Название | Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama |
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Автор произведения | Claudia Clark |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991078296 |
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Im Vergleich zu den in der Vergangenheit geführten Kriegen und militärischen Angriffen geht es bei den heute drohenden Gefahren um weit mehr als nur dem bloßen Einmarsch in ein Land und das Überschreiten von Staatsgrenzen: Heute geht es um Angriffe auf die Werte, für die Amerika und seine Verbündeten stehen. Zudem können Terroranschläge durch die Allgegenwärtigkeit von Internet und sozialen Medien von überall und jedem geplant werden. Es ist daher besonders jetzt wichtig, dass Länder in gutem Kontakt zueinanderstehen und ihre Regierungschefs sich nicht entfremden. Die Unfähigkeit, mit seinen politischen Partnern auszukommen und Informationen der jeweiligen Geheimdienste zu teilen, ist nicht nur gefährlich für die eigene Sicherheit, sondern möglicherweise auch für die der restlichen Welt. Zudem nimmt die Globalisierung ständig zu und Themen wie der Klimawandel oder Wirtschaftskrisen gehen nicht nur ein oder zwei Länder an, sondern beeinflussen jede Nation. Um sich diesen Realitäten zu stellen ist es wichtiger denn je, dass Staatsführer und Länder Partnerschaften aufbauen und zusammenarbeiten.
Kapitel 1: „Unsere Lebenswege“
Nichts illustriert den Unterschied zwischen den freien westlichen Staaten und den kommunistischen Staaten während des Kalten Krieges besser als der Bau der Berliner Mauer im August 1961. Als das kommunistische Regime in Ostdeutschland den „antifaschistischen Schutzwall“ rechtfertigte, war Angela Kasner gerade 7 Jahre alt geworden. Später gab sie an, dass der Mauerbau die erste Erinnerung an ein wichtiges politisches Ereignis gewesen sei.
An jenem historischen Sonntagmorgen, dem 13. August 1961, machte sich Familie Kasner gerade auf den Weg zum Gottesdienst. „Mein Vater predigte an jenem Sonntag. Die Atmosphäre in der Kirche war fürchterlich,“ erinnert sich Angela Merkel, „ich werde das nie vergessen. Menschen haben geweint, meine Mutter auch. […] Das ganze Land wurde plötzlich zu einem Gefängnis. Sämtliche Grenzen wurden mit Stacheldraht und Kontrolltürmen verstärkt und ganz Westberlin war plötzlich von einer 155 Kilometer langen, vier Meter hohen Mauer umgeben.“1
Weil die Vereinigten Staaten und Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg so starke Verbündete waren, lehnten die Amerikaner die Handlungen der kommunistischen Regierung stark ab. Im Laufe der Jahre haben die US-Bürger und die US-Regierung mehrere Maßnahmen getroffen, um ihre Solidarität zu ihren transatlantischen Freunden zu zeigen.
In den 27 Jahren, in denen es eine innerdeutsche Grenze gab, haben sich ganz gewöhnliche US-Bürger und amerikanische Politiker regelmäßig für Demokratie und Einheit in Deutschland eingesetzt: So haben z. B. amerikanische Bürger 1960 als Symbol der Solidarität eine „Freiheitsglocke“ getreu der historischen „Liberty Bell“ nach Berlin geschickt. Noch deutlicher machte es der ehemalige US-Präsident John F. Kennedy mit seiner ergreifenden „Ich bin ein Berliner“-Rede vor dem Brandenburger Tor 1961. Hier erklärte er vor tausenden Berlinern: „Diejenigen, die den Unterschied zwischen der freien und kommunistischen Welt nicht kennen, sollen nach Berlin kommen.“2 Ein ähnlich emotionales Plädoyer machte Präsident Ronald Reagan 1988, als er mit dem russischen Staatschef Michail Gorbatschow gemeinsam vor der Berliner Mauer stand und forderte: „Mr. Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer nieder.“3 Eineinhalb Jahre später, nachdem er diese berühmten Worte sprach, erlebten Millionen Ostdeutsche zum ersten Mal, was Freiheit bedeutete. Und zum ersten Mal nach 27 Jahren war die Berliner Mauer kein unüberwindbares Hindernis mehr.
Niemand hat von diesen Ereignissen mehr profitiert als die damals 35-jährige Angela Merkel. Der Fall der Berliner Mauer ebnete ihr den Weg von der unbekannten Physikerin aus dem Osten zum ersten weiblichen Staatsoberhaupt Deutschlands und gleichzeitig zur ersten Kanzlerin des vereinten und freien Deutschlands. Im Laufe von Merkels politischem Aufstieg entstand für sie ein ganz besonderes Image von den USA – nämlich das von einem Land, das mit dem Kalten Krieg verbunden ist und ihrem Deutschland, das durch eine grausame Grenze geteilt war, Hilfe und Unterstützung bot. Sie war überzeugt, dass Amerika einen großen Einfluss auf ihre persönliche Freiheit und ultimativ auf ihren eigenen Erfolg hatte. Daher bildeten für Angela Merkel transatlantische Beziehungen die zentrale Grundlage der deutschen Außenpolitik.4 Diese Denkweise half ihr, eine Beziehung mit sämtlichen amerikanischen Präsidenten aufzubauen, mit denen sie in ihrer Amtszeit zusammenarbeiten sollte.
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Angela Dorothea Kasner wurde am 17. Juli 1954 in Hamburg geboren. Ihr Vater, Horst Kasner, war damals Pfarrer und kam im selben Jahr dem Wunsch der evangelischen Kirche nach, mit seiner Familie aus dem freien Westdeutschland in den von den Kommunisten kontrollierten Osten zu ziehen, um den dortigen Mangel an evangelischen Pastoren auszugleichen. Kasner ließ seine Frau Herlind, die damals mit Angela im siebten Monat schwanger war, zunächst in Hamburg zurück und sollte seine Tochter zum ersten Mal sehen, als Herlind mit der acht Wochen alten Angela in ihrem neuen Zuhause im Osten ankam.5
Hans Otto Wölber, einer von Kasners älteren Pastoren-Kollegen in Hamburg und späterer Bischof für den Sprengel Hamburg, riet dem jungen Kasner zu diesem Schritt. Da Kasner ursprünglich aus dem Osten Deutschlands stammte, war dieser leicht zu überzeugen – aber scherzte, dass „… diejenigen, die in den Osten reisten, ganz normale ‚kommunistische Idioten‘ sind.“6 Seine Motivation hatte jedoch religiöse Gründe: „Ich würde überall auf der Welt die Worte Gottes predigen, selbst in Afrika.“7 Es war ohne Frage eine kontroverse Entscheidung und eine, die er später bereute.8
In der neuen Heimat angekommen leitete Angelas Vater ein Seminar für kirchliche Dienste sowie eine Einrichtung für geistig Behinderte. Ihre Mutter, eine studierte Lehrerin für Latein und Englisch, kümmerte sich um die Familie. Angela, ihr jüngerer Bruder und ihre jüngere Schwester wuchsen in Templin auf, einer von Landwirtschaft geprägten Kleinstadt, ungefähr 80 km nördlich von Berlin. Obwohl Angelas Mutter lediglich den Haushalt führte – die Ostregierung hatte ihr die Arbeit als Sprachlehrerin untersagt –, lebte die Familie ein angenehmes Mittelklasse-Leben und hatte sogar zwei Autos, was für damalige Verhältnisse geradezu luxuriös war.9
Pastor Kasner war mit den Prinzipien der sozialistischen Lehre zwar einverstanden, allerdings war er vehement dagegen, in welcher Form die kommunistische Regierung sie damals implementierte. Zu den vielen Restriktionen, welche die ostdeutsche Regierung ihrem Volk auferlegte, gehörte das Verbot, in der Öffentlichkeit politische Diskussionen zu führen. Zudem spionierte das Regime seine eigenen Bürger aus und es wurde auf jeden geschossen, der aus dem Land fliehen wollte. In seinem Priesterseminar hielt er oft politische Veranstaltungen und beim Abendessen der Kasners gab es hitzige Diskussionen.10
Angelas Mutter Herlind wuchs während der Nazi-Ära auf und bestand darauf, dass ihre Kinder vor der Propaganda der Ost-Regierung geschützt werden sollten. Sobald die Kinder von der Schule nach Hause kamen, hielt Herlind daher zunächst eine Art Tages-Nachbesprechung ab; die Kinder mussten sie über alles Gelernte informieren, wobei Herlind dann die Fakten richtigstellte. Angela sagte später über diese zweistündigen Sitzungen mit ihrer Mutter, dass es eine Zeit der „Widerworte“11 war, die Herlind dazu nutzte, um die „Gehirnwäsche“ der von der Regierung kontrollierten Schule möglichst gering zu halten.
Obwohl die Bürger in Ostdeutschland mehr Freiheiten als die Menschen in anderen kommunistisch regierten Staaten genossen, hatten dort Mitarbeiter der Kirchen und ihre Familien im Vergleich zu anderen DDR-Bürgern besonders mit Verfolgung und Diskriminierungen zu kämpfen. Pastor Kasner und seine Familie waren dem kommunistischen Regime alles andere als willkommen. Seine Verbindung zur Kirche in Kombination mit seinen westdeutschen Wurzeln löste bei der Stasi, der ostdeutschen Geheimpolizei, Verdacht aus, sodass alle seine Unternehmungen in einer Akte dokumentiert wurden.12 Die Tatsache, dass Angela als Teenager ihren Glauben mit einer Konfirmation in der evangelischen Kirche feierte, statt mit der für das DDR-Regime üblichen „Jugendweihe“, verstärkte nur den Verdacht der Stasi. Aufgrund dieser besonderen Situation meldeten ihre Eltern sie 1968 für die Freie Deutsche Jugend (FDJ) an, der staatlichen Jugendorganisation der DDR. Dieser Beitritt warf später Fragen auf. Doch der einzige Grund für Angelas Eltern, diese Mitgliedschaft gutzuheißen, war eine damit verbundene Garantie auf einen Studienplatz. Denn in der DDR wurde Schülern häufig der Zugang zu Universitäten verweigert, wenn diese nicht Mitglieder der FDJ waren.13