Название | Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama |
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Автор произведения | Claudia Clark |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991078296 |
In dieser inspirierenden Rede entschuldigte sich Obama nicht für die Sünden der amerikanischen Vergangenheit. Stattdessen wies er darauf hin, dass er es nur der Einmaligkeit und Großartigkeit seines Landes zu verdanken habe, dass jemand mit seiner Herkunft überhaupt die Chance hatte, sich für das Amt des Präsidenten zu bewerben: „Ich bin der Sohn eines schwarzen Mannes aus Kenia und einer weißen Frau aus Kansas […] Ich habe eine der besten Schulen Amerikas besucht und ich habe in einem der ärmsten Länder der Welt gelebt. Ich bin mit einer schwarzen Amerikanerin verheiratet, die das Blut der Sklaven und Sklavenbesitzer trägt. Ich habe Brüder, Schwestern, Nichten, Neffen, Onkel und Cousinen jeglicher Rasse und mit jeder Hautfarbe verteilt über drei Kontinente. Und solange ich lebe, werde ich nie vergessen, dass meine Lebensgeschichte in keinem anderen Land der Welt möglich ist.“57
Er verkündete leidenschaftlich, dass eines seiner Hauptwahlkampfziele sei, den Amerikanern dabei zu helfen, eine tolerantere, gerechtere und wohlhabendere Nation zu werden – unabhängig von Rasse, ethnischer Herkunft oder nationalem Ursprung. Obama sprach an, dass er von einigen Gruppen als „zu schwarz“ kritisiert wurde, während andere Gruppen ihn als „nicht schwarz genug“ fanden. Dabei gäbe es doch trotz der vielen Differenzen in Amerika eine Sache, die allen wichtig sei, nämlich eine sichere Zukunft für Kinder und Enkelkinder. Darauf sollten die Menschen achten, und nicht nur auf die Unterschiede schauen. Er betonte, dass die Menschen aus der afro-amerikanischen Gesellschaft die Herausforderungen der Vergangenheit annehmen müssen, doch ohne dabei selbst zum Opfer zu werden.58
Obama realisierte auch, dass Rassismus und der Kampf um Gleichberechtigung tief in der amerikanischen Gesellschaft verwurzelt sind und dass eine einzige Wahl nicht alles ändern kann, sondern nur ein Schritt von vielen Schritten ist, die in den nächsten Jahren zu gehen sind. Auf charismatische Weise beschrieb er, dass Rassengleichheit nur dann eintreten wird, sobald die Träume und Hoffnungen von einer Gruppe nicht zu Lasten einer anderen Gruppe gehen. Wenn Investitionen im Sozialwesen für jeden Amerikaner gleichermaßen stattfänden, dann würde schlussendlich das ganze Land davon profitieren.59
Sowohl bei den Vorwahlen als auch bei den Hauptwahlen konnte Obamas Kampagne immer neue Rekorde an Wahlspenden verbuchen. Am 19. Juni 2008 war Obama der erste Präsidentschaftskandidat in der Geschichte der USA, der freiwillig auf öffentliche Wahlkampfgelder verzichtete – sie werden in den USA seit 1976 vergeben. Noch im gleichen Jahr, am 4. November 2008, wurde Barack Obama zum ersten afroamerikanischen Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt, sowohl vom Volk durch das „Popular Vote“ also auch von den Wahlmännern. Dabei ging er als klarer Sieger hervor: Von den Wahlmännern erhielt er 365 Stimmen im Vergleich zu seinem republikanischen Gegenkandidaten, dem Senior-Senator John McCain aus Arizona, der 173 Stimmen bekam. Auch das Volk sprach klare Worte: 52,9 % der Bevölkerung stimmte für Obama, nur 45,7 % für McCain. Nach diesem phänomenalen Wahlsieg wurde Barack Hussain Obama II am 20. Januar 2009 um die Mittagszeit zum 44. Präsidenten der Vereinigten Staaten vereidigt.
Obwohl Obama die politische Karriereleiter nicht ganz so schnell erklomm wie Angela Merkel, so war sein Aufstieg durchaus beeindruckend. Zumal er, anders als Merkel, in seiner historischen Wahl als überwältigender Sieger hervorging. Die Rekordsummen an Spendengeldern, die während seiner Kampagne zusammenkamen, in Kombination mit seiner beispiellosen Agenda, zeigten, dass die Amerikaner bereit waren, einem jungen, relativ unbekannten Senator unabhängig von seiner Hautfarbe – oder vielleicht gerade wegen seiner Hautfarbe – eine Chance zu geben. Mit seinen Reden und Wahlversprechen hatte es Obama mit Leichtigkeit geschafft, das amerikanische Volk für sich zu gewinnen. Es würde jedoch noch ein beschwerlicher Weg für ihn werden, die Beziehungen zwischen den USA und seinen Verbündeten in Europa, insbesondere Deutschland, wieder zusammenzuflicken.
Diese Partnerschaften standen zwar auf wackeligem Boden, doch eines war sicher: Obama und Merkel hatten nichts mit ihren jeweiligen Vorgängern gemein. Obama drückte es so gegenüber seiner deutschen Kollegin aus, als er in einer Rede über die Fortschritte im 21. Jahrhunderts sprach und über die ungewöhnlichen historischen und persönlichen Umstände, die beide Politiker auf ihre Rolle im Öffentlichen Dienst vorbereitet hatten: „Kriege können enden. Gegner können zu Verbündeten werden. Mauern können fallen. Zu guter Letzt können Länder sich wieder vereinigen und frei sein. Frau Bundeskanzlerin, unsere Lebenswege stehen in diesem Geiste.“
Kapitel 2: „Ich übernehme die Verantwortung“
Januar – April 2009
Als der Deutsche Bundestag im November 2005 die neue Kanzlerin Merkel einschwor, hatte auf der anderen Seite des Atlantiks George W. Bush gerade zum zweiten Mal in Folge die Präsidentschaftswahlen gewonnen. Das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland war zu diesem Zeitpunkt getrübt – das erste Mal seit dem Kalten Krieg – da die Bush-Regierung 2003 in den Irak einmarschierte. Obwohl viele europäische Politiker in Bush „Satans Vertreter auf Erden“1 sahen, ging Merkel mit ihrem US-Kollegen nicht ganz so hart ins Gericht.
Sie hatte aber schon eine andere Meinung über das Gefangenenlager Guantanamo und keine Probleme, diese publik zu machen: In einem Interview mit Der Spiegel erklärte sie, dass es zwar eine Notwendigkeit für das Bekämpfen des Terrorismus gäbe, sie Bushs militärische Vorgehensweise jedoch ablehne: „Eine Institution wie Guantanamo kann und darf langfristig nicht operieren. Es müssen andere Wege gefunden werden, mit den Gefangenen umzugehen.“2
Aufgrund seiner vom Isolationismus bestimmten Politik waren weltweit viele Politiker froh, dass die Ära Bush 2009 zu Ende war. Sie hofften, dass Barack Obama die Beziehungen, die Bush zerstört hatte, reparieren könnte. Merkel sah das ein wenig anders, denn sie und Bush hatten eine gute Arbeitsbeziehung. Sie gab sogar zu, dass sie ihn vermissen würde.3 Dabei darf man nicht vergessen, dass Merkel im kommunistischen Ostdeutschland aufgewachsen ist. Daher empfand sie den Vereinigten Staaten gegenüber stets Dankbarkeit und sah möglicherweise den ehemaligen Präsidenten durch eine leicht rosarot gefärbte Brille. Dass die Politik von Bush nicht nur ihre europäischen Kollegen verstimmte, sondern auch ihre Mitbürger, entging der Kanzlerin sicherlich nicht.
Ihr war klar, dass sie eine Gratwanderung machen musste, denn die Deutschen waren von Barack Obama begeistert und sie selbst hatte Bedenken. So schrieben Ralf Beste, Dirk Kurbjuweit, Christian Schwägerl und Alexander Szandar in einem Spiegel-Artikel: „[…] 85 % der Deutschen würden auch Obama gewählt haben. Kaum ein anderes Thema genießt einen ähnlichen Konsens.“4 Ein Teil von Obamas Faszination ist möglicherweise auf die Hoffnung zurückzuführen, die er mit seinem Wahlkampf verbreitet hatte, und die Aussicht, dass Obama die von Bush geschwächten Beziehungen zu den USA wieder stärken könnte. Im Laufe seiner Präsidentschaft entwickelte Obama eine echte Zuneigung für die Deutschen, was ihnen nicht entging und das Gefühl der Hoffnung nur bestärkte. Dass die Deutschen den Präsidenten verehrten war ansteckend – und sollte schlussendlich auch die Kanzlerin befallen.
Nach Obamas Vereidigung am 20. Januar 2009 gab Merkel ein Interview für Spiegel Online, in dem sie die historische Bedeutung seines Wahlsieges hervorhob und betonte, dass seine Funktion als erster schwarzer Präsident „eine große Stunde für Amerika ist, was viele Möglichkeiten