Название | Einmal Kuba und zurück |
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Автор произведения | Petra Reinoso |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783991077299 |
Der Abend neigte sich dem Ende zu und unsere Wege mussten sich vorerst wieder trennen. Wir standen bereits draußen. Er küsste mich nun das erste Mal zum Abschied. Warme, weiche Lippen ruhten auf meinen und es dauerte eine Ewigkeit. Dieser Kuss sollte doch nie enden. Meine Güte war das toll und dieser angenehme Geruch, diese Wärme, ich hätte ihn am liebsten nie mehr losgelassen. „Wo wohnst du?“, fragte er. Da ja kaum jemand Telefon in der DDR hatte, gab ich ihm meine Adresse und sagte. „Besser wir treffen uns wo anders, da ich sonst ganz sicher mit meinen Eltern Ärger bekomme, wo wohnst du denn?“ Er gab mir seine Adresse, er wohnte in einem Wohnheim zusammen mit seinen Kollegen. „Kann ich dich morgen treffen?“ „Ja, gern“, sagte ich und wir verabredeten einen Treffpunkt für den nächsten Nachmittag. Es war schon sehr spät bereits ein Uhr, viel zu spät und der Ärger mit meinem Vater war mir jetzt schon sicher. Aber das war nun auch nicht mehr zu ändern, in meinem Kopf war jetzt nur Raul und dafür nahm ich den Ärger gerne Kauf. „Komm Petra wir müssen uns beeilen, sonst verpassen wir die letzte Straßenbahn und die nächste fährt erst vier Uhr morgens!“ Wir hatten Glück, aber dennoch lag noch eine halbe Stunde Fahrweg vor uns.
„Und“, sagte Anna, „habt ihr euch verabredet? Ich hoffe doch, dass du ihm nicht einen Korb gegeben hast.“ „Ja, haben wir. Wir treffen uns morgen, aber ich weiß noch nicht,wie ich morgen von zu Hause wegkommen soll, da ich heute Nacht sowieso für die nächsten drei Wochen Hausarrest bekomme. Aber irgendwas wird mir schon einfallen und wenn ich abhaue. Ich will Raul unbedingt wiedersehen und wenn ich morgen nicht zum Treffen komme, denkt er doch sicher, dass ich gar kein Treffen möchte und ich hätte das nur so gesagt.“ Plötzlich machte sich in mir Panik breit. Ich war sicher, das, was ich gerade ausgesprochen hatte, würde ganz bestimmt so eintreffen. Dazu kannte ich meinen Vater zu gut. Am liebsten wäre ich gar nicht mehr heimgegangen, um dann am nächsten Tag auch ganz sicher zu unserer Verabredung gehen zu können. Ich musste Raul unbedingt wiedersehen. „Du wirst dir das doch nicht gefallen lassen, du bist bald 17 Jahre und hast bereits eine Berufsausbildung angefangen, da stehst du doch quasi schon auf eigenen Beinen!“ „Du kennst ja meinen Vater, er verbietet mir doch einfach alles und heute Abend konnte ich auch nur weg, weil ich gesagt habe, die Disco sei um 21 Uhr zu Ende und anschließend komme ich gleich heim. Wenn er wüsste, wo die Disco ist, wäre er doch schon längstens gekommen und hätte mich da rausgeprügelt.“ Meine Gedanken kreisten nun leider nur noch darum, die Realität hatte mich schnell wieder eingeholt. Für mich war klar, es wird das erste und auch das letzte Mal gewesen sein, dass ich in einer Disco war, die länger als bis 21 Uhr geöffnet hat. Mein Vater hatte mir beigebracht, meinen Kopf gesenkt zu halten und gehorsam zu sein, anderenfalls wurde ich bestraft. Erreicht hatte er damit, dass ich rebellisch wurde und im Außen nicht den Kopf gesenkt halten wollte. Ich musste so schnell wie möglich 18 Jahre werden, dann war ich volljährig und konnte machen, was ich wollte. Meine Schwester Maria war bereits in diesem Jahr 18 geworden und einen Monat später hatte sie ihren langjährigen Freund geheiratet und war zu Hause ausgezogen. Ich beneidete sie so sehr darum. Sie wohnte zwei Minuten zu Fuß von uns und ich war sehr oft bei ihr. Das war jedes Mal ein gutes, wenn auch kurzes, Freiheitsgefühl. Wenn ich bei ihr war, ließen mich meine Eltern in Ruhe, weil sie meiner großen Schwester vertrauten. Ich rauchte dann heimlich bei ihr, denn auch das durfte ich natürlich nicht, wir tranken süßen Rotwein dazu und anschließend putzte ich gründlichst die Zähne und ging wieder heim.
„Ich wünsch dir viel Glück und lass dir nicht alles gefallen, sieh einfach zu, dass du deinen Traumprinzen morgen triffst, du musst mir dann unbedingt auch erzählen, wie es war.“ Sie stieg aus und ich musste noch zwei Stationen weiterfahren. Ich wollte nur zu gern die Gedanken verdrängen und versuchte ständig, mir das Bild von Raul ins Gedächtnis zu holen, um das gute Gefühl noch mal zu spüren. Es war ein Auf und Ab in meinem Kopf. Könnte ich doch einfach nur ganz normal mit meinen Eltern reden und ihnen einfach erzählen, wo ich war und was ich erlebte. Nur allzu sehr wünschte ich mir das Verständnis von ihnen und alles wäre viel einfacher und harmonischer und ich hätte so auch nie das Gefühl gehabt, nur endlich von zu Hause zu fliehen, einfach weg – und zwar für immer. Ständig diese Bevormundung, diese sinnlosen Auseinandersetzungen, dieses Misstrauen. Aber wie sollte das auch gehen, wenn doch meine Eltern auch miteinander so umgingen: Ständig stritten sie sich und brüllten sich hässliche Dinge an den Kopf, bis dann mein Vater zu guter Letzt auf meine Mutter einprügelte. Mein ganzes bisheriges Leben mussten wir, meine Schwester und ich, das mit ansehen. Eines wusste ich ganz sicher, wenn ich selbst Kinder hätte, würde ich niemals so zu ihnen sein. Zu Hause angekommen, steckte der Schlüssel von innen in der Wohnungstür, damit mein Vater auch wirklich wach werden musste, wenn ich nach Hause. „Wo kommst du denn so spät her? Von wegen 21 Uhr zu Ende, wo warst du? Das hat Konsequenzen.“ Während er brüllte kamen auch die Schläge. Ich dachte nur, wenn Raul das jetzt wüsste, er wäre sicher entsetzt. Ich hoffte nur, es lohnt, sich das jetzt einzustecken. „Geraucht hast du auch.“ Und auch dafür schon wieder Schläge „Ich will wissen, wo du warst, wo hast du dich rumgetrieben, du Schlampe?“ Ich und eine Schlampe, wo ich doch wirklich anständig war, wäre ich doch nur nicht nach Hause gekommen. Wenn er schon denkt, dass ich eine Schlampe bin, dann sollte ich doch wenigstens meinem Ruf gerecht werden. Am liebsten hätte ich ihm das an den Kopf geworfen, aber das hätte ich wahrscheinlich nicht überlebt. „Ich war bei Anna und wir haben Monopoly gespielt und ich habe vergessen, auf die Uhr zu schauen“, log ich. „Lüg’ mich nicht an, von wegen vergessen, auf die Uhr zu schauen, und außerdem habe ich dir den Umgang mit ihr verboten. Die nächsten drei Wochen hast du Hausarrest, dass das klar ist.“ Ich war kurz vor einem Anfall vor Entsetzen. „Das ist Freiheitsberaubung“, schrie ich ihn an. „Solange du die Füße unter meinen Tisch stellst, wird gemacht, was ich sage.“ Das war sein Lieblingsspruch, dabei wollte ich ja gar nicht meine Füße unter seinen Tisch stellen, ich war ja regerecht dazu gezwungen und das schon seit 16 Jahren, was blieb mir denn anderes übrig. Dann durfte ich abtreten und so ging ich ins Bett. Das Gebrüll, die Prügel lagen nun erst mal hinter mir – das war nun erledigt. Mit der Zeit gewöhnte ich mich auch daran. Immer wieder dachte ich, wie sehr ich doch meine Freundinnen um ihre verständnisvollen Eltern beneidete und dass diese nicht so einer Härte ausgesetzt waren. Sie konnten zu Hause mit ihren Eltern über fast alles reden. Meine Mutter hatte leider auf die Erziehungsmaßnahmen meines Vaters keinen Einfluss und was er einmal aussprach, wurde konsequent durchgezogen. Am nächsten Tag war die übliche Hausarbeit angesagt, na ja an diesem Tag im übertriebenen Maße, da hatte sich mein Vater immer was sehr Zeitintensives ausgedacht, damit ich auch wirklich bereute. Ich bereute aber gar nichts, im Gegenteil. Hausarbeit machte mir nichts aus und außerdem dachte ich nur an Raul. Nur dass mir in keinster Weise einfiel, wie ich denn nun aus dem Hause käme. Ich erfand, dass ich noch zu meiner Freundin müsste, konnte aber keinen glaubwürdigen Grund dafür liefern. Zu meiner Schwester durfte ich auch nicht. Es hieß: „Nein!“. Jeder Versuch war zwecklos. Ich konnte nicht raus und traute mich auch nicht, einfach abzuhauen, ich hatte den Mut nicht und wie hätte ich es auch machen sollen, ich wollte so schnell nicht wieder eine Tracht Prügel einstecken. Es ging einfach nicht. Raul stand jetzt sicher an unserem vereinbarten Treffpunkt und ich saß in meinem Zimmer. Es war zum Verzweifeln. Nur allein der Gedanke daran machte mich fast wahnsinnig. Endlich hatte ich mal eine Gelegenheit, einen Jungen kennenzulernen, und schon sollte ich ihn wieder loswerden. Das war es nun, den werde ich wohl nie wiedersehen. Ganze drei Wochen vergingen und ich durfte absolut keinen Schritt vor die Tür setzen. Nur zur Arbeit oder Berufsschule und auch danach musste ich sofort nach Hause. Alle meine Zeiten waren meinem Vater bekannt. Am wohlsten fühlte ich mich immer, wenn ich in der Arbeit oder in der Schule war. Es gab bei uns nur zwei Jungs in der Klasse, der Rest waren alles Mädchen. Meine Freundin Adele und ich standen uns schnell sehr nahe. Sie hatte sehr liebe Eltern und auch schon einen Freund, mit dem sie in ihrem Elternhaus ein und aus gehen konnte. Ich beneidete sie darum, wir verbrachten viel Zeit miteinander. Das war für mich ein willkommener Ausgleich. Anna konnte ich in den drei Wochen auch nicht treffen. Ich rief sie ab und zu von meiner Arbeitsstelle aus an, da gab es wenigstens ein Telefon, um ihr auch zu berichten, was geschehen war, und von ihr zu erfahren, was es sonst in der Außenwelt Neues gab.
„Ich war am Samstag wieder in der Diskothek und ich