Название | Es gibt keine Wiederkehr |
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Автор произведения | John Mair |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783939483649 |
Erleichtert kehrte er zum Taxi zurück.
«Fahren Sie uns bitte zum besten Nachtclub ohne Dresscode», bat er den Fahrer. So geschah es.
The Snake and Ladder war ein Club, der sich wenig von anderen Partytreffpunkten dieser Art unterschied. John Bull, der Geschäftsmann, versorgte eine Dame mit platinblondem Haar mit Champagner, die so fügsam war, dass sie gehorsam jedem Mann zu jeder Zeit an jeden Ort gefolgt wäre, jedenfalls solange kein zweiter Mann sie am Arm hielt. Neural Gender, der Poet, ließ das alte Athen mittels fünf hübscher junger Männer und einer Papiermütze wiederauferstehen. Ein Fähnrich saß allein für sich und stellte eine gespielte Gleichgültigkeit zur Schau, die nur zu deutlich durchscheinen ließ, dass seine Vergangenheit in der Zukunft lag. Und viele andere Gäste gaben sich alle Mühe, zu vergessen, dass jede Form von Zukunft, die sie haben mochten, längst einer fernen Vergangenheit angehörte. Desmond wünschte, sie wären anderswo hingeraten, und er spendierte allen Umstehenden einen Drink. Die Blonde wurde gesprächig.
«Oh», sagte sie, «Sie sind aber sehr spendabel!»
«Es ist aber auch ein besonderer Anlass. Ich feiere zu Ehren einer sehr lieben Freundin, die mich zu ihrem Todesvollstrecker gemacht hat.»
«Sie meinen Testamentsvollstrecker», warf die Dunkle ein.
«Oh ja, natürlich. Wie auch immer, sie hat Geld für eine Totenfeier zu ihrem Gedenken hinterlassen. Bevor sie einschlief, sagte sie noch, sie könne nicht in Frieden ruhen, wenn sie nicht geweckt würde. Die Arme! Immer diese Paradoxien!»
Desmond seufzte mehrmals tief und bemerkte, wie ein Kellner ihn eigenartig musterte. Offenbar wurde er betrunken; besser gleich etwas nachschütten. Die Band dröhnte, eine Frau sang, ein Mädchen legte einen Striptease hin, ein Herr erzählte schmutzige Geschichten. Vermutlich war das alles sein Geld wert; jedenfalls schienen viele Leute gern bereit zu sein, dafür zu bezahlen. Plötzlich brüllte eine laute, deutliche Stimme fast in sein Ohr:
«Hallo Anna, wo warst du denn nur? Ich dachte schon, du bist tot.»
Desmond fuhr herum und bemerkte zwei Fremde, die sich am Nebentisch unterhielten. Stumm lachte er über sich selbst, und dennoch hatte er all seine Fassung verloren; jetzt fühlte er sich betrunken und elend, sein Atem ging hastig, wie bei einem Asthmatiker. Er wandte sich an die Dunkle.
«Es tut mir sehr leid, aber ich muss sofort aufbrechen. Hier ist das Geld für die Rechnung, es dürfte problemlos reichen. Für den Rest kaufen Sie sich und Ihrer Freundin bitte ein Geschenk. Ich hoffe, Sie verzeihen mir, aber ich fühle mich gar nicht gut.»
Er schob ihr eine Handvoll Geldscheine zu und eilte nach draußen auf die Straße. Der Vollmond hatte schon seinen halben Weg über den Himmel zurückgelegt, und die flachen Gesichter der Häuser wirkten wie Kulissen eines kubistischen Balletts. In der Ferne schlug eine Turmuhr die halbe Stunde, und ein Zug schob sich über den Fluß. Desmond wusste, dass er sich in einem Netz verfangen hatte, aus dem es kein Entrinnen gab.
Der Mann, der den Aschebehälter in der Küche durchsuchte, erhob sich mit einem zusammengeknüllten Papier in der Hand. «Hier ist etwas», sagte er, «ein Telegramm mit einer Verabredung für den Abend.» Der Große riss es ihm aus der Hand. «Hervorragend! Beenden Sie Ihre Suche so schnell wie möglich und vernichten Sie alle Papiere, die ich nicht mitnehme. Verlassen Sie den Ort leise und einzeln, und sprechen Sie mit niemandem darüber, bis ich es Ihnen gestatte. Bleiben Sie zu den üblichen Zeiten daheim und warten Sie auf meine Anweisungen. Gute Nacht.» Er ging. Eine Stunde später lag die Wohnung still und dunkel da. Das Feuer war heruntergebrannt, und es hatte den Anschein, als habe hier niemals etwas gelebt.
Zu Hause wanderte Desmond vor seinen Bücherregalen auf und ab und quälte sich mit der Berechnung, wie viel Zeit und Geld das Lesen ihn gekostet haben mochte. Selig der Mensch, so dachte er, ohne geistige oder körperliche Leidenschaften, der mit gleicher Verachtung an Buchhandlungen, Bordellen und Reisebüros vorbeizugehen vermochte. Eigentlich schade, dass man sich heutzutage nicht mehr dem Teufel verschreiben konnte; der allgemeine Niedergang des Glaubens hatte diesen Markt ruiniert und den Verderbten lediglich die Rolle des verachteten Proletariats zugewiesen; zu verkaufen blieb denen nichts als ihre ohnehin verlorenen Seelen. Faust hatte Juristerei, Medizin, Logik und Philosophie immerhin noch gegen vierundzwanzig Jahre voller Macht und Herrlichkeit eingetauscht; inzwischen steckten alle Hauptstädte randvoll mit Gelehrten, die diese vier Disziplinen und allerlei weiteres Wissen liebend gern für ein paar Schillinge und gelegentliche Vortragsreisen hingegeben hätten. Laster unterlagen einer Überproduktion, wie anderes auch.
Desmond hielt inne, er schwankte ein wenig und starrte seine Bücher traurig an.
«Ach, Platon! Habe ich früher einmal gelesen. Mal schauen, wie er sich gehalten hat.»
Er zog einen Band aus dem Regal und schlug ihn an irgendeiner Stelle auf:
«Wenn einer umgekehrt die Größe des Abstandes des königlichen Individuums von dem Tyrannen hinsichtlich der gediegenen Wahrheit seines Vergnügens mathematisch ausdrücken wollte, so würde er nach angestellter Multiplikation finden, daß Ersterer siebenhundertundneunundzwanzigmal vergnügter, der Tyrann aber um eben diesen Abstand unglücklicher lebe.»
Glücklicher König Georg! Siebenhundertneunundzwanzigmal glücklicher als ein Diktator. Armer Josef, armer Adolf! Desmond begann weiterzulesen, doch die Buchstaben zerliefen ihm in ein Durcheinander. Außerdem war da noch etwas in seinem Kopf. Was konnte das sein? Nach einigem Nachdenken fiel es ihm wieder ein, und er griff nach einem anderen Band. Was mochte da über Mord geschrieben stehen?
«Gerät jemand aber in einen derart wütenden Zwist mit seinen Eltern, dass er es über sich bringt, in seinem wahnhaften Wüten Vater oder Mutter zu töten, dann verfällt dieser Täter gleich mehreren Gesetzen: Dieser Greueltat wegen treffen ihn die härtesten Strafen, zu denen noch hinzutreten Strafen für Gottlosigkeit und Tempelraub, da er seinen Eltern das Leben raubte.»
Was für ein Haufen Unfug! Warum ihn nicht gleich wegen Brandstiftung anklagen, hat er seine Eltern doch ins Höllenfeuer geschickt, oder wegen Behinderung, da er den Herzschlag der Eltern anhielt, oder wegen betrügerischer Umnutzung, hat er doch die Körper der Eltern in Leichen verwandelt?
«… wenn es also menschenmöglich wäre, hundert Tode zu sterben, so wäre es nur allzu gerecht, denjenigen, der Vater oder Mutter im Zorn erschlug, diese hundert Tode sterben zu lassen.»
Hätte er kaltblütig gehandelt, verdiente er vermutlich zweihundert Tode – oder vielleicht auch nur vierzig; bei diesem Platon wusste man es nie so genau. Sollte es der medizinischen Wissenschaft jemals gelingen, Menschen nach einem unangenehmen Tod, sagen wir durch Ersticken, wiederzubeleben, könnte man den Täter wahrhaftig hundert Tode sterben lassen und ihn nach jeder Hinrichtung wieder aufwecken, außer nach der letzten. So ließe sich eine Art Tarifkatalog erstellen, von einem Tod für Taten im Affekt bis zu fünfhundert Toden für vorsätzlichen Raub, Unzucht und Vatermord, begangen an einem hohen Offizier, der gerade im Feld dem Feind ins Auge blickte; sollte die Berufung