Einmal Kuba und zurück. Petra Reinoso

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Название Einmal Kuba und zurück
Автор произведения Petra Reinoso
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783991077299



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so die Trennung durchstehen zu können, ohne den Angriffen von Raul ausgeliefert zu sein. Kaum dass Raul zurückgekehrt war, lauerte er mir wieder auf und fing mich auch schon an meiner Arbeitsstelle ab. Er bestand darauf, seinen Sohn zu sehen, und drohte mir wie immer Gewalt an. „Wenn du mir nicht sofort sagst, in welchem Kindergarten unser Sohn ist, dann …“ „Ich will mit dir nicht mehr zusammenleben, du bist gewalttätig, ich halte das nicht mehr aus. Ich komme ganz gut alleine klar.“ „Das werden wir ja sehen, ich werde meinen Sohn schon bekommen und dann nehme ich ihn mit und gehe für immer nach Kuba. Dann wirst du ihn nie wiedersehen.“ Diese Drohung brachte mich jedes Mal zur Ohnmacht. Er war so aggressiv, wenn er das sagte. Mir schnürte es die Kehle zu. Meinen kleinen süßen Liebling durfte ich niemals verlieren. Somit hatte er mich in der Hand, ich war machtlos. Hilfe konnte ich von niemand erwarten. Ich gab nach und ging mit ihm gemeinsam unseren Sohn abholen und dann in meine Wohnung. Seine Freude, seinen Sohn wiederzusehen, war riesengroß und sichtlich echt. Auch Raulito war überglücklich. Er wurde regerecht überhäuft mit Streicheleinheiten. Raul sah wieder völlig gelassen aus und ich merkte, dass er seinen Sohn wirklich über alles liebte. „Ich halte das nicht aus ohne euch. Jeden Tag denke ich an euch, das kannst du mir nicht antun. Ich muss einfach bei euch sein. Ab jetzt wird alles anders, ich weiß, was auf dem Spiel steht. Ich will euch nicht verlieren.“ „Ich kann dir das alles nicht mehr glauben, auch wenn ich es noch so gerne möchte.“ „Glaub mir doch, dieses Mal ist es mein Ernst.“ Er entschuldigte sich immer wieder und umarmte mich dabei und ich hatte wieder mal das gute Gefühl, Liebe zu bekommen. Ich ließ ihn bleiben. Ab diesem Moment war er wieder jeden Tag bei mir. Die ersten Wochen verliefen normal, Raul gab sich Mühe, obwohl ich merkte, dass es nun wieder mit meiner kurzen, zurückgewonnenen Freiheit vorbei war. Ich war wieder jeden Tag zu Hause und durfte nun auch nirgendwo mehr allein hin. Raul war wieder in seine alte Rolle geschlüpft und immer wieder machte sich die Eifersucht in ihm breit. Er vermutete hinter jedem Kollegen von mir einen potenziellen Liebhaber für mich und konnte sich dabei so in Rage reden, dass er auch wieder regelmäßig auf mich einschlug. Es war für mich ein Kampf, ihn jedes Mal zu beruhigen, um wenigsten seine Schläge einzudämmen, damit ich nicht schon wieder mit blauen Flecken übersät zur Arbeit gehen musste. Ich rechtfertigte mich gegenüber seinen Anschuldigungen, dass ich mir oft wünschte, ihn doch endlich wirklich mal mit einem Mann zu betrügen. Aber mir stand nicht im Geringsten der Sinn danach. Raulito war nun schon drei Jahre alt und in der Zwischenzeit hatte Raul sogar seinen Aufenthalt in der DDR noch einmal um ein Jahr verlängern lassen können. Meine Eltern hatten sich nun gänzlich aus meinem Leben zurückgezogen. So bekamen sie auch nicht mit, dass ich nun zwischenzeitlich eine Eheschließung beantragt hatte. Raul wollte unbedingt heiraten, da er aber ein Kubaner war, war dies nicht so ganz einfach. Ich musste die dazu nötigen Anträge stellen und er musste sich alle seine Unterlagen aus Kuba schicken lassen. „Wenn wir für immer als Familie zusammenbleiben wollen, müssen wir heiraten, sonst kannst du auch nicht einfach so nach Kuba ausreisen.“ Erschrocken und erstarrt stand ich da, als er das zu mir sagte, denn nun wusste ich, jetzt machte er ernst und wenn ich ihm jetzt und hier eine Absage erteilte, das würde ich nicht überleben, dann wäre er sicher zu allem fähig. Nur alleine der Gedanke, dass die Zeit, die ihm noch in der DDR verblieb, nicht mehr reichen könnte, machte ihn so rasend. Ich selber hoffte, die Zeit würde nicht mehr reichen, bis die Genehmigung da war. Die Angst ließ mich erstarren. Ja und das obwohl nun in all den Jahren die Angst mein Leben dominierte, trotzdem konnte es immer noch etwas geben, dass aus dieser Angst panische Angst wurde. Ich war beherrscht von der Angst und sie war stärker als alles andere. Nur einzig und allein mein kleiner Sohn hielt mich noch aufrecht. Er war so ein lieber Junge, es gab nie Probleme mit ihm. Er spielte zufrieden, er war glücklich und bekam zum Glück immer noch nichts von den Auseinandersetzungen mit. Raul war ihm jedoch auch ein liebevoller Vater. Das machte er wirklich ausgezeichnet und vor allem war es echt. Da kam die kubanische Kinderliebe komplett durch. Er nahm ihn oft mit vollem Stolz mit zu seinen Landsleuten. Dort war Raulito dann immer der Liebling. Von allen wurde er vergöttert. Da konnte man die Machos beobachten, wie sie sich plötzlich selber wieder in Kinder verwandelten und sogar in Kindersprache mit ihm sprachen. Das gefiel Raulito und er genoss es in vollen Zügen, ständig wurde er herumgereicht und in die Luft geschmissen, geschaukelt und verwöhnt und alles, was ich da sah, war ehrliche, echte Zuneigung. Vielleicht ersetzten sie ihm ja auf diese Art die Großeltern. Ab und zu an den Wochenenden ging ich auch mit und ich wurde auch von allen akzeptiert und respektiert. Sie sahen uns als eine ganz normale Familie und das respektierten sie. Raul war dann selbst auch immer wie ausgewechselt. Dann hatte auch ich immer wieder mal ein paar Glücksmomente. So musste es auch in Kuba sein, sagte ich mir. Alle waren zufrieden und glücklich und zu alledem schien auch noch immer die Sonne. Der Tag unserer Heirat rückte nun immer näher. Alle Genehmigungen waren da und nun musste ich es bald mal meinen Eltern sagen. An einem Nachmittag nach der Arbeit ging ich zu ihnen. Ich sagte auch vorher meiner Schwester Bescheid, damit sie auch da war. Sie begrüßten Raulito und mich ganz normal und nahmen auch mal ihren kleinen Enkel in den Arm und verwöhnten ihn sogar ein bisschen mit Schokolade und Streicheleinheiten. Meine Mutter kochte etwas zum Abendessen und in meinem Hals machte sich ein Knoten breit. Irgendwann kam sie aber doch, die Stunde der Wahrheit. Nach dem Essen sagte ich: „Raul und ich heiraten in zwei Wochen.“ „Du bist ja verrückt geworden, das ist nicht dein Ernst“, sagte meine Schwester. „Nach allem was er dir angetan hat, jetzt wo er doch sowieso bald zurückmuss, musst du ihn dann auch noch heiraten? Ich fasse es nicht, du bist wahnsinnig. Und dann was kommt danach? Gehst du etwa mit ihm nach Kuba? Hast du das etwa wirklich vor?“ „Ja, wir sind ja eine Familie und in Kuba wird alles anders, ich weiß es, wirklich.“ Mein Vater sagte: „Dir ist nicht mehr zu helfen, weißt du denn überhaupt, was dich dort erwartet?“ „Ja, Raul hat es mir ja erzählt und seine Eltern schreiben auch immer ganz liebe Briefe und freuen sich schon auf uns.“ „Und das glaubst du ihm? Er kann dir doch sonst was erzählen, ihm würde ich kein einziges Wort glauben. Wahrscheinlich setzt er dich dort dann mittellos auf die Straße.“ Bei all den Anschuldigungen gegen Raul tat er mir schon richtig leid und ich stellte mich innerlich nur noch mehr auf seine Seite. „Also mit uns brauchst du nicht zu rechnen, denke bloß nicht, dass wir zu deiner Hochzeit kommen werden.“ Als ich nach Hause kam, war Raul da und ich erzählte ihm von dem Abend. „Das war doch klar, dass sie dagegen sind. Diese Menschen sind nicht gut für dich. Ich habe dir schon immer gesagt, dass die Deutschen kaltherzig sind. Das ist in Kuba ganz anders. Sobald wir geheiratet haben, beantragst du deine Ausreise.“ Ich sprach nicht mehr darüber, für mich war es ja nun entschieden. Hatte ich A gesagt, so musste ich auch B sagen, so war es dann eben. Ich wollte auch nicht, dass er sich jetzt nur noch mehr wütend redete. Ich dachte nur, irgendwann würde er sicher mit seiner Eifersucht, mit seinem Jähzorn und dem Prügeln aufhören, aber was war dann mit der Liebe, was passierte damit, konnte ich die dann überhaupt noch aufbringen? War es überhaupt Liebe? Wusste ich das so genau? Ich liebte meinen Sohn, aber die Liebe zu Raul war nicht dasselbe, das Gefühl ihm gegenüber, das manchmal da war, war das die Liebe? Was war Liebe? So könnte es sein, zusammen sein, das war Liebe so wie bei anderen Paaren auch, sonst wären sie nicht zusammen. Aber bedingungslose Liebe bekam ich nur von meinem kleinen Sohn. Wir heirateten an einem Samstag. Meine Oma kam und meine Cousine, alles mütterlicherseits. Das waren die einzigen Gäste, die da waren. Meine Eltern kamen nicht, so wie sie es auch angekündigt hatten, auch nicht meine Schwester. Sie wollten nicht dabei sein, es gab für sie keinen Grund zum Feiern. Man konnte hier auch nicht von einer Feier sprechen, auch wenn ich ein Brautkleid anhatte. Viel davon hatte ich nicht, denn wir gingen nur etwas essen und waren am frühen Abend schon wieder daheim. Wir hatten geheiratet und war ein paar Stunden danach schon wieder zur Tagesordnung übergegangen. Meine Oma blieb noch eine Weile bei uns. Sie war sehr lieb und wir besuchten uns auch sonst in größeren Abständen. Sie war immer begeistert von Raul, sie wusste jedoch nichts über unsere Beziehung. Ich wollte sie nicht damit belasten. Sie mochte Raul, sie mochte Kuba und sie mochte Fidel Castro. Kuba war für sie das Land, in dem der Kommunismus funktionierte, und davon war sie begeistert. Niemals hätte ich ihr das Bild von Raul zerstören können, schließlich liebte auch ich sie. Sie war die Einzige, die mich in meinem Vorhaben bestärkte, denn, wenn man sich schließlich für einen Mann entschied, dann blieb man auch bei ihm. Das waren immer ihre Worte. Aber ich war sicher, wenn sie gewusst hätte, wie er wirklich war, dann hätte auch sie mir abgeraten und ihm vor allem mal ordentlich die Meinung gesagt. Die Tage, Wochen und Monate vergingen. Mein Ausreiseantrag