Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama. Claudia Clark

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Название Lieber Barack: Die außergewöhnliche Partnerschaft zwischen Angela Merkel und Barack Obama
Автор произведения Claudia Clark
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991078296



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– sie standen Schulter an Schulter. Stets bekundeten ihre Worte, ihre Körpersprache und ihre Haltung eine gegenseitige Zuneigung und großen Respekt.

      Dieses Buch untersucht, wie zwei Hauptakteure der politischen Weltbühne, die sich anfänglich sehr skeptisch gegenüberstanden, zu guten Freunden und engen Vertrauten wurden. Obamas außenpolitischer Berater Ben Rhodes schreibt in seinem Buch The World As It Is: „[…] Es gab keine ausländische Führungspersönlichkeit, die er mehr verehrte. Sie war genauso pragmatisch wie er, an Fakten orientiert, der internationalen Ordnung verschrieben und bedächtig in ihrer eigenen Entscheidungsfindung.“10 Das amerikanische Magazin Politico berichtete, dass die Kanzlerin Obamas Ansprechpartnerin war. Immer wenn eine schwierige Entscheidung anstand, verlangte er von seinen Mitarbeitern, Frau Merkel ausfindig zu machen.11

      Über die Jahre entwickelten die Politiker eine freundschaftliche, lockere Beziehung, besserwisserische Konkurrenz inklusive: So berichten Mitarbeiter, dass die beiden Staatschefs jeweils die ersten Minuten einer Video-Konferenz oder eines Telefonats stets damit verbrachten, sich gegenseitig damit zu übertrumpfen, wer sich mehr Zeit mit dem Lesen des Tagesprotokolls nahm.12 Betrachtet man die Hürden, die beide nehmen mussten, und ihre Meinungsverschiedenheiten, dann spricht die Tatsache, dass sie über lange Zeit gute Freunde und loyale Partner waren Bände über die Stärke ihrer Freundschaft, ihre Bewunderung füreinander und den hohen Respekt, den sie voreinander und vor der jeweiligen Nationen des anderen hatten.

      Doch was hat es mit der offensichtlichen Chemie auf sich, welche die beiden verband und damals die Weltöffentlichkeit faszinierte? Stefan Kornelius beschreibt in seinem Buch Angela Merkel: The Chancellor and Her World, dass Obama als Privatmensch ganz anders war als der extrovertierte, charismatische Politiker, den er in der Öffentlichkeit darstellte. Außerhalb des Oval Office wirkte Obama sehr introvertiert und auf seine Ehefrau und Familie fokussiert. In den frühen Jahren seiner Amtszeit hatten Staatsoberhäupter wie der britische Premierminister Gordon Brown oder der französische Präsident Nicolas Sarkozy große Probleme, zu Obama eine persönliche Beziehung aufzubauen und fragten sich, ob der „schwierige, kalte und unnahbare“ Charakter des US-Präsidenten als persönlicher Angriff zu werten sei.13 Sarkozy konnte damals nicht wissen, dass sich Obama bereits eine Meinung über seine Kollegen gebildet hatte. So schrieb Obama in seinem Buch A Promised Land, dass er zwar Sarkozys frühe und enthousiastische Unterstützung für ihn und seinen Wahlkampf zu schätzen wusste, er jedoch realisierte, dass Merkel diejenige war, an die er sich wenden würde, denn „[…]es war nicht schwer zu sagen, wer sich von den beiden als zuverlässigerer Partner herausstellen würde.“14

      Kevin Liptak, ein damaliger CNN-Producer im Weißen Haus, schrieb in seinem Artikel „Wie Obama und Merkel lernten einander zu mögen“, dass die Verbindung von Obama zu Merkel etwas sehr Ungewöhnliches für den Präsidenten war, nämlich „eine aufrichtige, internationale Freundschaft, die beide zu ihrem eigenen Vorteil zu nutzen wussten.“15

      Zieht man in Betracht, dass die beiden einen schwierigen Start hatten und auch ihre politische Gesinnung unterschiedlich war, so schien der Aufbau einer starken Partnerschaft oder gar herzlichen Freundschaft fast unwahrscheinlich. Hierzu beobachtete Autor Stefan Kornelius: „Es ist richtig zu sagen, dass menschliche Faktoren sogar die Beziehung zwischen Staatsoberhäuptern beeinflussen können und dass sich Merkel und Obama ähnlicher sind, als sie es zugeben würden.“16 In der Tat waren beide politische Außenseiter, die es geschafft haben, zu einer Position mit unglaublich viel Macht aufzusteigen. Beide verfolgen eine ähnliche Strategie bei der Lösung von Problemen. Angela Merkel, eine promovierte Physikerin, nutzt dabei ihren wissenschaftlichen Hintergrund als Basis, stellt also Fakten und Daten zusammen, die dann von ihr studiert und bewertet werden – etwas, das der US-Präsident laut Auskunft seiner Mitarbeiter sehr schätzte. Ähnlich wie Merkel zögerte er bei der Entscheidungsfindung, sobald mögliche Konsequenzen abzusehen waren.17 Darüber hinaus galten beide Politiker als realistisch, analytisch und objektiv.18

      Doch ihre sich ähnelnden Persönlichkeiten und Herangehensweisen vermögen die besondere Natur ihrer Beziehung nur unzureichend zu erklären. Grundwerte wie Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, die sowohl die USA als auch Deutschland anerkennen, spielten ebenfalls eine signifikante Rolle. Merkel, die als Kind im ehemaligen Ostdeutschland aufwuchs, glaubt fest daran, dass Deutschland seinen Status als freie Nation und sie persönlich ihre Position als Kanzlerin den Vereinigten Staaten zu verdanken hat. Daher ist stark davon auszugehen, dass Merkel vor dem Hintergrund als erste deutsche, aus der DDR-stammende Kanzlerin, der Beziehung zu den USA eine größere Bedeutung zumaß, als ihre Vorgänger es taten. Aufgrund Merkels positiver Einstellung und Dankbarkeit gegenüber den Vereinigten Staaten gab es möglicherweise für sie einen stärkeren Anlass für eine gute Kontaktpflege als für ihre europäischen Politiker-Kollegen.

      Obama hingegen hat häufig gesagt, wie sehr er Merkel dafür bewundere, wie gut sie ihr schweres Los zu meistern wusste und zu der Person wurde, die sie heute ist. Ohne Frage begegneten sich die beiden Politiker stets mit viel Respekt, der sicherlich auch in der geschichtlichen Bedeutung der beiden Länder zueinander begründet liegt – aber nicht nur: Angela Merkel war das erste deutsche Staatsoberhaupt, das aus der ehemaligen DDR stammt und zudem die erste Frau in dieser wichtigen Rolle; und Barack Obama war der erste Schwarze, der jemals in das Amt des US-Präsidenten gewählt wurde. Obama sagte es zuerst, aber später dann auch Merkel: „[…] Unsere Lebensgeschichten stehen im Einklang mit dieser Gesinnung. Es ist offensichtlich, dass keiner von uns genauso aussieht wie unsere jeweiligen Vorgänger. Aber die Tatsache, dass wir hier als Präsident der Vereinigten Staaten und als Kanzlerin von einem vereinten Deutschland zusammenstehen, zeugt von Fortschritt und Freiheit, die in unserer Welt möglich sind.“19

      Warum soll nun hier die Geschichte der beiden erzählt werden? Biografien über Obama und Merkel gibt es zuhauf, auch wurden schon viele Bücher über die Geschichte der diplomatischen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA geschrieben. Dieses Buch beinhaltet jedoch ihre Arbeitsbeziehung und ihre besondere Freundschaft zueinander. Vor dem Hintergrund einer sich immer schneller verändernden Welt scheint diese Analyse aktuell und dringlich.

      Mit der Formation von Allianzen wie der NATO und Partnerschaften wie der EU ist die Zeit nach dem Zeiten Weltkrieg weitestgehend eine vom Frieden gekennzeichnete. Einen großen Weltkrieg hat es bisher nicht gegeben und politische Partnerschaften wie die zwischen Thatcher und Reagan sowie Obama und Merkel haben eine signifikante Rolle dabei gespielt, den Frieden und die Harmonie innerhalb Europas und den Vereinigten Staaten aufrecht zu erhalten. Jedoch ersetzt heutzutage der rapide Anstieg von radikalen Ideologien und terroristischen Aktivitäten immer häufiger die traditionelle Kriegsführung. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 haben sich die Aktivitäten terroristischer Gruppen verstärkt. Das hat zur Folge, dass sowohl in den Vereinigten Staaten als auch in ganz Europa nationalistische und ausländerfeindliche Bewegungen an Momentum gewannen.

      Die im Juni 2016 stattgefundene Brexit-Abstimmung, bei der sich die Bürger in Großbritannien für den Ausstieg aus der EU entschieden, und der Wahlsieg von Donald Trump sind auf beiden Seiten des Atlantiks Belege dieses neuen Wertewandels. Außerdem zogen 2017 in Frankreich und in den Niederlanden rechte Präsidentschaftskandidaten in den Wahlkampf, wenn auch mit erfolglosen Kampagnen. In Polen verzeichnet Antisemitismus den höchsten Stand seit Ende des Zweiten Weltkriegs und erst kürzlich wählte Österreich einen Kanzler mit einer ausländerfeindlichen und nationalistischen Einstellung. Waren es früher die als notwendig angesehenen Allianzen zwischen Staatsführern und ihren Ländern, die Grenzen zu sichern wussten, so fällt heute diese Rolle in die Hände einer nationalistischen und isolationistischen Philosophie. Während Organisationen wie die NATO in den Jahrzehnten nach Ende des Zweiten Weltkrieges für die Erhaltung des Friedens von zentraler Bedeutung waren, spielten die politischen Beziehungen zwischen Staatsführern wie Barack Obama und Angela Merkel eine ebenso wichtige Rolle.

      Jüngst hat die Administration von Donald Trump die amerikanische Botschaft in Israel nach Jerusalem verlegt und damit einen weltweiten Sturm der Entrüstung entfacht. Auch Deutschland lehnte diese Maßnahme ab. So erklärte der damalige deutsche Außenminister Sigmar Gabriel: „Deutschland kann nicht länger nur auf die Politik der USA reagieren, sondern muss seinen eigenen Standpunkt schaffen […] sogar nachdem Trump das Weiße Haus verlässt, wird die Beziehung zu den USA nicht mehr die gleiche