Einmal Kuba und zurück. Petra Reinoso

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Название Einmal Kuba und zurück
Автор произведения Petra Reinoso
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991077299



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sagte ich zu ihr. „Du wirst sicher mit ihm die Nacht verbringen.“ „Ja, das werde ich, so gesehen hat die Aktion mit Raul auch für mich etwas Nützliches gehabt. Wir sind uns in den letzten Wochen schon nähergekommen und heute lasse ich nichts mehr anbrennen“, sagte sie schmunzelnd. „Du wirst Raul doch sicher heute Abend auch begleiten, so oder so bekommst du Ärger zu Hause, also was soll’s, wenn schon Ärger,dann sollte sich es doch auch lohnen und denk dran, garantieren kann ich dir nicht, dass Ella beim nächsten Mal wieder aufkreuzt, nimm ihn dir!“ Der letzte Tanz wurde angekündigt und das war wie immer ein langsamer Song. Ich nahm Raul bei der Hand und wir tanzten diesen letzten Song eng zusammen. Ich wollte einfach nicht, dass der Tanz zu Ende geht. Würde er mich fragen, ob wir noch zusammen etwas trinken oder zu ihm nach Hause gehen? Wenn nicht, was sollte ich tun, auf eine neue Verabredung ließ er sich bestimmt nicht ein. Warum fragt er mich denn nicht? Er schwieg, da er spürbar und sichtlich mit geschlossenen Augen das Tanzen mit mir genoss, sagte ich auch nichts. Das verdammte grelle Licht ging nun an, wie unsensibel, jedes Mal zum Ende eines Abends gingen immer diese blöden Kronleuchter an. Die Musik war auch schon zu Ende und wir standen immer noch auf der Tanzfläche. Schweigend gingen wir zum Tisch und gemeinsam mit Anna und Fidel zum Ausgang. Draußen angelangt, knutschten wir wieder. „Wir gehen jetzt, kommt ihr auch mit?“ „Wohin geht ihr denn?“ „Jetzt frag’ doch nicht so naiv.“ Ich wusste es ja, aber irgendwas musste ich ja antworten. Fidel sprach einige Worte in Spanisch zu Raul. Er schaute mich an und sagte: „Kommst du mit?“ „Ja, aber, wohin?“, fragte ich schüchtern. „Na, nach Hause zu uns, komm bitte mit.“ Wie er das sagte, mit diesem Blick aus seinen braunen Kullerlaugen. Anna rief jetzt: „Los, überleg nicht zu lange, vergiss jetzt deine Eltern und denk an den schönen Abend, der dir noch bevorsteht. Wir nehmen ein Taxi zusammen.“ Raul sah mich an, nahm meine Hand und nun konnte ich ihm nicht mehr widerstehen. Ich wollte es ja auch so und war froh darüber, dass Anna die Sache in die Hand genommen hatte. In ihrer Gesellschaft fühlte ich mich immer so beschützt. Sie lief mit Fidel vor uns und kicherte, sie sah so sexy aus, ihr Hintern schaukelte so weiblich und selbstbewusst. Schon im Taxi, als Raul und ich zusammen auf dem Rücksitz saßen, konnten wir gar nicht mehr voneinander loslassen. So unendlich wohl hatte ich mich noch nie gefühlt, völlig frei und kein einziger Gedanke an die Folgen zu Hause. Als das Taxi anhielt, standen wir vor einem Häuserblock, wo anscheinend noch niemand schlief, in fast jedem Fenster sah man Licht und lärmende Stimmen und Musik drang aus ihnen. „Wo sind wir denn hier gelandet?“, sagte Anna „Die scheinen sich gewaltig zu streiten.“ Ich war so erschrocken und mit einem Schlag kam in mir die Ernüchterung. „Um Himmels willen, was ist denn hier los, wo sind wir? Hier steige ich nicht aus, Anna, ich habe Angst. Noch können wir zurück.“ Ich merkte, dass auch Anna ihr Unbehagen nicht unterdrücken konnte, was mich nur noch unsicherer machte. Sie war doch von uns die Starke und Mutige. Der Taxifahrer sagte: „Das ist immer so hier und scheint ganz normal zu sein.“ Unsere Ankunft, unsere Gedanken und kurzer Wortwechsel spielten sich alle innerhalb von Sekunden ab. Währenddessen ließ ich Raul völlig außer Acht und erst recht nicht zu Wort kommen. Jetzt endlich sagte er: „Was ist mit dir, wieso hast du jetzt Angst vor mir, was ist passiert?“ Irgendwie schien er wirklich nicht zu verstehen, was in mir vorging. So wie er mich dabei ansah spürte ich wieder das Blut in meinem Körper und seine Worte hatten sofort etwas Beruhigendes für mich. „Was ist denn hier nur los? Dieser Lärm, die vielen Kubaner, das macht mir Angst, was habt ihr vor mit uns? Was ist das für ein Haus? Wohnst du etwa hier?“ „Wie denkst du denn von mir? Dir passiert doch nichts, hier ich bin doch bei dir und du bist mein. Das ist das Wohnheim, in dem wir untergebracht wurden. Wir wohnen alle hier und jeder hat sein Zimmer und was meinst du mit Lärm? Hier streitet sich doch niemand, wir sprechen immer laut und viel. Wir haben eben viel Temperament.“ Jetzt tat es mir schon wieder leid, wie konnte ich nur solche Gedanken haben. Ich bin sein, sagte er, es hatte so etwas Männliches, er hatte sich also wirklich für mich entschieden. Ich brauchte keine Angst zu haben, er würde niemals zulassen, dass mir etwas passiert. Was jedoch seine Worte ‚Du bist mein’ für eine gewaltige Bedeutung hatten, sollte ich erst viel später erfahren. Nun stiegen wir endlich aus. Es gab hier und da einen kurzen Wortwechsel in ihrer Landessprache und es klang auch nicht ein bisschen beängstigend für uns. Das ging so durch das gesamte Treppenhaus und auch noch weiter, als wir oben in deren Wohnung ankamen. Anna und ich fanden das sogar lustig, man mochte es kaum glauben, dass es so gesellige Menschen gab. Die hatten wirklich Temperament. Wir tranken zusammen Havanna Club und Salsamusik klang vom Tonband. Wir amüsierten uns einfach köstlich, schon allein durch dieses Durcheinander beim Sprechen. Solche Art von Party mit so viel Geselligkeit und Freude hatten wir noch nie erlebt. Die Kubaner waren auch ständig in Bewegung, sie sprachen mit Händen und Füßen und unterstrichen dazu jedes Wort mit ihrer Mimik. Es war wunderbar. Das erklärte uns auch nun, warum es so laut zuging. Inzwischen waren wir auch aufgetaut, mir fiel nur auf, dass kein einziges kubanisches Mädchen da war. Aber vielleicht wohnten sie ja getrennt. So gegen fünf Uhr wurde es langsam ruhiger und wir waren nur noch zu viert. Anna hatte schon eine Ewigkeit nichts mehr gesprochen, aber das war ja auch kein Wunder, da sie mit Fidel die ganze Zeit rumknutschte. Sie zogen sich nun beide lachend in Fidels Zimmer zurück. Raul stand auf, nahm mich an der Hand und wir gingen ebenfalls beide gemeinsam in sein Zimmer. Ich war so schüchtern und heilfroh, dass es dunkel war. Sein Bett war klein, aber das störte uns natürlich überhaupt nicht. Es war eine wunderschöne Nacht, besser gesagt von dem, was davon übrig war. Wir erwachten am späten Morgen durch den Lärm, der draußen wieder tobte. Die Kubaner waren wieder zum Leben erwacht. Plötzlich realisierte ich, dass ich eine Nacht nicht zu Hause war. Oh mein Gott, meine Eltern hatten es jetzt sicher auch schon gemerkt. Der Gedanke, wieder nach Hause zu gehen, jagte mir unendliche Furcht ein, aber mir war natürlich klar, dass ich nach Hause gehen musste, so oder so. Raul wollte aufstehen, ich sagte: „Bitte geh nicht raus ich will hier nicht alleine in deinem Zimmer bleiben.“ „Ich geh doch nur ins Bad, bin gleich wieder da.“ Es verging eine Weile und immer wieder hörte ich laute Stimmen an der Tür vorbeihuschen, so als ob jeden Moment jemand reinkommen würde. Ich fühlte mich so unwohl, dass ich schon fast bereute, hier zu sein. Ich hockte auf seinem Bett unter der Decke und schaute mich in seinem Zimmer um. Es sah alles sehr bescheiden aus: ein Tisch, zwei Stühle, ein Bett und ein Schrank. Raul kam endlich zurück und brachte mir Kaffee. Ich war so froh, endlich war er wieder bei mir. Es kam mir schon vor wie eine halbe Ewigkeit. Der Kaffee war heiß und sehr gut. „Ich möchte gerne ins Bad, bitte komm mit mir, ich trau mich nicht allein da raus.“ Als wir zusammen aus seinem Zimmer kamen, waren einige Kubaner draußen und sahen mich an. Ich kam mir so blöd vor und schämte mich so. Endlich sah ich Anna, ihr schien es wirklich gut zu gehen. So langsam sah ich erst einmal, wo wir hier genau waren. In der Nacht waren so viele Leute da, dass ich mir davon noch gar kein Bild gemacht hatte. Es war eine ganz normale Wohnung mit drei Zimmern, einem Bad und einer Küche. Als wir alle wieder angezogen, fit und wach waren, fing Raul und Fidel an zu kochen. Es gab Reis mit roten Bohnen und Fleisch in einer roten Soße mit viel Knoblauch zubereitet. Für uns war das absolut fremd, aber es schmeckte sehr gut. Die Küche war so klein und trotzdem standen wir alle die ganze Zeit darin, tranken und rauchten und lachten über unsere kleinen Verständigungsschwierigkeiten. Keinen Moment mehr dachte ich daran, nach Hause zu gehen. Als es dunkel wurde, sagte ich zu Anna: „Mist, ich muss langsam nach Hause.“ „Ich bleibe hier bei Fidel, bleib doch auch, was willst du zu Hause, da hast du sowieso nur Ärger und was willst du denn sagen, wo du warst.“ „Du hast es gut, du kannst machen, was du willst, gestern nicht nach Hause zu kommen, war schon schlimm genug, aber jetzt machen sich meine Eltern vielleicht doch schon Sorgen, dass mir was passiert ist, ich kann ja noch nicht einmal anrufen. So oder so mir bleibt gar nichts anderes übrig“, und wandte mich Raul zu. „Ich muss jetzt langsam gehen.“ „Wieso? Bleib doch da.“ Ich dachte nur: Will er oder kann er mich nicht verstehen? Ich kann doch nicht einfach noch eine Nacht bleiben und außerdem habe ich nicht einmal Klamotten zum Wechseln dabei, das kann er doch nicht wollen.“ „Bei uns sind die Mädchen mit 15 Jahren erwachsen, deine Eltern werden das doch sicher verstehen.“ „Bei uns aber nicht, wir sind erst mit 18 Jahren erwachsen und außerdem muss ich morgen zur Schule. Meine Eltern denken sonst wirklich, dass mir was passiert ist. Ich würde auch viel lieber dableiben, aber es geht nicht.“ Es kam mir vor als würde er mir das nicht glauben, aber mir fiel dazu auch nichts mehr ein. Mit der Situation war ich dann wirklich überfordert. „Ich bring dich nach Hause aber wir sehen uns morgen.“ Ich war jetzt so froh, dass