Название | Die Bewohner von Plédos |
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Автор произведения | Richard Oliver Skulai |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991312833 |
„Nein“, hatte darauf der Kuno erwidert. „Es ist ein Unterschied, ob du dir eine Bewegung nur anschaust oder ob du sie ausführst. Die gesehene Bewegung ist nur ein Abbild und erfordert keine Anstrengung. Die ausgeführte ist eine Wirklichkeit und sie verbraucht Energie.“
„Nein“, hatte Erfinder-Äffchen gesagt. „Wie alles, was ist, sich in einem Raum befindet und in diesem in jede beliebige Richtung verschoben werden kann, so spielt sich auch alles in einem Zeitraum ab, in dem es nach vorn oder nach hinten verschoben werden kann, und das ist völlig unabhängig von der Energie, die eine Bewegung zu ihrer Ausführung benötigt.“
„Beweise das mal“, hatte Kuno Weißhaar noch gerufen. „Beweise, dass es so etwas gibt wie einen Zeitraum, in den man in zwei verschiedene Richtungen gehen kann. Das wirst du nie beweisen können!“
Aber Erfinder-Äffchen war bei seiner Meinung geblieben. Über das Für und Wider sollte ein Experiment entscheiden. In seinem Labor hatte es ein solches Experiment durchgeführt und Kot in köstliche Nahrung verwandelt. So hatte Äffchen jedenfalls behauptet und da es ein ehrliches und aufrichtiges Äffchen war, hatte ihm jeder geglaubt.
Während die Affen mit der kreisförmigen Strickleiter keine Schwierigkeiten hatten, kamen die beiden Kunos mit ihren kurzen, plumpen Gliedmaßen und Fingern nur langsam voran. In der Mitte lag der kleine Idan, der den beiden Kunos half.
Nachdem die Gefährten unter großen Anstrengungen an der Wand der Ganganjer-Schlucht eine gewisse Strecke zurückgelegt hatten, war es an der Zeit, den Rückwärtsgang auszuprobieren, und zwar noch bevor sämtliche Lebensmittel verbraucht waren. Es war Kuno Weißhaar, der diesen Vorschlag gemacht hatte. Er wollte auf Nummer sicher gehen. Alle anderen vertrauten Äffchen machten an einem Felsenvorsprung in der Nähe eines großen Adlernestes Rast. Erfinder-Äffchen holte den Motor aus seinem Rucksack, während Großer-Bruder-Affe mit Hilfe einer ausfahrbaren Angel ein wenig Kot aus dem Adlernest fischte. Erfinder-Äffchen steckte den Kot in die Maschine und drückte den Auslöser. Der Motor brummte. Dann kam ein wenig mehlige Substanz zum Vorschein und Großer-Bruder-Affe, der viel auf seinen kleinen Bruder hielt, verzog enttäuscht sein Gesicht zu einem verschämten Grinsen, während die beiden Kunos missmutig drein blickten. Schließlich huschte quiekend eine kleine graue Maus hervor.
„Das Experiment ist gelungen!“, schrie Äffchen. „Wieder ist es gelungen! Die Adler haben Mäuse verspeist!“
„Das hat gar nichts zu sagen“, wandte Kuno Weißhaar ein. „Die Maus kann schon vorher in der Maschine gewesen sein. Durch das Geräusch des anspringenden Motors wurde sie aufgeschreckt! Das ist eine graue Waldmaus, wie sie öfter bei uns vorkommt.“
„Willst du meine Intelligenz in Frage stellen?“, schrie Äffchen. „Also gut: ein weiteres Experiment!“ Äffchen zerdrückte eine Tomate zu Matsch und führte sie in die Maschine ein. Es drückte den Auslöser. Die Maschine gurgelte. Roter Tomatensaft spritzte heraus.
„Das war wohl zu viel des Guten“, bemerkte Kuno Weißhaar. „Diese Maschine ist ein einziger Humbug! Allein die Idee ist idiotisch! Ich wusste gleich, dass das nicht funktionieren kann!“
„Der Tomatensaft ist kein Gegenbeweis“, entgegnete Äffchen. „Die Maschine hat die Tomate nur in ihren Urzustand zurückversetzt. Und wie ich wissenschaftlich bewiesen habe, ist alles aus Wasser entstanden.“
„Bravo“, rief Kuno Weißhaar. „Du bist ein fantastischer Kerl, der keinem eine Antwort schuldig bleibt. Du kannst wohl alles erklären, sogar den vollendeten Unsinn, aber wir können nichts essen. Das eine ist Erfindung, das andere Wirklichkeit. Da fällt mir gerade ein: Das mit dem Hinuntersteigen war keine schlechte Idee, aber hast du dir schon einmal Gedanken darüber gemacht, wie wir wieder hoch kommen sollen? Das dürfte mit der Ringstrickleiter schwierig sein! Wer soll den oberen Saugnapf nach oben befördern, ohne zu springen?“
Erfinder-Äffchen schaute betroffen. Tatsächlich hatte es sich darüber noch keine Gedanken gemacht. Dass es nahezu unmöglich war, mithilfe seines ausgeklügelten Strickleitersystems wieder nach oben zu gelangen, kam ihm erst jetzt in den Sinn. Es blieb ihm förmlich die Spucke weg.
„Mein Gott“, schrie Kuno Weißhaar, „das Äffchen hat tatsächlich nicht daran gedacht! Ich bin ja selbst ein Idiot, dass ich nicht kritisch nachgefragt habe! Was bin ich für ein Idiot! Einem Affen trauen! Ich hätte viel früher daran denken sollen, dass wir ja wieder zurückkommen müssen! Selbst wenn wir den Grund der Schlucht erreichen, werden wir wohl unten bleiben müssen!“
Bei solchen Aussichten war es dem kleinen Idan ganz angst und bange zumute geworden. Vor Angst begannen ihm die Knie zu schlottern, und plötzlich wurde seine Hose nass. Erfinder-Äffchen reagierte geistesgegenwärtig. Es streifte Idan die Hosenträger mitsamt der Hose herunter und fing den Urin in einer Flasche auf. Diese goss es dann in die Maschine. „Jetzt werdet ihr ein Wunder erleben“, behauptete Äffchen. Es drückte den Auslöser, die Maschine brummte und Wasser spritzte heraus, das Äffchen in seiner Flasche sammelte.
„Was hast du gestern und heute getrunken?“, fragte Erfinder-Äffchen den kleinen Idan, während sich dieser wieder die Hose anzog.
„Quellwasser“, antwortete dieser.
„Hab ich’s nicht gesagt?“, rief Äffchen. „Das ist reines Wasser. Ein weiterer Beweis, dass meine Maschine funktioniert!“
„Schon probiert?“, fragte Weißhaar.
„Wieso? Das sieht man doch!“
„Wenn es reines Wasser ist, darf es nicht salzig schmecken!“, sagte Kuno Weißhaar. „Urin schmeckt unter anderem salzig!“
„Kannst ruhig probieren“, sagte Äffchen und streckte dem Kuno die Flasche entgegen. Dieser probierte tatsächlich. Er verzog das Gesicht, spie aus und wurde rot vor Wut. „Blöde Maschine!“, rief er und versetzte dieser einen Tritt, sodass sie den Felsenvorsprung hinuntergefallen wäre, wenn nicht Erfinder-Äffchen sie aufgefangen hätte. Um dies zu tun, musste es aber mit einem Satz nach vorne springen und dabei rumpelte es Idan an. Dieser verlor das Gleichgewicht, ruderte mit den Armen in der Luft – und fiel. Es brauchte eine Weile, bis der kleine Idan – unter den Schreckensrufen der anderen – realisiert hatte, was eine unabänderliche Tatsache war. Er stürzte tatsächlich.
Normalerweise bleibt einem Stürzenden nicht viel Zeit, sich während seines Sturzes allzu viele Gedanken über sein Schicksal zu machen. Nun war aber die Ganganjer-Schlucht fast tausend Kilometer hoch, und ein Stürzender musste mit fünf Stunden Flugdauer rechnen, bis er unten ankam. Zeit genug, um noch einmal in Ruhe sein Leben zu überdenken und es noch einmal ordentlich mit der Angst zu tun zu bekommen. Und so bekam tatsächlich auch der kleine Idan ordentliche Angst. Das Schrecklichste war seine gänzliche Hilflosigkeit. Er konnte absolut nichts tun und blickte nur mit großen Augen seinem sicheren Ende entgegen. Dabei gingen ihm so manche Gedanken durch den Kopf. Er bereute bitterlich, dass er nicht auf den Rat seiner Ziehväter gehört hatte und zu Hause geblieben war. Er stellte sich vor, wie die beiden Riesen um ihn trauern würden, und weinte bittere Tränen darüber, dass er daran schuld war und ihr Vertrauen missbraucht hatte. Ein kalter Zugwind wehte ihm entgegen und wenn dieser nicht gewesen wäre, so hätte der kleine Idan sich völlig schwerelos gefühlt. Er hatte sich auf den Bauch gelegt, um die Fallgeschwindigkeit zu drosseln und der Wind wehte ihm die Tränen aus den Augen, die immer wieder von Neuem flossen. Ganz bewusst konnte er erleben, wie er immer schneller und schneller wurde. Die rötlichen felsigen Klippen an den Wänden des Abgrundes rasten immer schneller an ihm vorbei. Und irgendwann einmal bemerkte der kleine Idan, dass er mit gleich bleibender Geschwindigkeit fiel. Der Zugwind hatte aufgehört, noch stärker zu werden, und blies ihm mit gleicher Stärke ins Gesicht. Und die Felsenformationen zogen jetzt gleichmäßig an ihm vorüber. Noch konnte er keinen Grund erkennen. Die Fluchtlinien