denn noch niemand von euch von ihnen verschluckt worden?“, fragte Idan und man merkte seiner Stimme an, dass er voller Angst und Sorge war.
„Allerdings noch niemand“, beruhigte Bär Porbulo den Jungen. „Wir Bären verstehen es schon, uns an den Zähnen, die wir gerade bearbeiten, festzuhalten, während der Wal eine mit Fischen gesättigte Ladung Wasser in seinen Rachen zieht. Vorher kündigen die Wale durch ein Warnsignal uns ihre Absichten an. Wie gesagt sind auch Scharen weißer Eisbären mit uns gezogen, die uns auf unserer Wanderschaft nach Südrüsselschwein begegnet sind. Einige stammten vom Südpol und befanden sich auf der Rückreise in ihre Heimat. Sie luden uns bei sich zu Hause ein und wir nahmen das Angebot gerne an. Nach nur zwei Wochen hatten wir bereits den Südpol erreicht. So kamen wir gerade rechtzeitig zu dem Massaker, das die Wildhörner unter den Mammutfressern angerichtet haben.“
„Aber wie kommt es, dass diese Wildhörner die lieben Mammutfresser getötet haben? Haben die Mammutfresser ihnen denn was getan? Wie kann man nur so böse sein?“
„Freilich haben ihnen die Mammutfresser nichts getan“, erwiderte der Grizzly. „Die armen Mammuts haben den Mammutfressern ja auch nichts getan! Und böse – böse sind die Menschen immer, mehr oder weniger zumindest. Wildhörner aber sind ganz einfach abenteuerlustig. Sie wollen ständig ihren Lebensraum erweitern, na ja, und es ist bekannt, dass sie keinen Respekt vor Menschen haben. Wie Erfinder-Äffchen mir erzählte, haben sie große Scherereien mit König Artobald, dem Herrscher von Südstiefelburg. Darum haben sie sich wohl auch in ihre lang gestreckten Burgen zurückgezogen. Sie sind menschenscheu und betrachten die Menschen als ihre Feinde. Möglicherweise hat sie der aufrechte Gang der Mammutfresser an Menschen erinnert. Im Allgemeinen sollen sie recht tierlieb sein!“
„Aber es sind doch selber Menschen“, wandte der kleine Idan ein.
„Würden sie wohl nicht von sich behaupten. Wir behaupten’s ja auch nicht von uns! Was ein Mensch ist und was nicht, unterliegt im Allgemeinen einer gewissen Definition.“
„Was ist eine Definition?“
„Eine Bestimmung. Man versteht darunter eine hervorragende Eigenschaft! Die Wildhörner