Einmal Kuba und zurück. Petra Reinoso

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Название Einmal Kuba und zurück
Автор произведения Petra Reinoso
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991077299



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sobald wir wieder in seinem Zimmer waren, schrie er mich an, bis er plötzlich auf mich einschlug. Er schlug mich ins Gesicht, was inzwischen auch schon blaue Flecke zeigte, und jedes Mal entschuldigte er sich anschließend dramatisch und versprach mir, es nie wieder zu tun. Ich glaubte immer wieder aufs Neue seinen Entschuldigungen. Das war eine Seite an ihm, die ich nicht kannte. Aber irgendwie war mir das alles lieber, als zu Hause bei meinen Eltern zu sein. Zu Hause war ich auch nicht frei und auch unter ständiger Kontrolle. Natürlich war es unter diesen Bedingungen besser, wenn wir allein unter uns waren. So gab es auch keinen Anlass zur Eifersucht. Anna sah ich nur ganz selten und dann auch nur kurz. Deshalb gingen wir auch nie wieder in eine Disco, da ich diesen Szenen aus dem Weg gehen wollte. Wir waren ein einziges Mal noch und das war so schlimm, dass wir schon gegen 22:00 Uhr nach Hause gingen, wo er mir auf dem gesamten Weg immer wieder vorwarf, ich hätte mit anderen Männern geflirtet. Ich brauchte eine Ewigkeit, um ihn zu beruhigen, damit die Stimmung zwischen uns wieder auf einem normalen Niveau war. Schon da wäre ich am liebsten nach Hause gegangen, aber das konnte ich jetzt nicht mehr tun. Ich kannte so etwas nicht. Die deutschen Jungs waren nicht so, das wusste ich ja auch von Marias Mann. Ich dachte aber, dass sich das sicher irgendwann ändern wird. Es beeinträchtigte aber dennoch unser Zusammenleben. Es war sehr beschwerlich und ich hatte nur wenig Wechselwäsche dabei. Täglich musste ich meine Wäsche waschen, um sie dann auf der Heizung zu trocknen. Ständig fehlten mir irgendwelche Bücher für die Schule. Keinen Schritt konnte ich mehr ohne Raul machen, immer war er bei mir, beim Kochen, beim Waschen und ich war sogar froh darüber. So konnte er mir wenigstens keine Szene machen, ich hätte wieder mit einem Kubaner gesprochen oder gar geflirtet. Meine Mutter war zwischenzeitlich wieder in meiner Berufsschule bei meinem Ausbilder. Nach dem Gespräch kam er auf mich zu und sagte, dass er mich persönlich heute Mittag zu einer Aussprache zu meiner Mutter ins Büro begleiten würde, da ich noch nicht volljährig sei. Irgendwie war es mir auch schon egal, ich hatte mich nicht dagegen gewehrt und ich dachte an meine Mutter und freute mich sogar, sie wiederzusehen. Unser Zusammentreffen war jedoch anders, als ich es mir vorgestellt hatte. Von wegen, die Mutter fleht: Komm doch endlich wieder nach Hause, alles wird gut! Meine Mutter stand in einem separaten Raum und als ich reinkam, verzog sie keine Miene. Ihr Blick war fordernd und hatte überhaupt nichts Liebevolles. Nur Vorwürfe: „Wo warst du die ganze Zeit, sieh dich mal an, wie du aussiehst, völlig abgemagert und heruntergekommen.“ Ich ärgerte mich schon, dass ich überhaupt gekommen war. Aber ich wusste, dass ich unter diesen Umständen auf gar keinen Fall wieder nach Hause kommen würde. Ich gab auch keine Antworten, ich sagte nur: „Wenn das so ist, kann ich ja auch gleich wieder gehen.“ Vielleicht war das der Auslöser bei ihr, ich wusste es nicht genau. Sie änderte ihre Haltung und sprach nun ganz normal mit mir. „Komm bitte wieder nach Hause, das bringt doch alles nichts, du brauchst doch ein geregelteres Leben als in diesem Wohnheim.“ Das wusste sie inzwischen von meiner Schwester. „Ich komme nur zurück, wenn ich keine Strafe bekomme.“ „Ich verspreche es dir. Komm mich heute nach der Schule abholen, aber komm wirklich.“ Ich holte sie ab und wir fuhren gemeinsam nach Hause. Alles war normal, es gab kein Theater, keine Fragen, keine Probleme. Mein Vater sagte nur: „Was willst du denn hier?“ Ich dachte schon, jetzt geht es ja doch los, aber er sprach kein Wort mehr zu mir. Ich war so sehr erleichtert. Ich konnte mich endlich mal wieder frei bewegen, ohne dass ich mich nur in einem kleinen Zimmer aufhalten musste. Ich konnte in Ruhe duschen, wieder frische Klamotten aus dem Schrank anziehen. Es war ein Genuss. Trotzdem ging ich, nachdem ich geduscht hatte, zu Raul, schließlich wartete er auf mich und hatte ja keine Ahnung, dass ich wieder zu Hause war. Meine Mutter enttäuschte das sehr und sie sagte: „Hältst du es denn nicht mal ein paar Stunden zu Hause aus?“ Ich ging wortlos, wusste aber, dass ich am selben Abend wieder nach Hause kommen würde. „Ich komm nicht so spät zurück!“ Zum ersten Mal in meinem Leben konnte ich meine Rückkehr selbst bestimmen.

      Raul war wütend, weil ich nicht früher da war. Als ich ihm alles erzählte, konnte er sich gar nicht darüber freuen. „Du bleibst aber trotzdem heute hier!“ „Das geht nicht, ich habe meiner Mutter versprochen, dass ich heute wieder nach Hause komme, im Moment läuft alles ganz normal und ich kann ihr das nicht antun.“ Im Stillen dachte ich nur: „Ich bin froh, dass ich wieder nach Hause fahre und ich werde das auf jeden Fall tun, da kann er sich auf den Kopf stellen.“ Er war wieder mal wütend und ich war froh, als Anna mit Fidel kam. Als sie mich sah und erfuhr, dass ich daheim war, sagte sie; „Du siehst wieder richtig gut aus, seit du zu Hause warst.“ Sie versuchte, Raul zu beruhigen, was ihr auch gelang, aber ich wusste, Raul tat nur so, da er sich immer von seiner besten Seite zeigte, wenn andere dabei waren. Anna und ich gingen dann zusammen. Raul sagte noch zum Abschied „Aber morgen bleibst du wieder bei mir.“ Ich hatte ihn so satt und wollte am liebsten nie mehr wieder zu ihm kommen. Mein erster Freund und dann solche Szenen. War das vielleicht normal? Ich kannte es ja nicht anders von meinen Eltern. Ich war aber viel zu sehr verliebt in ihn und merkte auch schnell, wenn wir nicht zusammen waren, hatte ich Sehnsucht nach ihm. Anna hatte ich von unseren Problemen erzählt. Sie konnte es kaum glauben und redete mir ins Gewissen, dass es besser sei, sich zu trennen. Ich wusste ja, dass sie recht hatte, aber irgendwie war ich noch nicht bereit, so schnell aufzugeben. „Er wird sich sicher ändern.“ „Wer einmal schlägt, wird dich immer wieder schlagen“, sagte sie. Ich fühlte mich so leer und traurig, anscheinend hatte ich in dieser Hinsicht nichts gelernt. Ich musste eben meine Erfahrungen selber machen. Die Tage vergingen, ich war jeden Tag zu Hause. Es gab immer wieder Streit wegen Raul. Meine Mutter versuchte, mir ihn auszureden, was mich nur noch bestärkte, weiterhin zu ihm zu fahren, da sie kein gutes Haar an ihm ließ. Sie sprach ja aus eigener Erfahrung. Doch ich wollte ihr das Gegenteil beweisen. Wenigstens sorgte sie aber dafür, dass ich die Pille nahm. Die erste Zeit nach meiner Heimkehr war ich fast täglich bei Raul und fuhr auch immer wieder am Abend nach Hause. Es verging kein Tag, an dem er mir nicht wieder eine Szene machte. Er hätte am liebsten 24 Stunden die Kontrolle über mich gehabt. Er holte mich täglich, außer wenn er Spätschicht arbeitete, von meiner Arbeit oder Berufsschule ab und sobald ein Mann irgendwie in meiner Nähe war, egal ob ich ihn kannte oder nicht oder ob nur rein zufällig, gab es wieder Ärger. Den ganzen Abend machte er mir dann Eifersuchtsszenen, wer das war und was ich mit denen zu tun habe, und jedes Mal schlug er zu, er biss mich ins Gesicht und zog mich an den Haaren. Stets brach ich in Tränen aus, vor Schmerz und vor lauter Entsetzen. Immer wieder drohte er mir, mich zu bestrafen, wenn er wieder einen Mann in meiner Nähe sehen würde. Ich musste mich rechtfertigen für Dinge, die ich nicht getan hatte und nicht einmal die Absicht hatte, diese zu tun. Er glaubte mir kein Wort, war wie besessen. Ich hatte so zu sein, wie er mich haben wollte. Ich hatte keine eigenen Bedürfnisse mehr zu haben, wie ich es auch bereits aus meiner Kindheit kannte. Immer brav den Kopf senken, gefügig und gehorsam zu sein unter Androhung von Strafe. In mir war nur noch die Angst, eine Angst, die mich beherrscht, gesteuert von der Angst, die sich bis in jede Zelle meines Körpers und in die Tiefe meiner Knochen ausbreitete. Gelähmt davon, um mich zu wehren. Wie gefährlich diese Angst für mich war und mich immer weiter abwärts trieb, war mir nie bewusst. Die Pille hatte er mir inzwischen schon längst wieder weggenommen. Ich wurde immer ruhiger und wehrte mich gar nicht in der Hoffnung, dass er sich beruhigen würde. Eigentlich wollte ich dann nur noch nach Hause, obwohl es da auch nicht viel besser war. Da ich nun nach der Arbeit gar nie mehr erst heimkam, sondern erst spät am Abend, gab es auch da immer wieder Ärger mit meinem Vater. Ich wusste überhaupt nicht mehr, was ich machen sollte. Der einzige Rückzugsort führte mich hin und wieder zu Maria. „Beende endlich diese grauenvolle Beziehung. Was willst du denn mit so einem Mann? Sowas würde ich mir nie gefallen lassen“, sagte sie zu mir. „Ich mache Schluss mit Raul, es ist wohl das Beste, ich halte das auch nicht mehr aus.“ Ich nahm mir wirklich vor, nie mehr zu ihm zu fahren. Doch mein größtes Problem war nur, dass Raul nach wie vor jeden Tag nach der Arbeit auf mich wartete, besser gesagt auf mich lauerte. Immer wieder stellte er sich mir in den Weg. „Komm mit!“ „Nein ich will nicht mehr mit dir zusammen sein, du hast mir schon zu viel angetan. Immer wieder dichtest du mir andere Männer an und schlägst mich, das lasse ich mir nicht mehr gefallen, hau ab!“ „Du gehörst mir, du bist mein und niemanden anderem, du kommst jetzt mit.“ Es gelang mir immer wieder, trotzdem nach Hause zu fahren. Ich erzählte es meiner Schwester, die es wieder aus Besorgnis meinen Eltern erzählte. „Das hast du nun davon, wir haben dir es ja gleich gesagt, dass du dich von so einem fernhalten sollst, aber du hast ja nicht auf uns gehört. Wage es bloß nicht, dich wieder mit ihm einzulassen,